Knötels "Uniformenkunde" - militär-geschichtliche Bewertung |
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Prof. Richard Knötel
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Seiten-Navigation Nach unserem Stand der Recherche und Information ist es bislang nicht gelungen, das umfangreiche Gesamt-Werk des äußerst produktiven Historien-, Militär- und Schlachten-Malers Richard Knötel (* 12. Januar 1857 in Glogau; † 26. April 1914 in Berlin) vollständig zu erfassen bzw. auch nur ansatzweise zu dokumentieren. Allein die Menge seiner uniformkundlichen Darstellungen dürfte sich im fünfstelligen Bereich bewegen. Verschiedene Reprints seiner Arbeiten sind jedoch antiquarisch oder im Fachbuch-Handel erhältlich; gut erhaltene Originale werden teuer gehandelt. Richard Knötel war anfänglich als Zeichner und Illustrator für diverse Zeitschriften und Kalender-Blätter tätig. Nach seinem Studium an der Berliner Akademie der bildenden Künste widmete sich nach ab Mitte der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts mehr und mehr und bald ausschließlich der Erforschung und grafisch-malerischen Darstellung europäischer Heere in Vergangenheit und Gegenwart. Die Ergebnisse seiner Studien veröffentlichte er ab 1890 in Form der wöchentlich erscheinenden Serie "Lose Blätter zur Geschichte der Entwicklung der militärischen Tracht", die wir dem interessierten Leser an dieser Stelle und in weiterer Perspektive vollständig präsentieren möchten. "Sammel-Bilder" dieser Art genossen bis in die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts in allen europäischen Ländern höchste Popularität. Die anfänglich in limitierten Auflagen gedruckten, mittels Schablonen überwiegend hand-colorierten Motive (Zinkografien; siehe dazu WIKIPEDIA) wurden im Abonnement frei Haus geliefert, waren im gut sortierten Buch- und Zeitschriften-Handel in Mappen zu ursprünglich zehn bis zwölf verschiedenen Motiven erhältlich und vor- oder nach-bestellbar. Je nach Belieben wurden die Motive thematisch gesammelt – auch getauscht –, ausgewählte Serien wurden gerahmt und zierten dann die Wände herrschaftlicher Salons und bürgerlicher "Guter Stuben" bzw. väterlicher "Herren- oder Rauch-Zimmer"; zeugten somit von der national-patriotischen Gesinnung des Bürgers, der in der Regel "gedient" hatte und in Anbetracht der Werke gerne über eigene Heldentaten schwadronierte. Auch boten Buch-Bindereien den Service, die losen Blätter ganz nach individuellem Wunsch zu heften. Der Erfolg der Serie machte es möglich, die bis 1892 veröffentlichten und ab 1893 erstellten Blätter erstmals in Buch-Form herauszubringen, wobei die ersten beiden Bände jeweils 50 Blätter -, die dann folgenden Bände 60 Blätter umfassten, die darüber hinaus noch durch die "Mitteilungen zur Uniformenkunde" ergänzt wurden. Insgesamt umfasst die "Alte Serie", die bis zum frühen Tod Knötels fertiggestellt worden war, achtzehn Bände mit insgesamt 1.060 Tafeln; alle mit kurzen Texten, die mehrheitlich auf die Geschichte der dargestellten Truppe(n) eingehen, uniformkundliche Besonderheiten beschreiben oder Bezug zum historischen Hintergrund haben. Der Biografie nach verfügte Knötel schon als Kind über ein ungewöhnliches zeichnerisches Talent. Während seiner Schulzeit entwickelte er ein ausgeprägtes Interesse für die Militär-Geschichte, was unter Berücksichtigung der zeitlichen Umstände nicht wundert: Seine Kindheit war geprägt von den Eindrücken der s.g. "Deutschen Einigungskriege" (deutsch-dänischer Krieg im Jahr 1864, preußisch-deutscher Krieg im Jahr 1866 und deutsch-französischer Krieg von 1870), seine Geburtsstadt Glogau war Garnisons- und Festungs-Stadt, und das dortige Arsenal bzw. Zeughaus konnte wohl mit einem umfangreichen Fundus originaler Fahnen, Waffen und Monturen aus den Kriegen um Schlesien und der Zeit der französischen Besatzung aufwarten, was wiederum begründet, dass Knötel sich in seinem wissenschaftlich-künstlerischem Schaffen besonders der Armee Friedrichs des Großen und seiner Gegner sowie den Heeren der Koalitions- und Befreiungs-Kriege gewidmet hat. Gefördert von seinem Vater, einem Gymnasial-Lehrer, wohl recht talentierten Hobby-Maler und Veteran des Artillerie-Depots zu Glogau, beeinflusst von den Werken des schweizerischen Schlachten-Malers August Beck (1823 – 1872) und unterstützt von seinem Zeichenlehrer August Senftleben eröffneten ihn seine intensiven Studien und Forschungen erste Kontakte nach Berlin, wo er im Jahr 1880 - inzwischen bereits als Illustrator u.a. für die Magazine "Illustrierte Zeitung", "Daheim" und "Über Land und Mehr" tätig und zunehmend bekannt - ein Studium der Künste aufnahm. Erste Anerkennung als Uniformkundler fand er für seine faktenreich recherchierten Beiträge und detaillierten Zeichnungen zur Regiments- und Truppen-Geschichte, die u.a. im "Berliner Kalender des Vereins für die Geschichte Berlins" veröffentlicht wurden. Im Jahr 1883 erschien der erste Band seines auf Fortsetzung angelegten Werkes "Die preussische Armee - Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart", von dem jedoch nur der Teil zur Geschichte der Husaren bekannt ist. Knötel hatte parallel zu seinen privat begonnenen Arbeiten den Auftrag angenommen, das vier-bändige Werk von Oberstleutnant a.D. Fedor von Köppen "Die Hohenzollern und das Reich" zu illustrieren, dessen erster Band 1886 erschien. Neben den laufenden Recherchen und Arbeiten am umfangreichen "Hohenzollern"-Werk fertigte Knötel im gleichen Jahr und im Auftrag von Oberstleutnant a. D. Hermann Vogt 36 Farb-Tafeln und 14 Vignetten für das Jugend-Buch "Das Militärbilderbuch – Die Armeen Europas" mit Texten von Julius Lohmeyer, das im Jahr 1887 erschien. Nach Abschluss der Illustrationen für die vier-bändige "Hohenzollern"-Reihe folgte im Jahr 1889 und wieder in Zusammenarbeit mit Fedor von Köppen "Preussens Heer in Bild und Wort - Von der Gründung des Brandenburgischen Heeres bis zum Aufbau der Kriegsmacht des Deutschen Reiches". Im Jahr 1890 dann 12 ganzseitige Farb-Tafeln für das Jugend-Buch "In des Königs Rock", ein Jahr später erschien die "Heerschau über die Kriegsvölker Europas", illustriert mit 118 Abbildungen in feinstem Farbendruck und 48 Illustrationen in Tondruck. Sämtliche vorgenannten Werke, die überwiegend gut honorierte Auftrags-Arbeiten waren und es Knötel möglich machten, einen Atelier-Betrieb aufzubauen, müssen im biografischen Kontext bereits als Vorbereitung für die ab 1890 blatt-weise herausgegebene "Uniformenkunde" gewertet werden: Die intensiven Recherchen und detaillierten Studien, die Knötel diverse staatliche und private Quellen eröffneten, führten im Ergebnis nicht nur zu einem stetig wachsenden Archiv, das darüber hinaus durch private Sammler unterstützt und wiederholt durch umfangreiche Nachlässe bereichert wurde, vielmehr setzte Knötels Engagement grundsätzliche Maßstäbe der bis dahin nicht oder kaum ausgeprägten Wissenschaft der Heereskunde, die heute allgemein als "Militär-Geschichte" bezeichnet wird und eine sehr spezielle Fach-Richtung der Geschichts-Wissenschaft darstellt und in der Bundesrepublik nur von wenigen Instituten vermittelt und von einem überschaubaren Berufs- und vor allem Tätigkeitsfeld gekennzeichnet wird (siehe dazu bspw. Universität Potsdam - Masterstudiengang "Military Studies"). Somit besteht der kultur-geschichtliche bzw. militär-historische Wert von Knötels "Uniformenkunde" sekundär bzw. objektiv in einer anschaulichen und vor allem umfangreichen Kostümkunde zur Entwicklung der militärischen Tracht, primär bzw. aus heutiger Sicht in einem fundierten Quellenwerk, das die nationale bzw. internationale Geschichte der Uniformierung der Armeen dieser Welt insbesondere unter dem Aspekt zeit- oder kriegsbedingter Verluste dokumentiert und überliefert. So erwähnen zahlreiche Abbildungen in den jeweiligen Tafel-Texten die jeweilige Bild-Quelle und/oder vergleichende Abbildungen, nehmen Bezug auf einen zeitgenössischen Träger oder erwähnen explizit die - zum Zeitpunkt der Erstellung - zugängliche oder vorhandene Schaustätte. Und Dank der digitalisierten Vernetzung unserer Zeit lassen sich damals nur national, intern oder privat gegebene Quellen heute abgleichen oder ergänzen, vermeintliche Originale prüfen oder nur im Fragment erhalten gebliebene Uniform-Stücke zu- bzw. einordnen. Darüber hinaus haben Knötels lebendige Zeichnungen zweifellos auch einen künstlerischen Wert, was begründet, dass die Blätter häufig Teil von grafischen Sammlungen sind. Auch zeigen die im Hintergrund dargestellten Szenerien vielfach historische Stadt- und