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feuer Imperialistische Kriege…

 1792-1815... 

… Koalitionskriege

Als Koalitions-Kriege werden die insgesamt sieben militärisch geführten Auseinandersetzungen bezeichnet, die von 1792 bis 1815 zwischen wechselnden europäischen Allianzen (Koalitionen) gegen die Französische Revolution bzw. für die Wiederherstellung der französischen Monarchie und damit gegen die Republik Frankreich -, ab 1804 dann gegen das Kaiser-Reich Frankreich unter Napoleon Bonaparte und die von ihm geschaffenen Vasallen-Staaten geführt wurden. Die Koalitions-Kriege sind damit weitestgehend mit den sog. Napoleonischen Kriegen identisch, die von Kaiser Napoleon I. mit dem Ziel geführt wurden, Frankreich zur imperialen Groß- und europäischen Hegemonial-Macht zu erheben.


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18.05.1804: Napoleon Ier Empereur - Gemälde von François-Pascal Simon, Baron Gérard (1770-1837) im Château de Versailles
"Napoleon Ier Empereur"
Gemälde von S. Baron Gérard im »Musée national du Château de Fontainebleau«.
Künstler-Postkarte A.N.Paris, Nr.526
(Quelle ► eigene Sammlung)






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19.10.1813: Die Siegesbotschaft von Leipzig - Gemälde von Johann Peter Krafft (1780-1856)
19. Oktober 1813: "Siegesmeldung nach der Schlacht bei Leipzig"
Gemälde von Johann Peter Krafft (1780-1856) im »Deutschen Historischen Museum« (Berlin).
Künstler-Postkarte aus der Serie "Das Eiserne Kreuz - Die Zeit der Befreiungskriege"
(Quelle ► eigene Sammlung)


Frankreich vs. Alliierte Die siebente Koalition von 1815 - 100-Tage Herrschaft…



Crofts - "Der Abend von Waterloo"

18. Juni 1815: "Der Abend von Waterloo"

Gemälde von Ernest Crofts im externer Link Auktions-Haus »Bonhams«.





"Cent-Jours"

Napoleons Herrschaft der Hundert Tage




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Simpson - Arthur Wellesley

"Arthur Wellesley, 1st Duke of Wellington"

Gemälde von John Simpson in externer Link »The Royal Hospital«, Chelsea (London)



 ... "Der Adler ist gelandet"



Prozessionen und Gebete, Denunziationen und Stand-Gerichte. Die Ideale von Freiheit und Gleichheit und Brüderlichkeit wurden von den Predigern verdammt, von den zurückgekehrten Emigranten verflucht und von den Royalisten schließlich zum Vorwand eines Kreuz-Zuges gegen das eigene Volk, der für zigtausende bürgerlich-liberal-demokratisch gesinnte Franzosen mit lang-jährigen Kerker- bzw. Galeeren-Strafen endete oder ihnen kurzerhand den Kopf kostete. Die aus der alliierten Gefangenschaft entlassenen Soldaten der Republik wurden verprügelt, den Offizieren des Kaisers riss man Orden und Epauletten herunter und ihre Kommandos wurden an adelige Günstlinge verschachert, die die wieder zu Untertanen erklärten Bürger malträtierten. Wer der Intelligenz oder den Aufklärern zugerechnet wurde und/oder darüber hinaus den Protestanten – schlimmer noch den Atheisten – angehörte, versuchte Frankreich zu verlassen. Tausende wanderten nach Amerika aus. Mit der Rückkehr der königlichen Steuer-Pächter stiegen in den Städten die Gebühren und Zölle; auf dem Land wurden immer höhere Abgaben eingetrieben. Mit aller wiedergewonnener Macht versuchten Adel und Geistlichkeit so schnell wie möglich verlorenen Reichtum und Wohlstand zurückzugewinnen.


Nichts steht zum Besten unter der Herrschaft des feisten Königs Ludwig XVIII. aus dem Haus Bourbon, der sich wegen seiner Fett-Leibigkeit auf einem rollenden Thron im Palast herumschieben lässt.


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Prolog


Die Schilderungen von der zunehmenden Unzufriedenheit des französischen Volkes mit der restituierten Monarchie und die Hoffnungen der alten Soldaten auf die Rückkehr des Kaisers erreichen auch die kleine Mittelmeer-Insel Elba, die seit dem 12. April 1814 den Status eines Fürstentums hat und ab dem 4. Mai 1814 den überschaubaren Herrschafts-Bereich Napoleons bildet. Auch die wachsenden Spannungen unter den alliierten Gesandten auf dem Wiener Kongress im Streit um neue Grenzen im Rahmen der Verhandlungen um die Aufteilung Europas stärken in Napoleon die Überzeugung, dass es zwischen einzelnen Parteien bald zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen wird. Auch gibt es keinen europäischen Staat, der nicht von revolutionären Bewegungen erschüttert wird.


Für Napoleon allem Anschein nach beste Bedingungen, wieder nach Frankreich zurückzukehren, eine neue Republik auszurufen und erneut die Macht zu übernehmen…


"La Garde en mer - Napoléon sur l'île d'Elbe"

Colorierte Lithografie nach dem Gemälde von Horace Vernet in externer Link »The Wallace Collection« (London, UK).

Vernet - Elba
 

"Napoleon am Abend des 25. Februar 1815"


" …mir geht es so gut auf Elba - für kein Geld der Welt würde ich die Insel verlassen!"

Mit diesen Worten hat Napoleon noch Mitte Februar 1815 Colonel Neil Campbell, den mit der Be- und vor allem Überwachung des verbannten Kaisers abkommandierten britischen Offizier, zu beruhigen gewusst, obwohl seine Soldaten seit Tagen und für jeden offensichtlich Verpflegung, Waffen und Munition in den kleinen Lager-Häusern im Hafen von Portoferraio zusammentrugen.

Am Abend des 25. Februar 1815 steht Napoleon an der Nord-Küste von Elba nahe seiner Residenz "Villa dei Mulini" und beobachtet die Brigg "L´Inconstant", die sich mit Kurs auf den Hafen nähert. Die "L´Inconstant" ist das Flagg-Schiff einer ganzen Flotte kleiner, schneller Schiffe, mit deren Hilfe am kommenden Tag die Flucht des Kaisers, der ihm zugestandenen Ehren-Garde von rund 1.100 Grenadieren der Alten Garde und der etwa einhundert treu ergebenen polnischen Lanciers samt einigen wenigen Pferden erfolgen soll.


Illustration von Horace Vernet in »Histoire de l'empereur Napoléon« von Paul-Mathieu Laurent; Paris, 1840 (siehe dazu ► »books.google«).

Bildquelle: ► »wikimedia«.

Vernet - Am Abend des 25. Februar 1815
 

26. Februar 1815: "Napoleon verlässt die Insel Elba"


Wieder einmal hat Colonel Campbell Elba verlassen und ist zu einem Kurz-Urlaub zu seiner Geliebten in der Toskana aufgebrochen. Napoleon nutzt die Abwesenheit des für seine Bewachung zuständigen Offiziers zur Umsetzung eines seit Wochen vorbereiteten Planes: Zur Überraschung der britischen Garnison marschieren am frühen Morgen des 26. Februar 1815 die rund 1.100 hand-verlesenen Grenadiere der Leib-Garde des Kaisers auf. Und während ein Teil der Grenadiere die britischen Wach-Soldaten unter Kontrolle bringt, beginnen die anderen mit dem Verladen des Proviants und einiger Geschütze. Am Abend gehen die Franzosen an Bord. Und im Schutz der Nacht vom 26. auf den 27. Februar 1815 segelt die kleine Flottille in Richtung französische Küste davon.

Unter ihnen Napoleon. "Le Vol d’Aigle" (der Flug des Adlers) – wie die schon damals aktive Journaille in Bezug auf auf Napoleons Ausspruch "Der National-Adler wird von Kirch-Turm zu Kirch-Turm fliegen bis zu den Türmen von Notre-Dame" bald titeln wird – hat begonnen.


Gemälde von Joseph Beaume im externer Link »Château de Versailles« (Paris).


"Napoleone in partenza dall'isola d'Elba" - Napoleon verlässt die Insel Elba.

Gemälde von Giovanni Servi im »Museo Nazionale del Risorgimento« (Palazzo Moriggia, Milano, IT).

Bildquelle: Kultur-Portal ► »LombardiaBeniCulturali« (Lombardia, IT).

Beaume - Rückkehr nach Fontainebleau

Servi - partenza dall'isola d'Elba
 

1. März 1815: "Napoleons Landung in der Reede von Saint Juan bey Antibes" - Débarquement de Napoléon à la Baye de Juan près d'Antibes

Colorierter Stich von Reinhold; Verlag »Wien bey Artaria u. Comp«

Bildquelle: ► »Gallica - Bibliothèque nationale de France« (BnF, Paris, FR).


Die rund 300 Kilometer zwischen der Insel Elba und der süd-französischen Küste legt Napoleons Flotille binnen einer knapp drei-tägigen Überfahrt zurück. Am Nachmittag des 1. März landet der ehemalige Kaiser zwischen Cannes und Nizza an der französischen Mittelmeer-Küste.

Direkt nach der Landung entsendet Napoleon ein Kommando von einem Offizier und 20 Grenadieren zur kleinen Hafen-Festung, deren Kommandant sich jedoch weigert, sich dem Kaiser anzuschließen, die kaiserlichen Soldaten arretieren und sein Küsten-Geschütz feuer-bereit machen lässt. Und da Napoleon davon ausgehen muss, dass seine Ankunft bereits an den Gouverneur des VIII. Militär-Distrikts in Marseille – seinem ehemaligen Marschall André Masséna – gemeldet wurde, befiehlt Napoleon den sofortigen Abmarsch. Um Begegnungen mit den royalistisch gesinnten Einwohnern des Rhone-Tales zu vermeiden, wählt der Kaiser für den Marsch zur Etappe Lyon den beschwerlichen Weg über die Alpen.

Am Morgen des 2. März beginnt von Cannes aus der Aufstieg ins Gebirge; nach einem Marsch von über 60 Kilometern erreicht die Truppe in der Nacht Seranon, marschiert am 3. über Castellane nach Barrême, am 4. über Digne bis Malijai und steht am 5. März vor Sisteron, der ersten größeren royalistisch geprägten Stadt, deren Kommandantur sich jedoch zum Kaiser bekennt. Am 6. März geht der Marsch weiter über Gap bis Corps; am 7. nähert sich die Kolonne dem Dorf Laffrey vor Grenoble.

Reinhold - Landung bey Antibes
 

6. März 1815: "Vive L'Empereur!"


Diese legendäre Szene hat sich nahe Laffrey, etwa 20 Kilometer südlich von Grenoble, zugetragen: General Jean Gabriel Marchand, Militär-Kommandant von Grenoble und entschlossen, Napoleons Marsch auf Paris ein Ende zu machen, erteilt Colonel Delessart den Befehl, mit einem Bataillon des 5ten Regiments und einem Mineur-Kommando die Brücke von Ponthaut zu sprengen. Doch Napoleon hat die Brücke bereits überschritten, und Delessart bleibt nur die Option, sich dem Kaiser und den legendären Grenadieren der Alten Garde mit seinen Füsilieren – einer Quelle nach mehrheitlich Rekruten – in einem Eng-Pass vor Laffrey entgegenzustellen.

Auf der "Prairie de la Rencontre", dem Feld der Begegnung, treffen die Einheiten aufeinander.

Zwar legen die meisten Soldaten auf Befehl Delessarts ihre Gewehre noch an, doch bevor dieser das Kommando zum Feuern erteilen kann, hebt Napoleon seine Hand, tritt vor die Linie und ruft: "Soldats du 5e, je suis votre empereur. Reconnaissez-moi. S’il est parmi vous un soldat qui veuille tuer son empereur, me voilà!" (Soldaten der 5ten, ich bin euer Kaiser. Erkennt mich. Wenn es unter euch einen Soldaten gibt, der seinen Kaiser töten will, dann bin ich hier).

Entgegen des immer energischer vorgetragenen Feuer-Befehls ihres Kommandeurs senken die ersten Füsiliere ihre Gewehre. Kurz darauf schallt ein laut vernehmbares Vivat aus den Reihen der Soldaten. Im nächsten Moment erfüllen der alten Schlacht-Rufe "Es lebe der Kaiser!" - "Es lebe die Republik!" - "Es lebe Frankreich!" die Straße und hunderte Soldaten umjubeln ihren Kaiser, reißen die weißen Kokarden des Königs von ihren Tschakos, die im nächsten Moment in den Straßen-Staub getreten und durch die dreifarbigen Stücke aus den Tagen der Revolution, den glorreichen Zeiten der Republik und den Jahren triumphaler Siege auf den Schlacht-Feldern Europas ersetzt sind.

Einige Stunden später später trifft Napoleon bei Vizille auf das 7te Infanterie-Regiment, das von Colonel Charles Angélique François Huchet de La Bédoyère direkt aus Grenoble zur Unterstützung des Kaisers herangeführt wurde und bereits den geretteten Adler samt Trikolore schwenkt.


In den größeren Städten entlang der direkten Route nach Paris waren die Rathäuser bereits kurz nach der Rückkehr des Königs mit royalistisch gesinnten Beamten besetzt worden. Auch die dort garnisonierten Einheiten hatten umgehend königstreue Kommandeure und viele neue junge Offiziere bekommen, die - außer dass sie dem zurückgekehrten Adel angehörten - zwar sämtlich über nur geringe oder keinerlei militärische Qualifikationen -, mit ihrem Kommando jedoch über die Gewalt verfügten, nicht nur die ihnen unterstehenden Soldaten ins Verderben zu schicken, sondern auch die Bevölkerung der Stadt und den umliegenden Gemeinden ins Unglück zu stürzen. Und im Streben um die Gunst des Königs waren viele bereit, über Leichen zu gehen. Dass ihre Soldaten und Unteroffiziere erst zu Dutzenden und bald in ganzen Kompanien desertieren, können sie jedoch nicht verhindern.


Napoleon ist bestrebt, Auseinandersetzungen, die Zeit und Opfer und Prestige kosten würden, zu meiden. Aus diesem Grund wählt er auch den beschwerlichen Weg über die dünner besiedelten Ausläufer der West-Alpen. In sechs Tagen legen er und die stetig wachsende Zahl seiner Anhänger 324 Kilometer zurück; trotz Schnee und Kälte und Nacht-Lager unter freiem Himmel. Am 10. März will er in Lyon einziehen, am 20. in Paris sein. Geschwindigkeit ist oberste Direktive und größter Vorteil...

Im festen Vertrauen auf seine königliche Abstammung und in vollkommener Fehleinschätzung der Stimmung im Land verlässt der Comte d’Artois am 6. März Paris und zieht aus, den Usurpator vor Lyon ergreifen. Doch die Soldaten der Garnison verweigern ihm den Gehorsam; einige wollen ihn ergreifen und an Napoleon ausliefern, andere rufen nach der Guillotine. Nur durch das entschlossenen Eingreifen einiger Offiziere kann der jüngere Bruder des Königs vor dem drohenden Stand-Gericht fliehen.


"Napoléon autour de la route des alpes"

Die Ankunft des Kaisers vor dem Kloster Sainte-Cécile nahe Grenoble.

Gemälde von Joseph Louis Hippolyte Bellangé im externer Link »Musée de la Révolution Francaise« (Château de Vizille, Domaine de Vizille, FR).


"S'il est parmi vous un soldat qui veuille tuer son empereur, me voilà!" - "Wenn es unter euch einen Soldaten gibt, der seinen Kaiser töten will, dann bin ich hier!" (Begegnung bei Laffrey - Der Übergang des 5ten Regiments vor Grenoble)

Colorierter Stich nach einer Vorlage Joseph Louis Hippolyte Bellangé, lt. externer Link Auktions-Haus »Osenat« im Privat-Besitz.


"Return from Exile in Elba"

Gemälde von Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link Auktions-Haus »Benton Fine Art« im Privat-Besitz.


"Retour de l'île d'Elbe - Journée du 6 Mars 1815."

Anonym; unbekannter Künstler. Colorierte Lithografie in den externer Link Grafischen Sammlungen des »Musée Carnavalet« (Paris, FR).


7. März 1815: "Napoleon vor Grenoble"

Napoleon wird vor Grenoble vom 7. Regiment unter Führung von Oberst Charles de la Bédoyère begrüßt.

Gemälde von Charles de Steuben, lt. externer Link »wikimedia« in privater Sammlung.

Bellangé - L'Empereur

Bellangé - L'Empereur

Hillingford - Return

Anonym - L'Retour

Steuben - Napoleon vor Grenoble
 

7. März 1815 - Abend: "Napoléon à Grenoble"

Napoleons Einzug durch das "Porte de Bonne" von Grenoble.


Gemälde von Alexandre Debelle in der Ausstellung externer Link »Artistes au XIXe Siècle«, Musée de Grenoble (Grenoble, FR).


Umjubelt von den Bürgern von Faubourg Saint-Jacques, einem Vor-Ort von Grenoble, trifft Napoleon mit seiner inzwischen rund 4.000 Mann starken Streit-Macht vor der Haupt-Stadt des französischen Départements Isère und der Dauphiné ein. Schmiede und Stellmacher haben bereits die Stadttore eingeschlagen und die Posten entwaffnet; unter Vivat- und Triumph-Rufen des Volkes übernimmt Napoleon nach einem Gewalt-Marsch von 335 Kilometern die Stadt.

Steuben - Debelle vor Grenoble
 

7. März 1815 - Abend: "Acclamation Du Peuple De Grenoble Au Retour De Napoléon le 7 mars 1815." (Akklamation des Volkes von Grenoble zur Rückkehr Napoleons am 7. März 1815)

Bildquelle: ► »Gallica - Bibliothèque nationale de France« (BnF, Paris, FR).

Retour De Napoléon
 

18. März 1815: "Les Adieux de Louis XVIII."


Napoleons Einmarsch in die zweitgrößte Stadt Frankreichs gleicht einem Triumph-Zug. Mit dem Übertritt der Lyoner Garnison zählt seine Streit-Macht 14.000 Mann aller Waffen-Gattungen. Und es werden täglich mehr.

In panischer Furcht vor der Rache der geächteten Anhänger des Kaisers und der zu Tausenden arretierten Verteidiger der Revolution fliehen König Louis XVIII., die königliche Familie und der Hof-Staat in der Nacht vom 18. auf den 19. März aus den Tuilerien.


Gemälde von Antoine-Jean Gros im externer Link »Château de Versailles« (Paris).

Gros - Les Adieux de Louis XVIII.
 

20. März 1815 - ca. 21:00 Uhr: "Die Rückkehr Napoleons I. in die Tuilerien" (Beginn der 100-Tage Herrschaft)


Illustration von Felicien Baron von Myrbach-Rheinfeld für das "Napoleon-Album" von Ernő Salgó; Budapest, 1908

Myrbach - Napoleons Rückkehr
 

Ohne Datum. "Napoléon et les bibliothèques" - Napoleon in seinem Arbeits-Zimmer in den Tuillerien.


Zwar hat Napoleon sofort nach seiner Landung eine Reihe von Depeschen an die europäischen Höfe gesandt, in denen er sein Handeln erklärt und seine ausschließlich friedlichen Absichten versichert, doch im Wissen, dass der Wiener Kongress ihn einhellig zum "Störer des Welt-Friedens" erklärt hat und die von den Briten geführte Allianz ihre Armeen bereits mobilisiert, beginnt Napoleon unmittelbar nach seiner Ankunft in den Tuilerien mit der Reorganisation der Armee; der Reaktivierung ihm ergebener Offiziere und der Entwicklung einer Reihe von Plänen zur Verteidigung der Republik (bzw. seines Kaiser-Reiches und seiner damit verbundenen Herrschaft): In Paris werden 5.000 Arbeiter zusammengezogen, um die Stadt-Befestigungen auszubauen; 4.000 werden in Lyon zwangsverpflichtet. Die National-Garde, die Bürger-Wehr der Reservisten im Alter von 45 bis 60 Jahren aus den Zeiten der Revolution, wird einberufen; landesweit werden mehr als zwei Millionen Männer erfasst und teilweise kaserniert, können jedoch nur provisorisch bewaffnet werden. Für die Feld-Armee müssen innerhalb weniger Tage 250.000 Musketen hergestellt werden. Uhrmacher, Schlosser und Gold-Schmiede werden in die staatlichen Manufakturen und Arsenale einberufen und mit der Herstellung und Instand-Setzung von Musketen-Schlössern im Akkord beauftragt. Sämtliche Schneider, Gürtler, Hut- und Schuh-Macher in Paris und Umgebung sind mit der Fertigung von Uniform-Teilen beschäftigt; pro Tag müssen 1.250 komplette Monturen geliefert werden; erhebliche Qualitäts-Mängel lassen sich unter diesem Zeit-Druck nicht vermeiden. Gerb-Leder, Wachs-Tuch und Woll-Stoffe werden knapp; für die Schwarzpulver-Herstellung durchstreifen die allerorts verhassten Salpeter-Sieder private Keller-Räume und Stall-Gebäude, selbst Friedhofs-Grüfte werden zur Anlage von Salpeter-Gärten entweiht. Stellmacher und Wagner aber auch Tischler und Zimmerer sind mit der Herstellung tausender Fuhr-Werke und Karren und Protzen und Lafetten beschäftigt; auch das Holz wird bald knapp. Die für die Artillerie nötigen Geschütze kommen von der Kriegs-Marine; die wenigen in den Häfen ankernden jedoch weitestgehend stillgelegten Kriegs-Schiffe werden von der britischen Flotte kontrolliert.


Illustration von Jacques Marie Gaston Onfray De Breville im Kinder-Buch »BONAPARTE« von Georges Montorgueil; Verlag Boivin & Cie, Paris, 1910.

Breville - Napoleon in seinem Arbeits-Zimmer
 

Ende Mai 1815: Bis auf die Preussen, die die Frankreich im Juli 1814 auferlegten Kontributionen in den von der preussischen Armee überwachten und verwalteten Gebieten mit rücksichtsloser Härte eintrieben, hatten die anderen großen alliierten Besatzungs-Mächte – Britannien, Russland und Österreich – im Frühjahr 1815 bereits erhebliche Teile ihrer Armeen abgezogen und teilweise aufgelöst. Und obwohl die Gesandten auf dem Wiener Kongress relativ schnell zur Einigung gekommen waren, gegen den von allen europäischen Höfen gefürchteten Usurpator unverzüglich eine neue Interventions-Armee von je 150.000 Mann pro Partei auf- und zusammenzustellen, deren Verbände zum 1. Juli in Frankreich einrücken sollten, würden die Kontingente Österreichs und Russlands aufgrund der zurückzulegenden Entfernungen frühestens im Spät-Sommer oder gar erst im Herbst eintreffen. Somit standen Britannien und Preussen samt ihren jeweiligen Verbündeten weitestgehend allein vor der Aufgabe, den zu erwartenden Präventiv-Schlag Napoleons abfangen zu müssen.

Napoleon hatte nach seiner Rückkehr lediglich eine Streit-Macht von 56.000 Soldaten vorgefunden, die jedoch dem wiedereingesetzten König Ludwig XVIII. die Treue geschworen hatten. Zwar gab es Tausende Freiwillige, die bereit waren, für die Republik -, für freie Wahlen -, für Meinungs-, Rede- und Presse-Freiheit zu kämpfen, doch die Hoffnungen einzelner, die verlorenen Eroberungen zurückgewinnen zu können, fanden in der breiten Masse des Volkes keine Unterstützung; hier genügte man sich mit der Vertreibung des Königs. Ende Mai – und damit nur drei Monate später – hatte Napoleon in erstaunlicher Geschwindigkeit eine neue Armee von rund 500.00 Mann errichtet; gut die Hälfte davon Feld-Truppen, davon wiederum rund 132.000 Mann in der von ihm geführten "Armée du Nord". Dazu eine Reserve von 66.000 neuen Rekruten, die in den dreiundzwanzig Militär-Bezirken Frankreichs ausgelost worden waren (siehe dazu ausführlich externer Link WIKIPEDIA).

Gemäß den Verhandlungen des Wiener Kongresses hatte Preussen inzwischen die Hoheit über viele der vormaligen Rheinbund-Staaten übernommen. Damit waren zwar auch die jeweiligen Landes-Heere in der preussischen Armee aufgegangen, doch empfanden die meisten Rhein-Länder die neue Landes-Hoheit als neue Besatzungs-Macht und galten dementsprechend als unzuverlässig. Blücher setzte die rheinländischen Truppen bevorzugt als Besatzungen der französischen Festungen ein. Seine rund 155.000 Mann starke Armee unterteilte sich in etwa 35.000 Mann Garnisons-Truppen und vier Korps Feld-Truppen zu jeweils rund 30.000 Mann.

Auch das britische Empire hatte mit der Nachricht von Napoleons Rückkehr unverzüglich begonnen, sämtliche noch gegebenen Einheiten wieder auf Soll-Stärke zu bringen, neue zu errichten und zu mobilisieren. Neben den Braunschweigern des Schwarzen Herzogs und den Hannoveranern der noch bestehenden "Kings German Legion" gehörten nun auch die vormals mit Frankreich verbündeten und mit gehörigem Misstrauen bedachten Nassauer, Niederländer und Belgier zu den britischen Alliierten. Ende Mai verfügt Wellington über eine Streit-Macht von insgesamt etwa 115.000 Mann, davon rund 100.000 Mann Feld-Truppen, die von 35.000 Briten, 41.000 Deutschen (Hannoveranern, Braunschweigern und Nassauern) sowie über 24.000 Niederländern und Belgiern gestellt -, in ihrem Kampf-Wert jedoch als mehr oder weniger zweit-klassig eingestuft werden. Viele der kampf-erfahrenen Veteranen, die Wellingtons Halbinsel-Feldzug begleitet hatten, waren inzwischen nach Übersee verschifft worden und kämpften in den währenden britisch-amerikanischen Auseinandersetzungen oder gegen Aufständische in Indien. Die nahe der französischen Grenze in Belgien stehenden Überwachungs-Truppen werden überwiegend von Reservisten und Rekruten gestellt. Trotzdem äußert sich Wellington im Ergebnis einer großen Parade samt anschließender Inspektion – abgehalten am 29. Mai 1815 in Grammont nahe Brüssel – in der Art zufrieden über die Qualität seiner Soldaten, dass er seiner Armee zwei Wochen der Ruhe und Erholung genehmigt.


Mit dem Ziel Beaumont-Maubeuge an der französisch-belgischen Grenze verlässt Napoleon am 12. Juni Paris. Seine "Armée du Nord", in den vergangenen Tagen entlang der Linie Lille-Rocroi-Metz aufmarschiert, hatte sich am 13. Juni bei Avesnes gesammelt und war bereit für den Angriff.


... siehe dazu ausführlich externer Link WIKIPEDIA


"The Girl I Left behind Me"

Gemälde von Charles Green im externer Link »New Walk Museum & Art Gallery« (Leicester, UK).


"Military Parade"

Gemälde von Robert Alexander Hillingford in externer Link »The Knohl Collection - Fox Pointe Manor« (Anaheim Hills, Los Angeles, CA, USA).


"British Infantry on the March"

Photo-Montage/ -Collage für »Strelets«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► »Strelets« (UKR).


"Highlanders on the March"

Photo-Montage/ -Collage für »Strelets«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► »Strelets« (UKR).


"Hanoverian Line Infantry"

Illustration von Peter Dennis für »Warlord Games - Black Powder«-Modell-Figuren.

Green - The Girl

Hillingford - The Parade

Strelets - British Infantry

Strelets - Highlanders

Dennis - Hanoverian
 

15. Juni 1815 - Brüssel: "Der Ball der Herzogin von Richmond" - Der Ruf nach Waterloo.


Charlotte, Herzogin von Richmond, Gemahlin von Charles Lennox, dem vierten Herzog von Richmond, langweilt sich. Ihr Gemahl ist mit der Verteidigung von Brüssel beauftragt, doch seit dem Sommer 1814 war nur wenig Spannendes oder Skandalöses passiert, und so wetteifern die Frauen im Brüsseler Haupt-Quartier der alliierten Besatzungs-Truppen mit der Organisation und Veranstaltung von Bällen und Empfängen.

Am Abend des 15. Juni feiert man den Sieg des Herzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach, der am Vormittag die wichtige Weg-Kreuzung von Quatre-Bras - rund 30 Kilometer von Brüssel entfernt - besetzt und erfolgreich gegen die Lanciers Marschall Neys verteidigt hatte. Während des Balles wird Wellington vom Aufeinandertreffen der Preussen unter Marschall Blücher mit der vom Kaiser geführten Haupt-Armee bei Fleurus informiert. Napoleon hat den Feldzug begonnen, und umgehend gibt Wellington den Marsch-Befehl auf Quatre-Bras, wo jetzt schnellstmöglich die Vereinigung mit den Preussen gelingen muss.


Gemälde von Robert Alexander Hillingford im externer Link »Goodwood House« (West Sussex).


Chromolithographie nach Robert Alexander Hillingford im externer Link »National Army Museum« (London).

Hillingford - Der Ball der Lady Richmond

Hillingford - Ruf nach Waterloo
 

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 ... 16. Juni 1815: Schlacht bei Ligny.



16. Juni – Vormittag


In der Nacht vom 14. zum 15. Juni 1815 hatte Napoleon mit den insgesamt rund 128.000 Mann seiner "Armée du Nord" die französische Grenze nach Norden zum Königreich der Vereinigten Niederlande überschritten. Mit diesem überraschenden Schach-Zug war der umtriebige Kaiser den Auf- und Einmarsch-Plänen der Alliierten zuvorgekommen, deren - teilweise bereits demobilisierten - Einheiten und Verbände nur sehr schwerfällig zusammengezogen werden konnten.

Napoleon sah in der insgesamt rund 120.000 Mann starken preussischen Armee unter Feld-Marschall Blücher den schlag-kräftigsten und damit gefährlichsten Gegner: Von Namur aus hatten die Preussen am 14. Juni in drei Kolonnen die Maas überschritten und rückten im Eil-Marsch in Richtung Brüssel vor, wo die Vereinigung mit dem etwa 100.000 Mann starken Heer der britisch-deutsch-niederländischen Allianz unter Feld-Marschall Wellington geplant war. Napoleon blieb somit nur die Option, die Alliierten schnell und nacheinander zu schlagen. Erstes Ziel waren somit die drei Korps unter den Generalen Zieten, Pirch und Thielemann mit rund 83.000 Mann, die die preussische Haupt-Armee unter Blücher bildeten, und die etwa 37.000 Mann des IV. preussischen Korps unter General Bülow, das als Reserve nördlich der Haupt-Armee in Richtung Wavre vorrückte.

Napoleons Armee marschierte in vier flexibel formierten Kolonnen auf Charleroi. Hier waren die französischen Avant-Garden bereits am 15. Juni auf Vorposten des vorgeschobenen I. preussischen Korps unter General von Zieten getroffen, das sich nach kurzem Gefecht in Richtung Fleurus-Ligny zurückzog. Auch zwischen Gilly und Gosselies kam zu ersten Scharmützeln. Die Nachricht, dass sich auch Wellington in Marsch gesetzt hatte, zwang Napoleon dazu, rund 45.000 Mann seines Heeres abzutrennen, die er dem Kommando des Marschalls Ney unterstellte. Der Marschall erhielt den Befehl, mit dieser Streit-Macht das Heer der anglo-niederländisch-deutschen Allianz aufzuhalten und die strategisch wichtige Straßen-Kreuzung von Quatre-Bras zu besetzen. Hier kreuzten sich die Marsch-Routen der aus Norden anrückenden Alliierten mit den aus Osten kommenden Preussen.


Feld-Marschall Gebhard Leberecht von Blücher (1742-1819).

Gemälde von Thomas Lawrence in der externer Link »Royal Collection« (Windsor Castle, UK).


"Nächtlicher Alarm"

Post-Karte nach einem Motiv von Richard Knötel für »Tuck´s Post Card«.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

Lawrence - Blücher

Knoetel - Alarm
 

16. Juni – ca. 9:00 Uhr


Am frühen Vormittag beobachten preussische Patrouillen größere Truppen-Bewegungen: Aus Süden kommend marschieren mindestens drei französische Armee-Verbände – jeder in der Stärke eines Korps – über Charleroi in Richtung Fleurus heran.

Allein die ausgemachten Massen lassen darauf schließen, dass Napoleon entgegen allen Annahmen nicht direkt auf Brüssel marschiert, sondern zuerst die preussische Haupt-Armee angreifen wird.


Eine Meldung, die im Haupt-Quartier des Feld-Marschalls noch immer angezweifelt wird (bspw. ist General Bülow – Kommandeur des IV. preussischen Armee-Korps – noch zu diesem Zeit-Punkt überzeugt, dass so lange keine Kriegs-Erklärung vorliege, man doch vor Feindseligkeiten sicher sein könne).


Preussische Husaren vor Ligny – Napoleon im Anmarsch!

Illustration von Patrice Courcelle.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Patrice Courcelle auf »facebook«.

Courcelle - Husaren vor Ligny
 
Hillingford - Bussy

"Meeting before the Battle of Waterloo"

Gemälde von Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link »wikimedia« in privater Sammlung.

ca. 11:00 Uhr: An der Windmühle von Bussy nahe Brye.


Von der rund zehn Kilometer entfernt gelegenen Kreuzung Quatre Bras erreicht Wellington am späten Vormittag Blüchers Haupt-Quartier nahe Brye. Die preussische Armee, die von Sombreffe aus in Richtung Westen auf Quatre Bras marschiert, könnte die Kreuzung in zwei bis drei Stunden erreicht -, sich dort mit dem britisch-niederländisch-deutschen Heer vereinigt und zusammen mit diesen Truppen Napoleon noch vor Einbruch der Nacht oder spätestens im Lauf des nächsten Tages geschlagen haben.

Beide Feld-Herren sind sich einig, dass Napoleon auf Brüssel marschiert und dass die beobachteten französischen Truppen lediglich Avant-Garden sind, die die Verbündeten mit Scharmützeln beschäftigen und aufhalten sollen. Keiner von beiden ahnt, dass Napoleon die preussische Armee wahrscheinlich in diesem Moment von der Höhe der Mühle von Naveau in Augenschein nimmt und damit keine fünf Kilometer entfernt ist.

Wellington verabschiedet sich von Blücher und seinem Stab und sichert den preussischen Offizieren für den Fall des Falles seine Unterstützung zu: "Um vier Uhr bin ich hier… ", verkündet er zuversichtlich.

Hillingford - Bussy

"Wellington und Blücher near the Mill of Bussy."

Gemälde von Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link »artnet« in privater Sammlung.

 

Beide Feld-Herren wissen, dass in dem bevorstehenden Feldzug Zeit und Geschwindigkeit Napoleons größte Vorteile sind. Mit seinem überraschenden Einmarsch in Belgien hat Napoleon die Alliierten bereits überrascht; jetzt gilt es, sämtliche Truppen schnellst-möglich zu vereinen und den Fall Brüssels – inzwischen Residenz des neu erhobenen niederländischen Königs – zu verhindern. Fällt Brüssel, zerbricht sehr wahrscheinlich auch das gerade auf dem Wiener Kongress geschaffene Staaten-Konstrukt der Vereinigten Niederlande: Eine neue Brabanter Revolution würde ausbrechen, die (französisch-sprachige) "Région Wallonne" würde sich zur Republik erklären und sich Frankreich anschließen; die (niederländisch-sprachige) flämische Minderheit in Flandern – zwar ebenfalls mehr von republikanischer als von niederländisch-royalistischer Gesinnung getrieben – könnte sich ebenfalls abspalten, dabei jedoch große Teile der Einwohner der (vormals französischen) holländischen Provinzen gegen die – von den Besatzern etablierte – Monarchie aufwiegeln, und das König-Reich der Vereinigten Niederlande war einmal…


"Allied General Staff - Wellington and Blucher"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.


Rava - General Staff

Preussische Landwehr (vor der Mühle von Bussy)


Nach der Stiftungs-Urkunde vom 17. März 1813 errichteten die preussischen Provinzen rund 150 Landwehr-Bataillone, die neben der regulären Linien-Infanterie in die Befreiungs-Kriege von 1813/14 zogen. Schlesien formierte insgesamt 17 Landwehr-Infanterie-Regimenter, die gemäß A.K.O. vom 1. Dezember 1809 zur Neu-Uniformierung gelbe Kragen- und Ärmel-Aufschläge als Provinzial-Farben führten. Entgegen den Regimentern der Linien-Infanterie zeigte die Farbe der Schulter-Klappen bei der Landwehr anfänglich die Bataillons-Zugehörigkeit an: 1tes Bataillon weiß, 2tes rot und 3tes gelb; ein 4tes (Depot-) Bataillon mit blauen Stücken kam selten vor; diese Einheiten wurde in der Regel zur Errichtung eines neuen Regiments herangezogen.


Im Jahr 1815 standen die 1te und 2te sowie die 3te und 4te Schlesische Landwehr in der 15ten bzw. 16ten Infanterie-Brigade des IV. AK unter General Friedrich Wilhelm Freiherr von Bülow.


"Silesian Landwehr"

Illustration von Dmytro Zgonnik.

Bildquelle: ► Blog von Dmytro Zgonnik.

Zgonnik - Landwehr
 

ca. 12:00 Uhr


Napoleon erreicht Fleurus und überblickt von der Höhe der Mühle von Naveau das preussische Heer, das mit dem Zentrum um Ligny entlang der etwa vier Kilometer langen Linie zwischen Brye und Sombreffe aufmarschiert.

Beide Feld-Herren gehen vor Schlacht-Beginn von falschen Annahmen aus: So ist Napoleon der festen Überzeugung, dass Marschall Ney seinen Befehl, die strategisch wichtige Weg-Kreuzung von Quatre-Bras gegen Wellington zu besetzen und zu sichern, inzwischen erfüllt hat und damit auch den Preussen den weiteren Weg nach Brüssel verlegen bzw. seine Haupt-Armee gegen die Preussen unterstützen kann; Blücher wiederum ist sich sicher, dass Napoleon mit der Masse seines Heeres noch bei Charleroi steht und sich ihm lediglich die französische Avant-Garden nähern, denen das I. Korps Zieten am Vortag begegnet war, und – wie von Wellingtons Kurier übermittelt – die Ankunft der britischen Armee am Nachmittag zu erwarten ist.


"Le Moulin Naveau" - Napoleon auf der Höhe der Mühle von Naveau.

Gemälde von Ernest Crofts; lt. externer Link »Christie's« in privater Sammlung.


"Aufmarsch bei Ligny" - Napoleon überblickt das Schlachtfeld von der Mühle nahe Fleurus.

Illustration von Mitchell Nolte.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Mitchell Nolte auf »deviantart«.

Crofts - Mühle von Naveau

Nolte - Ligny expansion
 

ca. 15:00 Uhr: Angriff auf Ligny


Als Naoleon gegen 14:30 Uhr Kanonen-Donner aus Richtung Quatre-Bras hört, geht er davon aus, dass Ney den wichtigen Kreuz-Weg abgeriegelt hat und somit vom linken (westlichen) Flügel keine Gefahr droht. In der Hoffnung, den massiv geführten Gegen-Angriff der Preussen auf das III. Corps unter General Vandamme bei St.-Amand-la-Haye ablenken zu können, befiehlt Napoleon dem IV. französischen Corps unter General Gérard den Angriff auf das von Einheiten des I. preussischen Korps (Zieten) besetzte Dorf Ligny.

Trotz des bald einsetzenden Kartätsch-Feuers der preussischen Artillerie und des gezielten Beschusses durch die preussische Infanterie, die sämtliche Häuser der Ortschaft besetzt hält, gelingt den etwa 4.000 Mann der 12ten französischen Infanterie-Division unter General Pécheux die Erstürmung des Dorfes bis vor den Kirch-Platz. Hier schlägt ihnen das Infanterie-Feuer von allen Seiten entgegen. In kürzester Zeit liegen rund fünfhundert Mann tot oder verwundet vor der Kirche; unter ihnen mehr als zwanzig Offiziere. Da auch der Einbruch in die verbarrikadierten Häuser misslingt, sieht Pécheux keine andere Option, als den Rückzug anzuordnen und die Unterstützung der Artillerie seiner Division anzufordern.

Zusammen mit einer Batterie 12-Pfünder-Geschütze der Garde nimmt die "2e Companie 5e d'Artillerie a Pied" das Dorf unter Beschuss. Kurz darauf verlassen die preussischen Infanteristen die ersten brennenden Gebäude und die Franzosen wagen den zweiten Sturm-Angriff.

Im dann beginnenden Häuser-Kampf, in dessen Verlauf bald das gesamte IV. französische Corps eingebunden ist, gerät die ganze Ortschaft samt dem kleinen Schloss von Ligny in Brand. Doch sämtliche französische Angriffe sind letztendlich vergebens: Am späten Nachmittag erobert die 3te preussische Brigade unter General von Jagow die Ruinen von Ligny zurück.


Gegen 19:45 Uhr verliert Napoleon die Geduld. Die beiden Divisionen der legendären alten Kaiser-Garde – die Grenadiere und Jäger zu Fuß; je vier Regimenter mit durchschnittlich über 1.000 Mann – bekommen den Befehl zum Angriff auf das Zentrum der preussischen Armee… und damit auf das komplett zerstörte Ligny.


"Bataille de Ligny"

Colorierte Lithografie von Théodore Yung in seinem Werk »Album de Vingt Batailles de la Révolution et de l'Empire«.

Bildquelle: ► »SPL-Collection« (London, UK).

Yung - Ligny
 

ca. 20:00 Uhr


Um die unmittelbar drohende Niederlage noch abzuwenden, mobilisiert Blücher die 32 Schwadronen seiner Reserve-Kavallerie unter General-Leutnant von Röder. An der Seite von Oberst-Leutnant von Lützow führt er persönlich die Attacke des 6ten Ulanen-Regiments.

Das 4te Regiment Grenadiere der Alten Garde unter General Baron Louis Harlet, das erst am 19. Mai 1815 aus verdienstvollen Veteranen der vorangegangenen Kriege formiert worden war, erfährt bei Ligny seine Feuer-Taufe und erfüllt Napoleons Erwartungen: Angesichts der "wilden und verwegenen" Attacke des von Oberst-Leutnant Ludwig Adolf Wilhelm Freiherr von Lützow geführten Ulanen-Regiments Nr. 6 bleiben die Grenadiere vollkommen gelassen und feuern erst im letzten Moment und auf kürzeste Distanz eine verheerende Salve, die fast die Hälfte der Ulanen von den Pferden reißt. Unter ihnen auch Lützow, der verwundet in Gefangenschaft gerät. Napoleon begrüßt den ihm kurz darauf vorgeführten legendären Freischärler aus der Zeit der Befreiungs-Kriege mit den Worten: "Ah, der berühmte Brigant!"


"Marschall Vorwärts."

Nach dem Gemälde von Fritz Neuhaus in "Illustrierte Welt - Deutsches Familienbuch" (Heft 25 in Jahrgang 42 von 1894; siehe dazu ► WIKISOURCE).

(Quelle: befreundeter Sammler)


"Delorts Kürassiere vor dem Gegenangriff der preussischen Ulanen."

Illustration von Patrice Courcelle.

Bildquelle: ► Online-Projekt »Chronique culturelle« (facebook).


"Le carré du 4e régiment des grenadiers à pied de la Garde face aux uhlans de von Lutzow" - Angriff der 6ten Ulanen unter Major von Lützow auf das 4te Regiment Grenadiere der Alten Garde unter General Baron Louis Harlet.

Gemälde von Victor Huen, lt. externer Link »Artnet« im Privat-Besitz.


Auch Blüchers Pferd wird von mehreren Kugeln getroffen. Der Schimmel, ein Geschenk des Prinz-Regenten von England, überschlägt sich und verendet mit vollem Gewicht über dem Feld-Marschall. Ebenso ergeht es dem Pferd von Blüchers Adjutanten, dem Grafen August Ludwig von Nostitz. Zwar bleibt Nostitz unverletzt, doch schafft er es nicht, den bewusstlosen Blücher allein unter dem toten Pferd hervorzuziehen und vor den unzähligen Kürassieren des 9. Regiments der schweren Kavallerie-Division General Milhauds in Sicherheit zu bringen, die im nächsten Moment den Schau-Platz füllen.

Erst nach der Schlacht gelingt es Nostitz, einige versprengte preussische Reiter auf sich aufmerksam zu machen und mit deren Hilfe den obersten preussischen Feld-Herren zu bergen.


"Prussian Landwehr Cavalry"

Illustration von Peter Dennis für »Warlord Games - Black Powder«.


Dargestellt ist die 2te Eskadron des Elbe-Landwehr-Kavallerie-Regiments, das 1815 der 3ten Brigade des II. Armee-Korps (Pirch) zugeteilt war. Zusammen mit Nostitz rettete der Kommandeur der Einheit, Major von dem Bussche-Ippenbürg, den Ober-Kommandierenden der preussischen Armee vor Gefangennahme oder Tod.


Neuhaus - Blücher

Courcelle - Delorts Kürassiere

Huen - Le carré du 4e régiment

Dennis - Prussian Landwehr

Cooper - Marshal Bluecher

Vernet - Bluecher bei Ligny

Fikentscher - Blüchers Rettung

Messerschmitt - Blüchers Rettung

"Marshal Blücher at the Battle of Ligny"

Gemälde von Abraham Cooper im »Petworth House« (West Sussex, UK)

Bildquelle: ► »art uk« (public art collection in the UK).

"Feld-Marschall Blücher wird von seinem Adjutanten Graf Nostiz durch dessen Mantel vor den angreifenden Franzosen verborgen."

Gemälde von Carle Vernet, lt. externer Link »artnet« im privaten Besitz.

"Blüchers Rettung durch seinen Adjutanten Nostiz bei Ligny"

Gemälde von Clemens Otto Fikentscher, lt. externer Link »Auktions-Haus Lempertz« im Privat-Besitz.

"Blüchers Rettung bei Ligny"

Post-Karte nach einem Gemälde von P.F. Messerschmitt zur Großen Berliner Kunstausstellung 1897.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

 

ca. 21:00 Uhr


"Gneisenau, ... auf der Höhe von Brye haltend, befiehlt den Rückzug auf Wavre."

Illustration von Prof. Richard Knötel aus der Serie »Unser Vaterland in Waffen«

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

Knoetel - Gneisenau
 

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 ... 16. Juni 1815: Schlacht bei Quatre-Bras (vollständige Beschreibung).



15. Juni – Vormittag


Nachdem Napoleon in der Nacht vom 14./15. Juni mit den rund 128.000 Mann seiner "Armée du Nord" die französische Grenze nach Norden zum Königreich der Vereinigten Niederlande überschritten hat, ernennt er Marschall Ney zum Kommandeur des linken Flügels seiner Armee, unterstellt ihm das I. französische Armee-Corps unter General Jean-Baptiste Drouet d’Erlon mit rund 20.000 Mann, das II. Corps unter General Honoré Charles Reille mit rund 24.000 Mann sowie das mit der leichten Garde-Kavallerie-Division verstärkte III. Kavallerie-Corps unter François-Étienne Kellermann mit fast 4.000 Reitern und erteilt ihm den Befehl, mit diesem Verband auf die Kreuzung von "Quatre-Bras" (Vier Arme) vorzurücken und die strategisch wichtige Straßen-Verbindung zu sichern. Hier kreuzen sich die Wege von Charleroi nach Brüssel, nahe dem britisch-hannoverschen-braunschweigischen Haupt-Quartier, und von Nivelles, wo sich die niederländisch-nassauischen Truppen des Prinzen von Oranien sammeln, nach Sombreffe, wo sich die Preussen konzentrieren. Hier vermutet Napoleon die Vereinigung der britisch-niederländisch-deutschen Armeen unter Feld-Marschall Arthur Wellesley – seit 11. Mai 1814 zum Herzog von Wellington erhoben – mit der preussischen Armee unter Marschall Blücher, was den Alliierten kräfte-mäßig eine deutliche Überlegenheit verschaffen würde.


Michel Ney (1769-1815). Marschall von Frankreich. Herzog von Elchingen, Fürst von der Moskwa.

Gemälde von Charles Meynier im externer Link »Château de Versailles« (Paris).

Meynier - Michel Ney
 

15. Juni - Nachmittag


Auf der Straße von Charleroi nach Brüssel trifft die von Marschall Ney zur Aufklärung ausgesandte "Elba-Eskadron" – 108 Freiwillige des 1814 verabschiedeten "1er Régiment de chevau-légers polonais de la Garde impériale" unter dem Kommando von Major Paweł Jerzmanowski, die Napoleon auf die Insel Elba begleitet hatten und im März in das Regiment "Lanciers Rouges" der Garde eingegliedert worden waren – auf einer Anhöhe südlich von Quatre-Bras etwa auf der Höhe der Rue de la Chapelette auf das II. Bataillon des 2ten nassauischen Infanterie-Regiments unter Major Philipp von Normann, das die etwa 3 Kilometer hinter ihnen liegende, strategisch wichtige Straßen-Kreuzung zusammen mit der niederländischen Batterie reitende Artillerie unter Kapitein Adriaan van Bijleveld bis zum Eintreffen der 2ten niederländisch-nassauischen Infanterie-Division unter Hendrik George de Perponcher-Sedlnitzki zu sichern hat. Die Lanciers werden von den Verbündeten sofort unter Beschuss genommen, verlieren im Kartätsch- und Salven-Feuer einige Männer und verschwinden in den hohen Mais- und Roggen-Feldern neben der Straße. Major von Normann, der eine Umgehung befürchtet, zieht seine Streit-Macht etwa 700 Meter auf die nächste Anhöhe nahe der Zufahrten der Höfe von Gemioncourt und Pierpont zurück, wo er auf die Avant-Garde der von Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar geführten nassauischen Infanterie-Brigade trifft.


"Chevau-Legers Lanciers. Premier Regiment. Garde Imperiale"

Illustration von Hippolyte Bellangé aus dem Portfolio »Die Soldaten der Französischen Republik und des Kaiserreichs«.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

Bellangé - Lanciers Polonais
 

16. Juni - ca. 5:00 Uhr


Zwischen den aus allen nördlichen Richtungen an- und aufmarschierenden niederländisch-deutsch-britischen Alliierten und Neys aus südlicher Richtung heranmarschierenden Corps D’Erlon und Reille sowie dem leichten Garde-Kavallerie- und Kellermanns III. Kavallerie-Corps beginnen etwa 4 Kilometer südlich von Quatre-Bras erste Plänkler-Gefechte. Zwei Infanterie-Kompanien der Nassauer rückten in Richtung Frasnes vor, werden aber von den Franzosen wieder auf die Linie zwischen den Höfen Grand Pierpont und Piraumont – etwa 2.000 Meter vor der Kreuzung – zurückgedrängt, wo die Niederländer ihre erste Verteidigungs-Linie aufbauen.


Herzog Karl Bernhard von Sachsen-Weimar-Eisenach (ca. 1828).

Unbekannter Künstler, Gemälde in der externer Link »Neuen Galerie - Sammlung der Moderne« (Kassel, GER).


Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar mit den Kommandeuren und Adjutanten der leichten Infanterie von Nassau und des Regiments "Oranien-Nassau" Nr. 28.

Illustration von Jan Hoynck van Papendrecht im Uniformen-Werk »Die Uniformen der niederländischen See- und Landstreitkräfte, hier im Land und in den Kolonien«.

Bildquelle: ► »Nationaal Militair Museum« (Soest, NL).

Unbekannt - Herzog Karl Bernhard von Sachsen-Weimar

Papendrecht - Bernhard von Sachsen-Weimar

 

ca. 6:00 Uhr


Die Scharmützel enden. Prinz Wilhelm Friedrich von Oranien-Nassau erreicht die Kreuzung und bringt in Absprache mit den Offizieren seines Stabes die vorhandenen Einheiten der 2ten niederländisch-nassauischen Infanterie-Division in Stellung: Die 2te Brigade mit den fünf von Prinz Bernhard von Sachsen-Weimar geführten nassauischen Infanterie-Bataillonen stellt in Anlehnung an den Wald von Bossu die rechte Flanke (dieser vormals dichte Wald – heute ein Golf-Platz – erhob sich deutlich über das östlich davor gelegene Gelände entlang der Straße von Charleroi über Quatre-Bras nach Brüssel, bot gute Deckung und die Möglichkeit, nicht nur die Straße hinauf nach Quatre-Bras zu kontrollieren sondern auch die Verbindung von Nivelles nach Quatre-Bras zu sichern, über die weitere Kontingente erwartet werden). Die 1te Brigade mit drei Bataillonen der niederländischen National-Miliz unter Willem Frederik van Bylandt verlegt den Weg hin zur Kreuzung von Quatre-Bras und bildet bei Gemioncourt das Zentrum der Aufstellung. Die linke Flanke östlich der Straße wird von den sechs Kompanien des 27ten Jäger-Bataillons gestellt, wobei vier Kompanien auseinandergezogen und leicht zueinander versetzt vorgeschoben positioniert werden. Taktischer Gedanke dieser Aufstellung ist der Plan, die aus südlicher Richtung anrückenden Franzosen durch die beidseits der Straße – gleich den Bastionen einer Festung – aufgestellten Flügel ins Kreuz-Feuer nehmen zu können.


Prinz Wilhelm Friedrich von Oranien-Nassau (1797–1881)

Gemälde von Jan Baptist van der Hulst in den externer Link Königlichen Niederländischen Sammlungen (Paleis Noordeinde, Den Haag, NL).

Hulst - Prinz Wilhelm Friedrich


Der erst 18-jährige Prinz erwartet den Haupt-Angriff der Franzosen auf sein Haupt-Quartier nahe Nivelles. Um die Ost-West-Verbindung nach Nivelles zu sichern, befiehlt er der im Anmarsch befindlichen 3ten niederländischen Infanterie-Division von General David Hendrik Chassé auf den Höhen hinter dem Wald von Bossu eine Sicherungs- und Auffang-Linie zu bilden, die von der ebenfalls erwarteten 3ten britischen Infanterie-Division unter General Alten verstärkt werden soll. Von hier aus sind die Verbände nicht nur in der Lage, die wichtige Straßen-Verbindung für nachkommende Einheiten frei zu halten und Nivelles gegen eine mögliche französische Besetzung zu verteidigen, sondern als operative Reserve auch zu Brenn-Punkten der in Erwartung stehenden Schlacht herangezogen werden zu können. Noch weiter süd-westlich bei Soignies beziehen die zwei Brigaden der niederländischen Kavallerie-Division unter General Collaert eine weitere Sicherungs- und Reserve-Stellung.


"Luitenant-Generaal David Hendrik Baron Chassé."

Gemälde von Jan Willem Pieneman im externer Link »Rijksmuseum« (Amsterdam, NL).


"Le prince d'Orange aux Quatre-Bras"

Gemälde von Mathieu Ignace van Bree im externer Link »Musée royal de l'Armée« (Brüssel, Belgien).


Pieneman - General Chasse

Bree - Prinz Wilhelm Friedrich
 

ca. 10:00 Uhr


Wellington trifft in Quatre-Bras ein, besichtigt die Stellungen und sichert den Niederländern die Unterstützung der britisch-hannoverisch-braunschweigischen Kontingente zu, die bereits in Marsch gesetzt wurden. Er reitet weiter in Richtung Brye-Ligny, um dort mit Blücher Vorkehrungen für eine gegenseitige Unterstützung abzustimmen. Angesichts der ruhigen Straße beginnen die niederländischen Offiziere an Wellingtons Auffassung zu zweifeln, dass hier innerhalb der nächsten Stunden mit einem Angriff der Franzosen zu rechnen ist.


"Der Herzog von Wellington auf dem Weg nach Quatre-Bras"

Gemälde von Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link »Christie's« in privater Sammlung..

Hillingford - Quatre-Bras
 

ca. 12:00 Uhr


Einer Schilderung nach erreicht die Temperatur gegen Mittag die 30-Grad-Marke; die Luft flimmert über den mannshoch gewachsenen Mais-Pflanzen auf den umliegenden Feldern. Ein Hitze-Flimmern in südlicher Richtung erweist sich bei genauerer Betrachtung als Staub-Wolke, die auf Bewegungen größerer Truppen-Verbände schließen lässt.


"Les Quatre Bras, looking towards Waterloo"

Colorierter Druck im »Atlas van Stolk«; Amsterdam um 1816.

Bildquelle: ► »Rijksmuseum« (Amsterdam, NL).

Atlas - Quatre-Bras
 

ca. 14:00 Uhr


Gefolgt von den Bataillonen, Batterien und Eskadronen des II. französischen Corps unter General Honoré Charles Reille trifft Marschall Ney (Gerüchten nach mit schwerem Kopf nach nächtlichem Gelage) am Schau-Platz ein. Nördlich von Frasnes – rund 3 Kilometer vor Quatre-Bras – lässt er die Begleit-Artillerie der 5ten und 9ten Infanterie- sowie der 2ten Kavallerie-Division mit insgesamt 22 Kanonen auffahren, die kurz darauf die Stellung der Verbündeten unter Beschuss nehmen. Unter Bedeckung des Artillerie- und des zunehmenden Plänkler-Feuers der in loser Formation vorrückenden französischen Tirailleure und Voltigeure beginnen die zehn Bataillone der 9ten Infanterie-Division mit rund 5.500 Mann unter General Maximilien Foy westlich der Straße und die elf Bataillone der 5ten Infanterie-Division mit etwa 4.500 Mann unter General Gilbert Bachelu östlich der Hauptstraße den Angriff gegen die in weit auseinander gezogenen Linien aufgestellten 7.700 Mann der 2ten niederländisch-nassauischen Infanterie-Division. Hinter den französischen Bataillons-Kolonnen erscheint die Kavallerie des II. Corps; vier Regimenter der 2ten Kavallerie-Division mit knapp 2.000 Reitern unter Hippolyte Piré; zwei Regimenter Jäger zu Pferd und zwei Regimenter Lanciers, die die Flanken der Divisionen decken. Die leichte Garde-Kavallerie-Division unter Charles Lefebvre-Desnouettes, bestehend aus vier Eskadronen Rote Lanciers und vier Eskadronen Garde-Jäger zu Pferd samt der Mamelucken-Eskadron, die dem III. Kavallerie-Corps unter François Étienne de Kellermann beigegeben wurde und kurz nach Ney hinter Frasnes eintrifft, bildet die Reserve (und soll nach dem Eintreffen der schweren Schlachten-Kavallerie unter François Guiton den linken Flügel verstärken).

Das etwa zu dieser Zeit auf Seiten der Verbündeten aus Richtung Nivelles eintreffende 7te Linien-Infanterie-Bataillon unter Lieutenant-Colonel Frederik Charles van den Sande wird vom Prinzen ebenfalls zur Sicherung der Straßen-Verbindung nach Nivelles und als Reserve hinter der Anhöhe der Kreuzung von Quatre-Bras zurückgehalten. Und obwohl auf der Straße von Charleroi nach Nivelles nach wie vor keine französischen Truppen-Bewegungen beobachtet werden, glaubt der Prinz trotz des Aufmarsches eines kompletten französischen Armee-Corps noch immer an einen Schein-Angriff.


"French Line-Infantry"

Illustration von Christa Hook für »French Napoleonic Infantryman 1803-15« von Terry Crowdy; Osprey Publishing, 2002.


Offizier und Kanonier der niederländischen Artillerie zu Fuss um 1814/15

Colorierter Druck nach einer Vorlage von Johannes Hari in der externer Link »Royal Collection« (Osborne House, Isle of Wight, UK).


"Niederlande - Infanterie 1815"

Tafel 12 aus Band IV. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

Hook - French Infantry

Hari - Artillerie

Knötel - Uniformenkunde
 

ca. 14:15 Uhr


Trotz heftigen Abwehr-Feuers werden die sechs Kompanien des 27ten niederländischen Jäger-Bataillons auf der linken Flanke von der weit überlegenen 5ten Division zurückgedrängt und müssen sich schließlich auf die Höhe von Gemioncourt zurückziehen. Auch die Nassauer werden von der 9ten Division zum Rückzug gezwungen und weichen in den Wald von Bossu. Diese Stellung hat jedoch den Vorteil, dass die Verbündeten nicht nur die Flanke der 9ten Infanterie-Division bedrohen, sondern aus der Deckung der Bäume auch jede Bewegung auf der Straße gezielt unter Feuer nehmen können: Mehrere Attacken, die die beiden berittenen Jäger-Regimenter der 2ten französischen Kavallerie-Division von der Straße aus reiten, werden von den Nassauern erfolgreich abgewehrt; einzelne Reiter-Trupps, die in den Wald eindringen können, werden von Hecken-Schützen aufgerieben. Um die Kreuzung zu gewinnen, muss Ney diese Bedrohung unbedingt ausschalten…


"Chasseurs à Cheval"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.


"Chasseurs à Cheval" (Napoleon's Eyes and Ears)

Illustration von Giuseppe Rava für »Hät«-Modell-Figuren.

Rava - Chasseurs

Rava - Chasseurs
 

ca. 14:30 Uhr


Die Franzosen haben die etwa 2,5 Kilometer lange Linie zwischen Pierpont und Piraumont und damit die Ausgangs-Stellung der 2ten Infanterie-Division weitestgehend genommen und konzentrieren ihre Angriffe auf das Zentrum der Verbündeten und auf den von Mauern umgebenen Hof von Gemioncourt, in dem sich die Milizionäre des 5ten Bataillons eiligst verschanzen. Aus der Deckung des Wald-Randes können die Nassauer zwar noch immer den Weg zur Kreuzung verteidigen und den weiteren Vormarsch der Franzosen behindern, doch wird die Lage durch den Anmarsch der beiden Lancier-Regimenter und den ausschwärmenden Jägern zu Pferd der 2ten Kavallerie-Division -, dem Nachrücken der französischen Artillerie und der schwindenden Munitions-Reserven gefährlich.


"Frankreich - Elite im 6. Chevaulegers-Lanciers-Regiment um 1814."

Tafel 53 aus Band XVII. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

Knötel - Uniformenkunde
 

ca. 14:45 Uhr


Die französischen Kolonnen östlich und westlich der Straße haben den Hof "La Bergerie" – eine lang-gestreckte Stall-Anlage etwa 150 Meter vor der Kreuzung – erreicht und Bylandts Bataillone kurz vor die Kreuzung von Quatre-Bras zurückgedrängt. Einzig die niederländische National-Miliz vom 5ten Bataillon auf dem Hof von Gemioncourt kann sich noch gegen die Übermacht halten. Zwar versuchen die Jäger und Milizionäre auf dem linken Flügel noch einen Gegen-Angriff auf die Flanke der 5ten französischen Infanterie-Division, der jedoch scheitert, als in dem hügeligen Gelände die beiden Lanciers-Regimenter der 2ten Brigade unter General Wathiez auftauchen. Nur mit Mühe gelingt es der Miliz, ein Karree zu formieren; die Jäger des 27ten Bataillons werden in den schwer einsehbaren Feldern vollkommen überrascht, größtenteils zusammen-geritten oder gefangen-genommen. Vor Gemioncourt reiten Jäger des 6ten französischen Regiments zu Pferd auf, die vom Sattel aus versuchen in den Hof zu feuern; aber auch der zweite und dritte Angriff werden von der Miliz abgeschlagen…


"Het 5e battaillon Nationale Militie onder bevel van kolonel J.J. Westenberg verdedigt de Hoeve Germioncourt bij Quatre Bras" - Das 5te Bataillon der National-Miliz unter Befehl von Kolonel J.J. Westenberg verteidigt den Hof von Germioncourt bei Quatre Bras.

Gemälde von Piet de Jong im externer Link »Nationaal Militair Museum« (Soest, NL).


"Prins van Oranje aan het hoofd van de nationale militie"

Der Prinz von Oranien an der Spitze des 5. Bataillons der Nationalen Miliz.

Illustration von Jan Hoynck van Papendrecht im Uniformen-Werk »Die Uniformen der niederländischen See- und Landstreitkräfte, hier im Land und in den Kolonien«.

Bildquelle: ► »Nationaal Militair Museum« (Soest, NL).


"De Prins van Oranje aan het hoofd van het 5e Bataljon Nationale Militie" (2. Version)

Bildquelle: ► »Nationaal Militair Museum« (Soest, NL).

Jong - Quatre Bras

Papendrecht - Prins van Oranje

Papendrecht - Prins van Oranje

 

Bataljon Nationale Militie

Bataljon Nationale Militie

Bataljon Nationale Militie

Bataljon Nationale Militie

Königlich-Niederländische National-Miliz

Kapitein und Luitenant-Kolonel (1813-1815).

Bildquelle: ► »Nationaal Militair Museum« (Soest, NL).

Flankeur und Flankeur-Korporal (1813-1815).

Bildquelle: ► »Nationaal Militair Museum« (Soest, NL).

Grenadier und Grenadier-Korporal (Belgische Land-Miliz, 1815).

Bildquelle: ► »Nationaal Militair Museum« (Soest, NL).

Milizionäre eines Miliz-Bataillons (1815).

Bildquelle: ► »Nationaal Militair Museum« (Soest, NL).

 

ca. 15:00 Uhr


Wellington kehrt von seinem Besuch in Blüchers Haupt-Quartier an der Windmühle von Bussy nahe Brye auf das Schlacht-Feld zurück und übernimmt unter dem Protest des als schnell aufbrausend, rechthaberisch und maßlos überheblich beschriebenen Prinzen von Oranien das Kommando. Aus Richtung Genappe kommend, erreicht mit der 3ten leichten (niederländischen) Kavallerie-Brigade mit über 1.000 Mann unter Baron van Merlen der erste Reiter-Verband der Verbündeten die Weg-Kreuzung; kurz darauf wird auch die Ankunft der 5ten britischen Infanterie-Division unter Thomas Picton mit etwa 5.200 Mann und der 4ten hannoverschen Brigade unter Colonel Charles Best mit rund 3.300 Milizionären gemeldet, beide aus Richtung Brüssel kommend. Entgegen Wellingtons Befehl übernimmt der Prinz von Oranien das Kommando über die niederländische Kavallerie, die er von der Kreuzung aus entlang der Straße in Richtung Ligny-Sombreffe in Schlacht-Formation einschwenken lässt und zur Attacke auf die französischen Jäger zu Pferd und Lanciers führt. Schnellstmöglich bezieht darauf Pictons Division hinter der Straße nach Sombreffe Stellung und bereitet sich darauf vor, die Lanciers im Fall eines Durchbruchs abzufangen: Die 8te britische Brigade unter James Kempt und ein Teil der 9ten Brigade unter Dennis Pack bilden das erste Treffen, Bests hannoversche Milizen stellen die zweite Linie. Dazu die hannoversche Batterie auf der rechten Flanke und die britische auf der linken. Die kurz darauf ebenfalls eintreffende Avant-Garde des Herzogs von Braunschweig unter Major von Rauschenplatt bezieht westlich der Kreuzung bis hin zum Wald von Bossu Stellung; in den Boden-Wellen am Wald-Rand davor geht das braunschweigische Jäger-Bataillon, aufgelöst in Vierer-Gruppen, in Anschlag.


"The Prince of Orange and his General-Staff"

Illustration von Jacques (Jack) Girbal in »Soldats et uniformes du Premier Empire« von François-Guy Hourtoulle; Histoire et Collections.


"Dutch-Belgian Light Dragoons"

Illustration von Giuseppe Rava für »Hät«-Modell-Figuren.

Links: Dragoner vom 4ten leichten ndl. