Beschäftigt man sich mit der Geschichte eines Landes, einer Region oder der eigenen Heimatstadt, wird man bald mit einem steten Wechsel einziger Wahrheiten, unantastbarer Autoritäten und herrschender Gewalten konfrontiert. Auf zentral gelegenen Plätzen, vor historischen Gebäuden oder entlang der Allee hinauf zu einem alles überragenden Schloss verharren auf ihren steinernen Sockeln die Helden früherer Epochen:
Stolze Gestalten, von Mut und Tapferkeit beseelt, die für ihre Ideale Opfer brachten und Entbehrungen erduldeten; sich als Held "über den gemeinen Stand derer Menschen erhoben" ( 1). Klingende Namen, aus verworrenen Stamm-Bäumen gewachsen und mit gewichtigen Titeln bestückt, die über Generationen gepriesen und mit Ruhm und Ehre bedacht wurden. Damit verbunden Taten, die von der gottgegebenen Macht von Kaisern und Königen, Fürsten und Herzögen, Grafen und all der anderen ritterlichen Raub-Mörder zeugten und deren Folgen im Rahmen einer hehren, selbst verfassten und so auch legitimierten "Werte-Gemeinschaft" sanktioniert und so veredelt wurden. Daraus gedichtet Geschichten, schön, strahlend und blendend, aus denen Geschichte wurde, die mit übermenschlicher Schaffenskraft, großherzigem Benefiz und genialer Weisheit prahlt.
Letztendlich Legenden des Untergangs, die im eingeprügelten Untertanengeist unserer Großeltern zu verklärten Glaubensbildern gediehen und dafür Sorge trugen, dass es nichts erstrebenswerteres gibt, als in Reih und Glied und auf dem Feld der Ehre für die glorreiche Sache zu sterben.
Mit Gott für Kaiser und Vaterland…
Für Führer, Volk und Vaterland…
Für Frieden, Recht und Freiheit…
Burgen und Festungen, Zeughäuser und Altäre, einst von scheinbar ewig gegebener Allmacht errichtete Tempel zur Konservation all der von Dynastien errungenen Siege, dienten gleich den monumentalen Götter-Bildern der Antike einzig der Sicherung des eigenen Machtanspruchs. Fahnen-Paraden, Trophäen-Triumphe und Trommel-Umzüge, inszenierte Zeremonien, instrumentalisierte Folklore und traditionelles Brauchtum, dies alles macht vergessen, dass es immer die einfachen Menschen sind, die für all die tausend-jährigen Reiche mit Haus und Hof und Leib und Leben haften müssen. Und es sind nach wie vor die einfachen Menschen, denen man von den Kanzeln in den Kirchen und den Pulten in den Schulen in die Köpfe predigt, dass es zur Errichtung eines Himmelreichs auf Erden einzig und allein ihrer Opfer verlangt, die dann - getreu der hehren "Werte-Gemeinschaft" - die Schatzkammern, Handels- und Bankhäuser der Weltenlenker füllen.
Wieviel Unheil haben Religion und Ideologie schon über die Welt gebracht?
In diversen mythischen Epen, nationalen Hymnen und diversen illuster illustrierten Sonntagsblättern, deren Nachbildungen imbezile Zeit-Genossen noch heute im Schatten ihrer idyllischen Gartenlauben durchblättern, wurde der Glanz der Waffen gepriesen und ein festes Feind-Bild geprägt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass man 1894 in der ῭Moskauer Zeitung΅ erfuhr: "In insgesamt 3358 Jahren, vom Jahr 1496 vor unserer Zeitrechnung bis … 1861, hat es 227 Friedensjahre gegeben und 3130 Jahre Krieg. Das ist 1 Jahr Friede auf 13 Jahre Krieg." ( 2).
Sicherlich kann dieses Projekt auch als Verherrlichung von Krieg und Militarismus verstanden werden. Doch leider ist die Geschichte dieser Welt nach wie vor eine Geschichte der Kriege. Vielleicht sollten wir unsere Aufmerksamkeit mehr dem Streben der hinter den von uns gewählten Volks-Vertreter stehenden Mächte widmen. Denn dem Handel mit Waffen folgt in der Regel das Händeln mit Waffen. Gleich welcher Art…
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