Im Unterschied zum
Geschütz wurden im deutschen Sprach-Raum unter dem Begriff Gewehr bis etwa zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648; siehe dazu WIKIPEDIA) sämtliche militärischen Gebrauchs-Waffen zusammengefasst, die am Mann getragen bzw. von diesem transportiert und ohne die Hilfe bzw. Unterstützung eines weiteren oder mehrerer Kameraden zum Zweck des Angriffs oder zur
Verteidigung in der Hand zum Einsatz gebracht werden konnten, womit neben den s.g. Trutz-Waffen auch Schutz-Waffen (wie bspw. das
Schild) in Betracht kommen.
Etymologisch ist der Begriff "Gewehr" auf das althochdeutsche Wort "weri" zurückzuführen, was im frühen Mittelalter gleichsam Befestigung aber auch Verteidigung bedeutete.
Zu unterscheiden sind:
Mit der zunehmenden Verbreitung der
Feuer-Waffen im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts wurde der Begriff dann Sammel-Bezeichnung für alle Arten von langläufigen
Hand-Feuerwaffen. Anfänglich noch als "Feuer-Gewehr" vom Ober- und Unter-Gewehr abgegrenzt, erfasste die Kurzform "Gewehr" mit der Verdrängung der Stangen-Waffen und der Einführung des
Bajonetts bald gleichermaßen
Flinten und Büchsen, Kombinationen aus beiden (siehe
Jagd-Gewehre), als auch
Karabiner und
Stutzen. Heute steht der Begriff als Ober-Bezeichnung für sämtliche Arten von Hand-Feuerwaffen, zu deren Führung und Betätigung beide Hände benötigt werden
(
Mehrlade- und alle Arten der
Repetier-Gewehre,
Sturm-Gewehre,
Maschinen-Karabiner als auch
Maschinen-Gewehre etc.; siehe dazu auch
Lang-Waffen).
In der Wort-Bedeutung ebenfalls bemerkenswert ist die Verwendung des Begriffs "Gewehr" in anderen Sprachen: Im Französischen werden – abgesehen von der Muskete (Mousquet) des 16. Jahrhunderts – sämtliche lang-läufigen Gewehre – gleich ob mit oder ohne gezogenen Lauf – grundsätzlich als "Fusil" bezeichnet und anschließend zugeordnet (bspw. "Fusil à silex"; franz.: Steinschloss-Gewehr, "Fusil de chasse"; franz.: Jagd-Gewehr oder "Fusil d'assaut"; franz.: Schnellfeuer-Gewehr). Im anglo-amerikanischen Sprach-Raum werden sämtliche Gewehre mit gezogenem Lauf ab einer Länge von 16 inches (41 cm) als "Rifle" bezeichnet; sonstige lang-läufigen Gewehre ab 18 inches (46 cm) Lauf-Länge unter dem Begriff "Long Guns" eingeordnet und anschließend unterteilt (bspw. "Shot-Guns"; engl.: Schrot-Gewehre oder "Muskets"; engl.: Musketen, wobei das als "Rifled Musket" bezeichnete
"Minié"-Gewehr von 1849 und spätere Modelle von
Enfield 1853 oder
Springfield 1861 eine Ausnahme bilden).
Die
Pistolen - insbesondere die kurzläufigen
Maschinen-Pistolen aller Art - werden als Waffen zum Selbstschutz nicht zu den Gewehren gerechnet.
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Gewehre aus drei Jahrhunderten (Montage); oben: Fusil de Chasse (Tulle, Modèle 1717), das erste reglementierte Gewehr für die Infanterie; mittig: Spencer Repeating Rifle M1860 "7-Shot Wonder", neben dem "Henry-Gewehr" das erste zuverlässige Repetier-Gewehr, das an die Infanterie der US-Army ausgegeben wurde (bekannter ist die Karabiner-Version); unten: Mondragón-Gewehr M1908, eines der ersten Selbstlade-Gewehre für das Militär; rechts unten: Bajonett des Spencer-Gewehrs.
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Sämtliche Arten und Typen, Modelle und Versionen langläufiger
Hand-Feuer-Waffen, die heute im deutschen Sprachraum umgangssprachlich unter dem Sammel-Begriff "Gewehre" zusammengefasst werden, haben ihren Ursprung in den s.g.
