Die Armbrust (im Rätoromanisch-Schwizerdütschen anfänglich "Arkbusse", vom lat.: Arcus; der Bogen und Pyxis; die Büchse, somit wörtlich die "Bogen-Büchse", davon im Schwizerdütschen volkstümlich "Arkbräst"; anfänglich schwizer Bezeichnung für die Armbrust, ursprünglich
"Arcubalista"; vom lat.: Arcus; der Bogen und griech.: Ballein bzw. lat.: Ballista; werfen, somit eigentlich "Bogen-Werfer", daraus im gallo-romanischen Französisch "Arbalète", daraus wiederum im Mittelhochdeutschen ab dem 15. Jahrhundert
"Arbaleste", auch Baleste oder Balester), ist eine Schuss-Waffe aus dem Bereich der Distanz-Waffen, Klasse der
Spann- und Vorspann-Waffen, Ordnung der
Sehnen-Arm-Spanner, Kategorie säulen-schaftige
Bogen-Schleudern, Gruppe der einschüssigen, schaft-rinnigen Einlege-Lader (siehe dazu auch Kategorisierung der Waffen), zu deren Wirkung ein
Geschoss (in der Regel ein
Bolzen, seltener eine Kugel; siehe dazu
Projektile) Bedingung ist, das über die plötzliche Entspannung einer geeigneten
Sehne einen Impuls erhält.
Als eine Weiterentwicklung des
Bogens war die Armbrust bereits im antiken China und im archaischen Griechenland (hier etwa seit dem 5. Jahrhundert v.u.Z.; siehe dazu
Gastraphetes) bekannt. Im Unterschied zum Bogen wurde bei der Armbrust der waffen-haltende bzw. -führende Arm des
Schützen durch einen horizontalen Schaft (bei der Armbrust auch Säule genannt, daher engl. auch "Crossbow"; der Kreuz-Bogen) ersetzt, der mit einer Führungs-Rille für den Bolzen (Geschoss-Lager), einer Abzugs- und bald auch einer Spann-Vorrichtung versehen war.
Im europäischen Raum ist die Armbrust seit dem frühen Mittelalter verbreitet und hier - erst als
Jagd- dann zunehmend als
Kriegs-Waffe - im Gebrauch, fand zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch als
Granat-Werfer Verwendung und wird heute überwiegend im sportlichen Wett-Kampf benutzt. Vor allem in den Alpen-Ländern waren und sind sogenannte "Preis-Schießen" kulturelle Tradition und beliebte Attraktion eines Jahr-Marktes bzw. der Kirmes.
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Armbrüste aus dem hohen Mittelalter (Montage); von links nach rechts: leichte Baleste mit Geißfuß, Lamellen-Bogen- und Komposit-Bogen-Armbrust, Winden- und Rüsterzug-Armbrust.
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Vorläufer: |
primitiver Jagd- und Kriegs-Bogen
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Nachfolger: |
Arbaleste
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Modifikationen: |
moderne Recurve- und Compound-Waffen
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Der deutsche Begriff "Armbrust" lässt etymologisch eine Reihe von Thesen zu. Berücksichtigt man allein die Vielzahl deutscher Mund-Arten, die im Mittelalter und damit in der Zeit des Aufkommens und der europa-weiten Verbreitung dieser Waffen-Art gesprochen wurden, können folgende sprachlichen Ähnlichkeiten für die Herkunfts-Erklärung der Bezeichnung herangezogen werden: Bereits unter den schwäbischen Kaisern des 13. Jahrhunderts (Hohenstaufer) wurde die Waffe in der Dichtung erwähnt und bspw. im "Schwabenspiegel" (siehe dazu WIKIPEDIA) aus dem Jahr 1275 als "Arbrost" bezeichnet. Im "Theuerdank" (siehe dazu WIKIPEDIA) von 1508 wird die "Armbrost" genannt, im Niedersächsischen bzw. Niederdeutschen und Mittelniederländischen "Armbost", im nahen Dänischen "Armbosse", im Schwedischen "Arborst".
Zurückgeführt können sämtliche Bezeichnungen auf den im volkstümlichen Schwizerdütschen verbreiteten Begriff "Armbräst". Und nach Auskunft von Herrn Sepp Steiner, Betreiber der "Tell-Werkstatt" (Gersau, Schweiz) gab es "... aus dem Lande Uri und Schwyz ... für die Armbrust den Namen 'Horä-Bräst'. Damit ist ein teuetig die Hornschicht-Armbrust aus iener Zeit gemeint".
Allen Bezeichnungen gemein ist die u.a. in der lateinischen Sprache häufig gebräuchliche Silbe "Ar", die in Erweiterung die Begriffe "Arma" (die Waffe) -, "Armus" (der Arm) – bzw. "Arcus" (der Bogen) bildet. Umgangssprachlich abgeschliffen entstand daraus im schwizerdütschen bzw. alpen-ländischen Sprach-Raum die "Arkbusse", vom lat.: Arcus; der Bogen und Pyxis; die Büchse, somit die "Bogen-Büchse", wobei die Büchse bald zum Ober-Begriff für viele Vielzahl von
Feuer-Waffen kleineren und mittleren
Kalibers wurde. Der Begriff "Busse" wurde im alt- bzw. mittelhochdeutschen Sprach-Raum mit den Abstraktas "buoz" bzw. "buoze" für "besser" oder "Besserung" verstanden; womit sinngemäß auch der "Bessere Bogen" möglich wäre. Der mittelhochdeutsche Begriff "Borste" bzw. das althochdeutsche "Borst" steht u.a. gleichbedeutend für etwas "Hervorstehendes" (der Armbrust-Schaft), für "steifes Haar" bzw. ein aus Pflanzen-Fasern (Hanf) oder Tier-Haaren (Borsten) hergestelltes Geflecht und kann somit auch Bezug auf die
Sehne der Armbrust nehmen. Einzig im sächsischen und somit angelsächsischen Sprach-Raum entwickelte sich aus der für den Bogen gebräuchliche Bezeichnung "Boga" der englische "Crossbow" (wörtlich der Kreuz-Bogen, was wiederum die Entwicklung der Armbrust aus dem Bogen beschreibt).
Im gallo-romanischen Französisch wird die Armbrust allgemein "Arbalète" bezeichnet, was als abgeschliffene bzw. verkürzte Form der ursprünglichen
"Arcubalista" (von lat.: Arcus; der Bogen und griech.: Ballein bzw. lat.: Ballista; werfen, somit eigentlich "Bogen-Werfer", die handliche Version der schweren
"Carrobalista" in der
römischen Legion) hergeleitet werden kann. Die Ableitung
"Baleste" oder "Balester" wurde wiederum Bezeichnung für die leichten deutschen Armbrüste des 15. Jahrhunderts, die in der Regel Kugeln aus Ton, Marmor oder Blei verschossen.
Mit großer Wahrscheinlichkeit war die Armbrust bereits im antiken China bekannt. Belegbar ist ihre Verwendung als Waffe mit dem Fund eines erstaunlich gut erhaltenen Exemplars bei den Ausgrabungen der sogenannten "Terrakotta-Armee" (siehe dazu WIKIPEDIA), die um das Jahr 210 v.u.Z. errichtet wurde. Ältester – bislang bekannter – europäischer Typ der Armbrust ist die aus der griechischen Antike stammende
"Gastraphetes" (allg.: Bauch-Schleuder, wörtl.: Bauch-Fötus), von der ein Bauplan aus dem 1. Jahrhundert v.u.Z. überliefert ist. In der römischen Legion lassen Relief-Abbildungen (u.a. bei Solignac und Saint Marcel, Frankreich) und fragment-artige Funde (bei Xanten; Deutschland) auf die Verwendung von
Komposit-Armbrüsten und
lafetten-gestützten
Torsions-Geschützen spätestens mit Beginn der Zeit-Rechnung schließen.
Für die nächsten zehn Jahrhunderte (u.a. die Zeit der großen Völker-Wanderungen, der Gründung der post-römischen und ersten europäischen König-Reiche) können an dieser Stelle bislang keine Quellen und Artefakte angeführt werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit kamen einfache Modelle bereits in den sogenannten Normannen-Kriegen zum Einsatz (siehe dazu WIKIPEDIA), die im Jahr 1066 mit der Eroberung Englands durch Wilhelm "le Bâtard" (1027 – 1087, ab 1066 König von England) endeten; zumindest lassen armbrust-ähnliche Darstellungen auf dem zeitnah entstandenen Teppich von Bayeux (siehe dazu WIKIPEDIA) auf Bekanntheit, Verbreitung und kriegerische Verwendung der Waffe schließen.