Gebäude-Ansichten, die die Darstellungen auch architektur-stilistisch interessant machen. Für Uniformkundler und Militär-Historiker, Kostümbildner für Theater, Film und Fernsehen, Kuratoren und privaten Sammlern von Militaria ist Knötels "Uniformenkunde" nach wie vor eines der hilfreichsten Quellenwerke, auf das bei der Recherche bzw. der Bestimmung von Monturen aus den letzten fünf Jahrhunderten zurückgegriffen wird. Gut erhaltene Originale sind inzwischen jedoch sehr selten geworden; eine vollständige Sammlung wird für mehrere Tausend €uro gehandelt. Sämtliche heute erhältlichen Blättern sind jedoch mehr oder weniger von der Zeit gezeichnet; häufig vergilbt oder gebräunt, angelaufen oder in der einstmals strahlenden Colorierung verblasst, was die ursprüngliche Qualität und somit den heutigen Eindruck beeinträchtigt. Und die im Handel gebotenen Reprints bzw. digitalisierten Ausgaben geben die Originale aufgrund einer mehr oder weniger "oberflächlichen" Bearbeitung mit gängigen Grafik-Programmen mehrheitlich leider nur verfälscht wieder. Ergänzt wird Knötels "Uniformenkunde" von mehreren Kleinbild-Serien der wohl ab 1891 vom Leipziger Verlag Moritz Ruhl veröffentlichten Leporello-Alben "Die deutsche Armee", für die Knötel ab 1896 tätig wurde, und die "Stollwerck-Sammelbilder"-Alben Nr. 10: "Helden-Album - Helden des Geistes und vom Schwert - Aus allen Zeiten, von allen Völkern - Bilder nach Originalen..." (1909) und 14: "Aus großer Zeit - 1813-1815 - Männer und Taten der Befreiungskriege in 144 Originalbildern" (1913). Im Jahr 1895 und wieder in Zusammenarbeit mit Fedor von Köppen erschien zum Jubiläum der Gründung des Deutschen Kaiserreiches "Vor fünfundzwanzig Jahren - Eine vaterländische Denkschrift"; im folgenden Jahr dann das bald verbreitete und viel zitierte "Handbuch der Uniformenkunde", das in kompensierter Form die uniformgeschichtliche Entwicklung beinahe sämtlicher Armee dieser Welt beschreibt und 1937 von seinem Sohn Herbert Knötel in überarbeiteter, aktualisierter und somit ergänzter und erweiterter Form neu aufgelegt wurde. In Kooperation mit Carl Röchling, Woldemar Friedrich u.a. entstanden darüber hinaus eine ganze Reihe s.g. "Bilderbücher", wie bspw. "Der alte Fritz in fünfzig Bildern" und "Die Königin Luise in fünfzig Bildern" (beide 1897), "Die deutschen Befreiungskriege – 1806 bis 1815" (1901), "Die eiserne Zeit vor hundert Jahren" (1906) oder "Der Totentanz von 1812" (1912). Daneben schuf Knötel eine Vielzahl von großformatigen Auftrags-Gemälden, deren Verbleib infolge der Kriegs-Wirren heute vielfach ungeklärt ist, unserer Zeit jedoch in Form von einigen Buch-Illustrationen erhalten geblieben sind. Knötels Akribie in der militär-geschichtlichen Forschung und sein Engagement für die "Zeitschrift für Heeres- und Uniformkunde" führten am 1. Dezember 1898 schließlich zur Gründung der "Deutschen Gesellschaft für Heereskunde", deren Gründungsmitglied und erster Vorsitzender der inzwischen europaweit anerkannte Uniformenkundler wurde. Das Hauptwerk wurde nach seinem Tod von seinem Sohn Herbert Knötel (1893 - 1963) fortgesetzt, doch konnte der XVIII Band der "Alten Serie" infolge einer schweren Verwundung des "Jüngeren Knötels" gleich zu Beginn des I. Weltkrieges und der kriegsbedingten Einschränkungen erst 1921 veröffentlicht werden. Unter dem Einfluss der nationalen wirtschaftlichen Entwicklung und den damit verbundenen schleppenden Verkaufs-Zahlen, letztendlich unter dem Druck der alsbald weltweit währenden Wirtschaftskrise mussten schließlich sämtliche laufenden Arbeiten eingestellt werden. "Knötel der Jüngere" machte sich jedoch mit diversen Büchern zur Uniformenkunde einen Namen und führte die Forschungen seines Vaters zusammen mit Martin Lezius (1884 - 1941) u.a. mit der sechs-teiligen "Sturm- bzw. Waldorf-Astoria-Zigarettenbilder"-Serie "Deutsche Uniformen" (1932 - 1934) weiter. Zwischen 1936 und 1938 gab dann der Verlag Diepenbroick-Grüter & Schulz die "Neue Folge I" der Uniformenkunde mit 60 Tafeln heraus; 1939 folgte die "Neue Folge II", von der jedoch - wiederum kriegsbedingt - nur 18 Blätter erschienen. Die Tafeln beider Bände erreichten jedoch weder grafisch noch redaktionell die Qualität der "Alten Serie". Seiten-Navigation |
Einband einer Original-Ausgabe von 1893 |