Hand- oder Faust-Rohren, die zu Beginn des 14. Jahrhunderts aufkamen, damit waffentechnisch den Übergang vom Hoch- zum Spät-Mittelalter (siehe dazu Mittelalter) kennzeichneten und das Ende der
Ritter-Zeit einleiteten. Belegt ist, dass schon im Jahr 1314 flämische
Söldner
Feuer-Waffen in den englisch-schottischen Kriegen (siehe dazu WIKIPEDIA) zum Einsatz gebracht haben. Ursprung der auch "Feuer-Rohre" genannten Waffen ist mit großer Wahrscheinlichkeit der asiatische Raum: Eine chinesische Quelle, die die bislang erstmalige Verwendung von
Schwarz-Pulver beschreibt, stammt aus dem Jahr 1044, nur fand der
explosive Stoff hier wohl überwiegend als
Spreng-Stoff zur Befüllung von
Hand-Granaten bzw. von mittels
Pfeilen oder
Katapulten verschossenen
Bomben Verwendung (hingegen wird das erste chinesische Hand-Rohr aus Bronze-Guss, das mit einem
Kaliber von rund fünfunddreißig Millimetern mehr den
Kleinst-Geschützen zuzuordnen wäre, in das Jahr 1288 datiert). Sämtliche dieser Schuss-Waffen, die weder Schaft noch Kolben besaßen, wurden in der Regel aus einem Stück Metall gefertigt und gleich den schweren Geschützen der
Artillerie mittels einer glimmenden
Lunte gezündet, konnten jedoch im Gegensatz zu den großkalibrigen Feuer-Waffen im
Gefecht auch kurzfristig von einem Mann getragen werden. Während des Marsches wurden die Waffen jedoch samt zugehöriger
Munition und sonstigem Zubehör auf Karren oder Last-Tieren transportiert.
Da durch die Haltung der Waffe während des Zielens -, durch das Zielen "über das Rohr" selbst -, sowie durch die manuelle Zündung der Schwarzpulver-Treibladung im überwiegenden Maß nur Zufalls-Treffer zustande gekommen sein dürften; das knallende "Feuer-Rohr" somit mehr demoralisierende als zerstörerische oder vernichtende Wirkung gehabt hatte; letztendlich die schweren und unhandlichen Waffen den
Schützen durch den beim Abschuss entstehenden heftigen Rückstoß auf Dauer annehmbar erhebliche Prellungen zugefügt haben dürften, folgte im Rahmen der technischen Weiterentwicklung rund einhundert Jahre später die Anbringung eines Hakens, der im vorderen Bereich des Laufes fixiert wurde. Dieser Haken, der den Büchsen ihren deutschen Namen gab, hatte einzig die Aufgabe, den Rückstoß der häufig zum Zielen auf der Brustwehr einer
Burg- oder
Festungs-Mauer arretierten bzw. auf einer Gabel aufgelegten Wall- oder
Haken-Büchse im Moment des "Feuergebens" abzufangen. Der zu Beginn des 15. Jahrhunderts montierte Luntenbügel- oder Luntenhahn-Zünder (siehe dazu
Schloss-Systeme), dessen Mechanik es dem Schützen möglich machte, die Lunte ähnlich einer Wippe in die Nähe des Zündlochs zu bringen, wurde im Jahr 1475 vom wesentlich zuverlässiger funktionierenden Lunten-Schnappschloss abgelöst: Der hier namensgebende Feder-Mechanismus ließ die Lunte nach dem Spannen des Luntenhahns und der Betätigung des Abzugs direkt auf eine laufseitig angebrachte Pfanne schnappen, die mit besonders feinem Schieß-Pulver (Zünd-Kraut) befüllt war. Erste Modelle verfügten bereits über einen kleinen Deckel, der das Zündloch vor Verschmutzung -, das Pulver und damit die Kammer samt
Treib-Ladung im Lauf vor Feuchtigkeit schützte, vor dem Schuss jedoch seitlich weggedreht oder hochgeklappt werden musste.