Armbrust-Schützen auf dem Teppich von Bayeux (Ausschnitt) (Quelle: ► WIKIPEDIA)
Dass die Armbrust eine stete Weiter-Entwicklung erfuhr, belegen vor allem die Beschlüsse des Zweiten Lateran-Konzil aus dem Jahr 1139 (siehe dazu WIKIPEDIA): Bemerkenswert ist hier der sogenannte "Canon 29", der bei der Strafe des Kirchen-Banns den Einsatz der "... todbringenden und gottverfluchten Geschütz- und Bogenschießkunst gegen Christen und Katholiken ..." verbietet und die Waffe selbst samt den aufkommenden Feuer-Waffen als "Deo odibilem" (lat.: von Gott gehasst) ächtet. Derart verdammt durfte die Armbrust von den edlen
Rittern und ihren gottesfürchtigen
Schützen offiziell nur noch gegen Ketzer und Ungläubige und somit einzig während der Kreuz-Züge (siehe dazu WIKIPEDIA) zum Einsatz gebracht werden, wie u.a. die "Chronik der Kreuzzüge" von Wilhelm von Tyrus, entstanden zwischen 1168 und 1184 (siehe dazu WIKIPEDIA), beispielhaft belegt. Dem entgegen errichtete der erzkatholische Philipp II. August (1165 – 1233 ab 1180 König von Frankreich) mehrere Kompanien von Armbrust-Schützen, die als
Eliten im Kampf gegen Henry II. (1133 – 1189, ab 1154 König von England) und Richard Löwenherz (1157 – 1199, ab 1189 König von England und gestorben infolge eines Armbrust-Schusses) im Rahmen des Hundert-Jährigen Krieges (siehe dazu WIKIPEDIA) zum Einsatz kamen. Alt-russische Quellen erwähnen Armbrüste (russ.: Самострели) erstmals in den Jahren 1159 und 1176; ein Fresko in der orthodoxen Kirche des Patriarchats von Pec (Kosovo) zeigt einen Armbrust-Schützen aus dem Jahr 1346. Das Archiv des Züricher Zeughaus-Kellers verzeichnet für das Jahr 1315 einen Lager-Bestand von einhundert-zweiundsechzig Armbrüsten. Ein erster bildlicher Nachweis im deutsch-sprachigen Raum ist im Siegel des Luzerner Rates Johann von Hildisrieden aus dem Jahr 1235 gegeben (wobei der populärste Armbrust-Schütze wohl nach wie vor der schweizer National-Held Wilhelm Tell ist, dessen Geschichte auf das Jahr 1307 datiert wurde, erstmals niedergeschrieben im Jahr 1472). Funde an der Burg Krašov (Böhmen, heute Tschechien; siehe dazu WIKIPEDIA) wurden um das Jahr 1250 datiert. Im süd-französischen Tournay fand bereits im Jahr 1394 ein großes Wett-Schießen unter Beteiligung der Bürgerschaft statt, was wiederum belegt, dass die Armbrust zunehmend bevorzugte Waffe der wehrhaften Stadt-Bürger (siehe dazu
Miliz) wurde. Urkundlich erwähnt wurden städtische
Schützen-Gilden erstmals im Jahr 1139 in Gymnich und 1190 in Düsseldorf (beide Rheinland). Dass dem einfachen Volk – vor allem dem renitenten Bürgertum in den nach Selbstbestimmung strebenden Städten – eine Waffe in die Hand gegeben wurde, deren Geschosse die kostspieligen
Rüstungen samt darin enthaltender Obrigkeit durchlöchern konnten, war natürlich nicht im Sinne der herrschenden Gewalten: In einem "Breve" (einem beurkundeten Rund-Schreiben mit Rechts-Kraft, davon der "Brief") verdammte Innozenz III. (1160 – 1216, ab 1198 Papst der römisch-katholischen Kirche) nicht nur die Waffe selbst, sondern vor allem die zunehmende Zahl der Gilde-Schützen, die als Betreiber einer "Artem mortiferam" (lat.: tod-bringenden Kunst) gebrandmarkt wurden. Offiziell abgeschafft wurden die Armbrust-Schützen von Charles IX. (1550 –1574, seit 1560 König von Frankreich), dessen Vormundschaft – annehmbar anlässlich der Errichtung der
Leib-Garde "Régiment des Gardes françaises" (siehe dazu
französische Garde) bzw. in Reaktion der von den Hugenotten anfänglich mit großem Erfolg zum Einsatz gebrachten Feuer-Waffen - per Dekret befahl: "... damit nun Bögen und Armbrüste nicht mehr als Wehr verwendet werden, sollen von jetzt an alle Armbrust- und Bogen-Schützen die Arquebuse anstelle der Bögen und Armbrüste tragen...".
