Der im Jahr 1874 im elsässischen Colmar geborene Victor Huen erlebte von Kindheit an die national-politischen Wirrnisse, Probleme und Ressentiments, die aus den wiederholten Wechseln der staatlichen Zugehörigkeit der Grenz-Region resultierten: Bis 1636 als Freie Reichsstadt dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zugehörig, wurde Colmar erstmals 1632 von – protestantisch gesinnten – Franzosen besetzt und 1680 von König Ludwig XIV. annektiert. Durch die Ansiedlung französischer Kolonisten und die Förderung des Katholizismus verschoben sich zwar die konfessionellen Verhältnisse, die alemannisch-romanischen Dialekte und die deutsche Sprache blieben jedoch bis zum Frieden von Lunéville (1801) und der vollständigen Eingliederung der links-rheinischen Gebiete in die Französische Republik mehrheitlich erhalten. Im Jahr 1814 kurzzeitig wieder von deutschen Truppen besetzt, legte der zweite Frieden von Paris im Jahr 1815 die bis heute zwischen Frankreich und Deutschland geltenden Grenzen fest. Im Ergebnis des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 wurde Elsass-Lothringen dann wieder Territorium des neu gegründeten Deutschen Kaiser-Reiches; im Ergebnis des Ersten Welt-Krieges fiel es wieder zurück an Frankreich.
Victor Huen war damit von Geburt an und von der Staats-Zugehörigkeit her Deutscher, von Familie und Herkunft Franzose und damit von Kultur und Tradition ein typischer Elsässer. Und so studierte er an der Pariser und der Münchener Kunst-Akademie und machte zu Beginn seiner künstlerischen Karriere die stetig wechselnden Besatzungs- und Garnisons-Truppen zum Thema seines Schaffens. Seine Fresken zu Ehren Napoleons und die realistischen Gemälde zur Geschichte der napoleonischen Feld-Züge -, insbesondere seine lithografischen Tafeln mit Motiven der französischen Armee, eröffneten dem auch als Illustrator vielbeschäftigten Militär-Maler den Kontakt zu Capitaine Eugène Louis Bucquoy (1879-1958), der sich mit der Erforschung und Darstellung der Uniformierung der Armee des Ersten Kaiser-Reiches als Uniformen-Kundler bereits einen Namen gemacht hatte. Unter seiner Feder-Führung arbeitete Huen ab 1908 dann u.a. zusammen mit Boisselier, Breville und Toussaint an der Postkarten-Reihe »Les Uniformes de Premier Empire«, die mit rund 3.500 farbigen Abbildungen heute nicht nur als eine der umfangreichsten Uniformen-Serien gilt, sondern bzgl. des Erscheinungs-Bildes der Napoleonischen Armee mit zu den detailliertesten Uniformen-Werken gerechnet wird (und zwischen 1977 und 1986 von Jacques Grancher als 10-bändiges Werk neu herausgegeben wurde).
Im Rahmen der Mitarbeit an Bucquoys monumentalen Projekt als auch im Ergebnis der hier unter den militär-geschichtlich bzw. uniform-kundlich interessierten Kollegen gewonnenen Freundschaften entstanden wiederum neue Kooperationen.
Beispielhaft das hier im Folgenden präsentierte Tafel-Werk »NAPOLEON 1er ET SON ETAT MAJOR«, groß-formatige Stein-Drucke von etwa 29 x 42 cm Kanten-Länge, sehr wahrscheinlich mit Schablonen koloriert, erschienen bei "Édité par les Arts-Graphiques-Modernes à Jarville, Nancy et Paris" (Imageries Réunies de Jarville-Nancy); um 1914/15.
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