Schloss-Systeme (Montage); von oben nach unten: ♦ Handrohr mit Zündloch und Lunte um 1450 ♦ Luntenbügel-Schloss um 1500 ♦ Luntenhahn-Schloss um 1550 ♦ Lunten-Schnappschloss um 1600 mit Zündloch-Deckel
Weitaus innovativer war die zur Mitte des 16. Jahrhundert aufkommende Arkebuse (sehr wahrscheinlich eine linguistische Verstümmelung des Begriffs Haken-Büchse), die infolge der diversen, in dieser Zeit tobenden militärischen Konflikte schnell in sämtlichen europäischen
Heeren Verbreitung fand. Auch zeigte die Waffe, die mit Vorder- und Hinter-Schaft (Kolben) eine zweckmäßigere Form erhalten hatte, optisch bereits erste typische Merkmale heutiger
Gewehr-Schaftungen. Ausgestattet mit Lunten- oder dem bereits feinmechanisch beeindruckenden Rad-Schloss, war diese Waffe aufgrund der Fortschritte in der Waffenschmiede-Kunst und ersten Erkenntnissen in den Zusammenhängen zwischen Kaliber und
Geschoss, Ladung und
Lauf-Länge bei gesteigerter
Reichweite in der Treffgenauigkeit deutlich präziser (siehe dazu auch
Ballistik).
Wurden Haken-Büchse und Arkebuse noch in aufwendiger Handarbeit gefertigt (in der Regel wurden die Läufe aus einem oder einzelnen Bandstahl-Streifen manuell um einen Dorn geschmiedet, anschließend miteinander verschmiedet und schließlich spiral-förmig verdreht), bot die Erfindung der Dreh- bzw. Tiefbohr-Maschine (siehe dazu WIKIPEDIA) Möglichkeiten zur seriellen, damit schnelleren und effektiveren, letztendlich effizienteren Fertigung glatter Läufe. Und waren diese Läufe anfänglich noch von größerem Kaliber, deutlich länger und damit wieder schwerer als die der Arkebuse, führten neue Methoden der Eisen-Veredlung zu qualitativ immer hochwertigeren Stahl-Legierungen, was wiederum zur Folge hatte, dass die Läufe bei größerer Sicherheit für den Schützen in ihrer Wand-Stärke gemindert und damit leichter gemacht werden konnten. Als Muskete wurde dieser neuartige Feuer-Waffen-Typ bald in sämtlichen Armeen Europas
Standard-Bewaffnung der
Infanterie; die
Kavallerie erhielt die kürzere
Karabiner-Version. Provisorisch in die Lauf-Mündung eingesteckte
Messer wurden von den Waffenschmieden bald passend zu den Musketen-Kalibern gefertigt, als
Spund-Bajonett bezeichnet und als Teil der Bewaffnung an die Mannschaften verausgabt, die diese Stücke ab Mitte des 17. Jahrhunderts regulär als
Seiten-Gewehr trugen und somit die
Waffen-Gattungen der
Pikeniere und
Hellebardiere verdrängten. Die Kombination aus Schnapp- und Rad-Schloss führte schließlich zur Entwicklung des Feuerstein-(Eisen- oder Schwefel-Kies)-Schlosses. Die englische Bezeichnung "Flintstone" gab sämtlichen glattläufigen Gewehren die heute noch übliche Bezeichnung
Flinte. Eine weitere Innovation war neben einer einfachen
Visier-Einrichtung die schaft-unterseitige Anbringung des
Lade-Stocks. Und mit der Fertigung dieser Stücke aus Eisen konnte nicht nur die
Kadenz im
Salven- oder
Peloton-Feuer gesteigert werden, auch bot sich mittels eingeschnittener Gewinde hier die Option, bspw. Kugelzieher, Krätzer oder Ösen für die Reinigung und Pflege der Waffe aufzuschrauben. Höhepunkt der über fünfhundert-jährigen Geschichte der
Vorderlader war die Erfindung des Perkussions-Schlosses, das Feuerstein und Feuerstahl, Pulverpfanne und Zündkraut überflüssig machte: Ein Zündhütchen, gefüllt mit dem schlagempfindlichem Explosivstoff Knallquecksilber (siehe dazu WIKIPEDIA), wurde auf das s.g. Piston gesetzt, das konisch-geweitet laufseitig zum Zündloch führte. Wurde das Gewehr geladen, füllte ein Teil des inzwischen sehr feinen Schwarz-Pulvers auch das Piston-Innere. Mit der Betätigung des Abzugs schlug der Hahn auf das Zündhütchen, brachte den Initial-Sprengstoff zur Explosion, wobei die Zünd-Ladung im Piston und Bruchteile von Sekunden später auch die Pulver-Ladung im Lauf gezündet wurde.