Entwicklungs-technisch wird die Armbrust als eine Verbesserung des antiken Bogens angesehen. Physikalisch ergibt sich die potentielle kinetische Maximal-Energie eines Bogens, die dieser beim Abschuss in Form eines Impulses auf einen
Pfeil überträgt, aus der Summe der beim Halten und gleichzeitigen Spannen zur Wirkung kommenden Gegen-Kräfte. Können die beim manuellen Spannen des Bogen aufzubringenden Zug- und Widerstands-Kräfte zusammengefasst werden, verdoppelt sich in der Theorie auch die Impuls-Kraft, die der Bogen mittels der Sehne beim plötzlichen Entspannen auf den Pfeil übertragen kann. Direkte Folge der verdoppelten Impuls-Kraft ist damit nicht nur eine deutliche Erhöhung der
effektiven Reichweite sondern vor allem die massive Steigerung der Durchschlags-Kraft, was schon in der Antike für die Bekämpfung der mehr und mehr gepanzerten Krieger relevant wurde. In der Praxis wurde dafür der klassische Bogen mittig auf das Kopf-Ende eines festen Schafts (Säule genannt) montiert, in dem eine innovative Arretierungs- bzw. Rückhalte-Vorrichtung (Nuss) für die Sehne samt einem Abzugs-Mechanismus eingelassen war. Die Sehne konnte nunmehr mit beiden Händen gepackt und mit Kraft solange gezogen werden, bis sie in eine der beiden kerben-artigen Narben (Nuten) der scheiben-förmigen Nuss glitt, die in Schuss-Richtung drehbar auf einer im Schaft eingelassenen Achse gelagert war. Die zweite Nut rastete dabei in den schaft-innenseitig gelegenen Bügel der Abzugs-Wippe und wurde so bis zum Betätigen des Abzuges blockiert. Die Waffe konnte somit ohne weiteren Kraft-Aufwand gespannt gehalten und geladen werden, was ein ruhiges Zielen ermöglichte. Das eigentliche Zielen erfolgte entweder über das Geschoss oder über eine recht fragliche
Visier-Einrichtung. Letztendlich waren wohl Erfahrung, Übung und Talent des Schützen die bestimmenden Kriterien für einen Treffer.
Spann- und Abzugs-Mechanismus einer Armbrust (Montage); (Quelle: Illustrationen aus "Handbuch der Waffenkunde" von Wendelin Boeheim; Verlag E.A. Seemann, Leipzig, 1890; online verfügbar im: ► Deutschen Textarchiv; ► zum Register des Handbuchs...)
Diese technische Konstruktion und der damit einhergehende Effekt, dass die Kraft nunmehr einzig zum Spannen der Waffe aufgewendet werden musste, ließ die Entwicklung und Verwendung wesentlich stärkerer Bogen-Arme zu, die anfänglich in der Lamellen-Bauweise aus immer stärkeren Holz-Lagen (in der Regel Eiben-Holz), dann in einer Komposit-Bauweise aus miteinander verleimten Holz-, Sehnen- und Horn-Schichten, die anschließend mit Birken-Pech getränkten Bast umwickelt oder mit Birken-Rinde umklebt -, gefertigt wurden. Im asiatischen und orientalischen, arktischen und nordamerikanischen Raum waren auch Bogen aus dem leichten und hoch-flexiblen "Fischbein" im Gebrauch, die sich zwar durch eine außergewöhnliche Reichweite auszeichneten, jedoch aufgrund klimatischer Beeinträchtigungen eine intensiven Pflege und Wartung erforderten.
Konnten die handlichen Modelle anfänglich noch mit der Hand oder mittels einer "Krappe" oder "Kralle" gespannt werden, so erwies sich bereits das wiederholte Spannen für die schnelle Abgabe mehrerer Schüsse als mühevolle Arbeit, die einen erheblichen Kraft-Aufwand erforderte, was zu Lasten der
Kadenz und letztendlich des gezielten Schusses ging. Provisorische Abhilfe bot anfänglich ein – spätestens ab dem 11. Jahrhundert dokumentierter - sprossen-ähnlicher Auftritt, der kurz vor der Mündung in den Schaft der Armbrust eingelassen war, bald aber durch den wesentlich stabileren eisernen "Stegreif" (dem Steig-Bügel ähnlich) ersetzt wurde. Beide Elemente machten es möglich, die Waffe, die zum Spannen schon vorher mit der Mündung auf dem Boden aufgesetzt wurde, nun auch mit dem Fuß und so mit dem Gewicht des Schützen fixieren zu können. Praktisch ergänzt wurden diese Bauteile etwa um 1330 durch den sogenannten "Spanner-Haken" (gefunden u.a. bei Izyaslaw, Ukraine), der am Leib-Gurt des Schützen hing und dazu diente, die Sehne der Armbrust beim Abknien einhaken -, und die Waffe beim Aufrichten spannen zu können (was jedoch einige Übung verlangte und auf Dauer ein vergleichbar ermüdender Prozess ist).