Hatte der technologische Fortschritt bis dahin überwiegend neue Erkenntnisse bei der Konstruktion des Gewehrs -, qualitative Verbesserungen der Legierungen für die Herstellung der Läufe und effektivere Methoden der Produktion an sich hervorgebracht, widmeten sich Waffen-Schmiede und -Konstrukteure sowie Chemiker und Feuerwerker ab dem 19. Jahrhundert zunehmend den einzelnen Komponenten des Gewehrs und der Munition, konzentrierten sich artilleristisch auf ballistische und technische Versuche und auf die Entwicklung neuer Lade-Mechanismen. Grundlage dazu boten der Übergang vom Manufaktur- zum Fabrik-Betrieb und die damit einhergehende Industrialisierung, die die Massen-Produktion standardisierter Waffen möglich machte. Mit diesen Voraussetzungen konnten erstmals die qualitativen Kriterien und Bedingungen realisiert werden, die schon im frühen 18. Jahrhundert als Direktive zur Bewaffnung der s.g.
"Stehenden Heere" formuliert worden waren: Gesteigerte Reich-Weite bei gutem Treffer-Bild und hoher Geschoss-Wirkung (siehe dazu
Durchschlagskraft); hohe Feuer-Geschwindigkeit bei gleichbleibenden Schwer-Punkt in allen
Anschlags-Arten; ausreichende Länge als Stoß-Waffe; standardisierte und damit kompatible Einzel-Teile, die eine kostengünstige Massen-Produktion garantierten.
Die Einführung
patronierter Munition -, die Erfindung des Kammer- oder Zylinder-Verschlusses (siehe dazu
Verschluss-Systeme) -, die Entwicklung der Zündnadel bzw. des späteren Schlag-Bolzens sowie die Entdeckung der rauchschwachen "Schieß-Baumwolle" (siehe dazu WIKIPEDIA) führten im Jahr 1840 zur Einführung des s.g.
Zündnadel-Gewehrs (M 1841), dem ersten sicher und zuverlässig funktionierenden und damit revolutionären
Hinterlader. Und obwohl die ab dem Jahr 1830 aufkommenden Metall-Patronen noch erhebliche Mängel in der Zuverlässigkeit aufwiesen, machte diese Munitionsart die Entwicklung einer neuen Gewehr-Generation möglich, die als
Mehrlade- und
Repetier-Gewehre mehrere Patronen in einem
Magazin aufnehmen konnten, was die Kadenz enorm steigerte. Noch heute verbreitete Typen sind neben dem im Gewehr fest montierten Magazin-Kasten, in das eine vorbestimmte Anzahl Patronen einzeln oder mittels eines Lade-Streifens bzw. –Rahmens eingeschoben werden, das Kasten- oder Stangen-Magazin, das Röhren-Magazin, das im Kolben oder unter dem Lauf montiert wird, und das Revolver-Magazin, das gleich den
Revolvern funktioniert, sich bei den Gewehren jedoch aufgrund der relativ instabilen Konstruktion von Rahmen und Trommel-Achse als sehr anfällig und entsprechend unzuverlässig erwies und militärisch kaum Verwendung gefunden hat. Bei sämtlichen Modellen wird der Nachladevorgang durch eine manuelle Bewegung ausgeführt, die mittels Hebel-Wirkungen einen Abzugs-Feder-Mechanismus im Verschluss spannt, der dabei gleichzeitig die leere Hülse aus dem Patronen-Lager auswirft und eine neue Patrone einführt.
Schematische Darstellung der Funktion des s.g. "Zündnadel-Zylinderverschluss" preussisches Infanterie-Gewehr M 1841
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts waren beinahe sämtliche Gewehre, die innerhalb europäischer Armeen militärische Verwendung fanden, mit Läufen ausgestattet, die innenseitig polygonal oder mit Zügen und Feldern durchzogen bzw. "geriffelt" waren (daher engl.