Kleinere Modelle oder schwere Stücke, wie die sogenannten "Wall-Armbrüste", die vornehmlich bspw. auf einer Mauer-Krone aufgelegt bedient wurden, konnten mit dem sogenannten "Geißfuß" gespannt werden, der das Prinzip der Hebel-Kraft nutzte: Hierzu wurde der vordere Fuß der Geiß entweder schaft-seitig unter die Bogen-Arme geklinkt oder in eine speziell dafür vorgesehene Führung gesteckt; der hintere Fuß fasste die entspannte Sehne. Drückte der Schütze den Hebel des Geißfußes herunter, schob das hintere Ende in der Bewegung die Sehne in die Nut der Nuss.
Die immer weiter gesteigerte Abschuss-Kraft von letztendlich vier- bis acht-hundert Kilogramm (bzw. vier- bis acht-tausend Newton) hatte auch Veränderungen der Geschosse zur Folge: Tatsächlich begannen die anfänglich verwendeten lang-schäftigen und unsteifen Bogen-Pfeile zu schlingern oder zu schwingen bzw. zerbrachen oder zersplitterten infolge des plötzlich ausgeübten Impulses bereits im Moment des Abschusses, was die ausschließliche Verwendung von kurzen, festen Bolzen oder Kugeln erklärte.
Höhepunkt der Entwicklung ist die etwa ab dem 12. Jahrhundert aufkommende Zahnstangen-Winde mit Zahnrad-Kurbel bzw. das Schnecken-Getriebe (beide mit Rücklauf-Sicherung) und der Flaschen- oder Rüster-Zug für schwerere Modelle, der die aufzubringende Zug-Kraft zum Spannen einer Armbrust beinahe halbiert. Beide Mechaniken machten wiederum die Einführung von Stahl-Bögen möglich, die nunmehr Standart-Komponente und Merkmal der im deutschen Sprach-Raum sogenannten
"Arbalesten" (auch Arbalste) wurden, die sich bspw. bei der Belagerung von Konstantinopel im Jahr 1435 (siehe dazu WIKIPEDIA) als effektive
Verteidigungs-Waffen erwiesen. Leichtere Stahl-Bogen-Modelle, die entweder über den Geißfuß oder einen in der Säule fest integrierten Unterarm-Spann-Mechanismus verfügten und hauptsächlich auf den Verschuss von Stein-, Keramik- oder Blei-Kugeln ausgelegt waren, wurden einfach "Balesten" (auch Balläste, Schnäpper oder Schnepper) genannt.
Zu den mechanischen Bau-Teilen einer Armbrust gehören neben dem vorbeschriebenen Bogen-Arten samt der Sehne (aus Hanf oder Seide, bevorzugt Tier-Sehnen, später auch geflochtener Draht) die Säule samt der Führungs-Rille für die Bolzen oder die Kugeln (Geschoss-Lager). Als technische Bauteile gelten die vorbeschriebenen Spann-, sowie die Arretierungs- und Abzugsvorrichtung (auch "Schneller" genannt).