"Rifle"). Die gezogenen Läufe gaben dem
Projektil einen Drall, der wiederum die Reichweite steigerte und die Treffsicherheit erhöhte.
Nächste Etappe in der Geschichte der Hand-Feuerwaffen war die Erfindung der
Selbstlade-Gewehre (auch halbautomatische Waffen genannt), die im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts aufkamen: Der beim Abfeuern eines Geschosses entstehende Gas-Druck übertrug sich als Rückstoß bislang über den Lauf, damit auf den Gewehr-Kolben und somit auf den Schützen. Verschiedene Konstruktionen machten sich diesen Effekt zunutze, in dem entweder die Rückstoß- oder die Gasdruck-Energie auf einen Mechanismus einwirkte, der nach dem Schuss in der hierbei entstehenden Rückbewegung den Verschluss öffnete, die abgefeuerte Hülse auswarf, dabei den Abzug samt Hahn oder Schlag-Bolzen neu spannte und in der Vorwärtsbewegung eine neue Patrone aus dem Magazin in das Patronen-Lager einschob. Die Waffe war damit wieder feuerbereit, und der Vorgang konnte durch das neuerliche Betätigen des Abzugs solange wiederholt werden, bis das Magazin leergeschossen war. Und obwohl diese Klasse von Gewehren und
Pistolen theoretisch bereits in der Lage gewesen wäre, im Dauerfeuer-Modus zu schießen, waren die Gewehr-Läufe auf die dabei entstehende Hitze noch nicht ausgelegt, die Kapazität der Magazine zu gering bzw. vorhandene Systeme zur Munitions-Zuführung technisch ungeeignet.
Mit dem ersten, im Jahr 1885 präsentierten
Maschinen-Gewehr von Maxim (siehe dazu
"Maxim-Maschinengewehr") schienen diese Probleme gelöst: Die Munitions-Zufuhr erfolgte über Patronen-Gurte, die einhundert bis zweihundertfünfzig Standard-Patronen fassten. Stahl-Legierungen mit Zusätzen von Kobalt und Nickel, Wolfram und Chrom machten die Läufe zunehmend fester, im Rahmen der beim Feuern entstehenden Belastungen damit zäher und dehnbarer. Die Kadenz lag mit rund sechshundert Schuss in der Minute bei einer bis dahin unerreichten Feuer-Geschwindigkeit und die Wasser-Kühlung ließ theoretisch ein ununterbrochenes Feuern zu, ohne dass der Lauf durchglühte. Hingegen berichten verschiedene Erzählungen über Einsätze, bei denen das Kühl-Wasser erst zu sieden und schließlich zu verdampfen begann.
Auszug aus "Erlebnisse badischer Frontsoldaten, Band 1: Maschinengewehre im Eisernen Regiment (8. Badisches Infanterie-Regiment Nr.169)" von Otto Lais (Verlag G. Braun, Karlsruhe 1935):
Ein Gurt nach dem andern wird durchgejagt! 250 Schuss - 1000 Schuss - 3000 Schuss. Reserveläufe nach oben, schreit der Gewehrführer. Das Gewehr macht Laufwechsel - Weiterschießen -! 5000 Schuss - Das Gewehr muss abermals Laufwechsel machen. Der Lauf ist glühheiß, das Kühlwasser kocht - die Hände der am Gewehr arbeitenden Schützen sind halb versengt, verbrüht. Weiterschießen, drängt der Gewehrführer oder schießt selbst! Das Kühlwasser im Gewehrmantel siedet, verdampft bei der rasenden Schießerei. In der Hitze des Kampfes rutscht der Dampfabteilungsschlauch aus der Öffnung des Wasserkessels, in dem er sich wieder niederschlagen soll. Zischend spritzt eine hohe Dampffontäne auf, ein herrliches Ziel für den Gegner... Der Gegner kommt näher ran; wir schießen unaufhörlich weiter! Der Dampf wird schwächer, erneuter Laufwechsel wird dringlich! Das Kühlwasser ist nahezu verdampft. Wo ist Wasser, brüllt der Richtschütze. Holt Selters (eiserne Ration des Unterstandes) unten im Stollen. "Nichts mehr da, Herr Unteroffizier"! - Sämtliche eiserne Rationen wurden in den 8 Trommelfeuertagen verbraucht. Immer noch rennen die Engländer an; trotzdem sie schon zu hunderten niedergeschossen vor unsern Trichtern liegen, fluten immer neue Wellen drüben aus den Sturmausgangsstellungen. Wir müssen schießen! Ein Schütze greift den Wasserkessel, springt runter in den Trichter und schlägt sein Wasser ab. Ein zweiter pisst ebenfalls in den Wasserkessel - schnell auffüllen -!