Im militär-technischen Vergleich zwischen Bogen und Armbrust sind folgende Aspekte beachtenswert: War der Bogen als leichte und leicht zu händelnde Waffe mit einer Kadenz von zehn bis zwölf Schuss in der Minute der Armbrust, die nur ein bis zwei Schuss pro Minute verschießen konnte, deutlich überlegen, so erforderte der präzise Umgang mit dem Bogen neben Geschick vor allem ein ausgeprägtes Gefühl für die jeweilige Waffe, das nur in jahre-währender und regelmäßiger Übung entwickelt und gefestigt werden konnte. Dagegen war die Ausbildung eines Armbrust-Schützen relativ kurz, musste der Schütze während seiner Anlern-Zeit lediglich das Zielen begreifen und erlernen, die Waffe während des "Abziehens" ruhig zu halten. Für den Angriff bzw. im offenen Feld war die Armbrust hingegen ungeeignet. Hier kamen nur leichte Modelle zur Verwendung, die in der Regel in der Deckung einer Pavese geladen und aus dieser Deckung abgeschossen wurden (wobei diverse Quellen schildern, dass Armbrust-Schützen im Fall eines direkten
Nah-Kampfes "Mann gegen Mann" ihre Waffe kurzerhand als
Keule verwendeten). Hingegen erwiesen sich Armbrüste für die
Belagerung bzw. die Verteidigung von
Lagern,
Befestigungen oder Städten schon in der Antike als bestens geeignet und wurden entsprechend stationär eingesetzt. Größter Vorteil gegenüber dem Bogen waren jedoch Treff-Sicherheit, Reichweite und Durchschlags-Kraft: Die effektive Reichweite der leistungsstärksten Balesten lag bei etwa zweihundert Metern, die maximale Reichweite bei etwa fünfhundert Metern. Experimente in der
Reenactment- bzw. Living-History-Szene mit detail-getreuen Repliken haben belegt, dass die Bolzen nach dem Abschuss Geschwindigkeiten von weit über zweihundert Stunden-Kilometern erreichten und noch auf eine Distanz von siebzig Metern mühelos das Metall von Harnischen samt dem darunter liegenden Leder durchschlagen konnten und somit einem Körper tiefe Wunden zufügen würden; Arbalesten konnten bis auf zweihundertfünfzig Meter tödlich sein. Besonders talentierte Schützen dürften wohl den Status heutiger
Scharf-Schützen erfahren haben; auch ist belegt, dass zumindest einige Schützen wenigstens einen Knecht an ihrer Seite hatten, der einzig für das Spannen der Waffe zuständig war (was wiederum den Gedanken eröffnet, dass diese Schützen zwei Waffen zur Verfügung hatten).
Militär-historisch blieb die Armbrust bis zum Aufkommen der Arkebuse die bevorzugte
Schuss-Waffe der mittelalterlichen
Infanterie und hielt sich als Turm- oder Mauer-Wehr der städtischen Bürger-Milizen bzw. als
Standart-Bewaffnung der bürgerlichen Schützen-Gilden bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts; in Asien noch bis zur Mitte des 19. Jahrgunderts. Endgültig verdrängt wurde die Armbrust jedoch erst von den Musketen des 17. Jahrhunderts. In dieser Übergangsphase wurde kurz-zeitig die sogenannte "Raketen-Armbrust" populär, die eine Hybrid-Version aus Armbrust und
Reiter-Pistole bzw.
Karabiner darstellt und somit ebenfalls als Vorläufer der Arkebuse gelten kann.
Noch heute ist die Armbrust traditionelle Sport- und Wettkampf-Waffe und kommt in den USA zunehmend auch wieder als (mehr oder weniger illegale)
Jagd- bzw. Wilderer-Waffe in Gebrauch.
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Abmessungen, Angaben und Beschreibungen zu Modellen aus dieser Zeit variieren auf Grund der Vielzahl von Typen in der Art, dass vergleichende Daten hier zu weit führen würden.
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Hersteller-Angaben |
Entwickler: |
Antike, keine Angaben |
Hersteller: |
Europa, Asien, Orient |
Produktionszeit: |
5. Jahrhundert v.u.Z bis heute |
produzierte Stückzahl: |
keine Angaben |
Verbreitung: |
welt-weit
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Kategorisierung (allg.): |
siehe oben
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technische Angaben |
Gesamtlänge: |
zwischen 1.200 und 1.800 mm |
Lauflänge: |
zwischen 500 und 1.200 mm |
Kaliber (Kugeln): |
zwischen 10 und 30 mm |
Gewicht: |
zwischen 4 bis 8 kg |
Schaft: |
i.d.R. Holz, Elfenbein |
Kimme und Korn: |
nicht vorhanden
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Ansichts-Exemplar |
Sammlung: |
Schloss-Museum Grandson, Schweiz
Deutsches Historisches Museum, Berlin
Bayerisches Nationalmuseum, München
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"Zhūgě" (chin. Repetier-Armbrust, 19. Jhd.) für bis zu zehn Bolzen (Quelle: ► Bath Royal Literary & Scientific Institute (BRLSI); Online-Museum und Portal zur Unterstützung und Förderung der Wissenschaft, Literatur und Kunst)
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