Einziger und im wahrsten Sinne schwerster Nachteil des Gewehrs waren die etwa dreißig Kilo Gesamt-Gewicht, was eine
Lafette erforderlich machte. Da jedoch die anfänglich sechs Mann
Bedienung den Kriterien eines typischen Gewehrs widersprachen, es dadurch die Einstufung eines kleinen
Schnellfeuer-Geschützes erhielt, wurde es in vielen Armeen als schweres Maschinen-Gewehr geführt und anfänglich der Artillerie zugeteilt, im späteren Einsatz jedoch wieder der Infanterie beigegeben und hier in bataillons-eigenen Abteilungen bzw. Kompanien formiert (1914 verfügte jedes deutsche Infanterie- bzw.
Jäger-Bataillon über eine Maschinengewehr-Abteilung, die sich in drei Züge mit je zwei bis drei Maschinen-Gewehren samt dem dazu gehörigen Tross mit
Munitions-Wagen,
Protzen und Lafetten gliederte. Anfang 1918 wurden die drei Maschinengewehr-Kompanien eines jeden noch bestehenden Infanterie-Regiments auf je zwölf Maschinen-Gewehre verstärkt). Leichtere vollautomatische oder Maschinen-Waffen, die noch während des Ersten Weltkrieges (siehe dazu WIKIPEDIA) aufkamen, übernahmen zwar größtenteils die gegurtete Munitions-Zufuhr, boten aber bald auch neue Magazin-Formen wie das Streifen-, Teller- und Kurven-Magazin.
Mehr oder weniger ungelöst ist nach wie vor das s.g. Ausglühen der Läufe im Dauer-Feuer bzw. das beginnende Rot-Glühen nach etwa einhundert Schuss. Die hierbei entstehenden Abrieb-Belastungen sowie die heißen Pulver-Rückstände führen dabei primär zu Verformungen, die einen zunehmenden Streu-Effekt mit sich bringen, sekundär zur Erosion, die letztendlich die Verschrottung des Laufes zur Folge hat, wie nachfolgende Daten belegen: Die Läufe des deutschen Maschinen-Gewehrs
MG34 waren bei einer Kadenz von etwa 800 bis 900 Schuss pro Minute nach 5.000 bis 6.000 Schuss -; die des
MG42, das mit einer Feuer-Geschwindigkeit von 1.200 bis 1.500 Schuss pro Minute deutlich schneller schoss, bereits nach nur 3.500 bis 4.000 Schuss verschlissen (Quelle: "Infanteriewaffen gestern (1918 - 1945)", Band 1; von Reiner Lidschun/Günter Wollert; Brandenburgisches Verlagshaus).
Erst die seit 1924 patentierte, aufwendige und teure Hartverchromung des Lauf-Inneren konnte der schnellen Abnutzung entgegenwirken, doch kann auch diese Art der Veredlung (auch Galvanisierung genannt; siehe dazu WIKIPEDIA) nicht den Effekt verhindern, dass der luft-gekühlte Lauf einer Maschinen-Waffe nach kurzer Zeit bzw. wenigen hundert Schuss so extrem heiß wird, dass er ausgewechselt werden muss. Die Läufe von schweren Maschinen-Waffen oder -Kanonen, die gegenwärtig zum Einsatz kommen, werden in einem aufwendigen Verfahren mit extrem widerstandsfähigen Legierungen auf Cobalt-Chrom-Basis beschichtet und gehärtet (mehr dazu unter "Stellite"; siehe dazu WIKIPEDIA).
Schwer zuzuordnen sind eine Vielzahl s.g.
Maschinen-Pistolen, deren Geschichte mit der deutschen
MP18 (Bergmann/Schmeisser) begann: Nach dem gegenwärtig geltenden Deutschen Waffengesetz (WaffG; siehe dazu "Gesetze im Internet") werden sämtliche Hand-Feuerwaffen, deren Lauf mit geschlossenem Verschluss weniger als dreißig Zentimeter misst bzw. deren Gesamt-Länge unter sechzig Zentimeter liegt, als
Kurz-Waffe eingestuft und würden damit in die Ordnung der
Faust-Feuerwaffen fallen. Militär-technisches Kriterium einer Faust-Feuerwaffe ist jedoch die Eigenschaft des einhändigen Gebrauchs, was bei den meisten Modellen von Maschinen-Pistolen theoretisch zwar möglich aber praktisch unsinnig wäre. Historischer Hintergrund ist die einfache Tatsache, dass die ersten Maschinen-Pistolen umgerüstete Automatik-Pistolen waren (siehe dazu
Pistole 08/Parabellum), die mit einem arretierbaren Kolben und verlängertem Lauf ausgestattet waren und aus einem größeren (Trommel-) Magazin bis zu 32 Schuss Dauer-Feuer schossen. Als "Pistolen-Karabiner 08" wurden diese Waffen an die deutschen
Artilleristen ausgegeben.
Bezeichnete man die Maschinen-Pistole im anglo-amerikanischen Sprach-Raum anfänglich noch nach dem in Großbritannien bevorzugten Ausdruck "Machine carbine"
(
Maschinen-Karabiner), setzte sich während des Zweiten Weltkrieges (siehe dazu WIKIPEDIA) der in den Vereinigten Staaten von Amerika übliche Begriff "Submachine gun" - kurz "Machine gun" - durch. Hingegen war die deutsche Bezeichnung
"Sturm-Gewehr" anfänglich nur eine propagandistische Benennung für den
Maschinen-Karabiner 42 und ging dann auf sämtliche Nachfolge-Modelle über. Heute steht der Begriff Sturm-Gewehr (engl.: "Assault rifle", franz.: "Fusil d'assaut") für die Klasse relativ leichter, robuster und kompakter Mehrzweck-Militärgewehre, die über einen individuell einstellbaren Modus für schnelle Einzel-, Feuerstoß- und vollautomatische Dauer-Schussfolgen verfügen, überwiegend s.g. Mittel-Patronen – auch als Pistolen-Patrone 43 bezeichnet; ein Munitions-Typ, der zwischen Pistolen- und Gewehr-Patronen eingeordnet wird – verschießen und unkompliziert zu warten, zu reinigen und zu reparieren sind.
Klassische Bau-Teile moderner Gewehre sind der Lauf mit Patronen-Lager; der Schaft, der sich in Vorder- und festen, klapp- oder schiebbaren Hinter-Schaft samt optionalen Pistolen-Griff und Backe unterteilt und mit einem Hand-Schutz versehen sein kann; das Schloss samt Abzugs-Mechanismus für das Abfeuern bzw. der Verschluss, der auch für den Lade- bzw. Entlade-Vorgang dient; einer mechanischen, optischen oder reflektierenden Ziel-Vorrichtung (siehe dazu
Visier) und dem fest eingebauten oder einsetzbaren Magazin. Als Equipment kommen
Schall-Dämpfer,
Unterbau-Granat-Werfer oder Gewehr-Granat-Gerät -, Nachtsicht- oder Laserziel-Einrichtung -, Bajonett oder Seiten-Gewehr zum Einsatz. Ältere Komponenten sind die s.g. Garnitur (Schaft- und Kolben-Beschläge) und der Trage-Riemen.
Sturmgewehr 44; das erste und zumindest dem Namen nach einzig wirkliche "Sturmgewehr" u.l.: mit aufgesetztem Zielfernrohr ZF-4 (1943); u.r. Magazintaschen für 12 Magazine; o.r.: s.g. Mittel-Patronen 43 Kurz (7,92 × 33 mm) (Montage, Bild-Quellen u.a.: ► WIKIPEDIA)
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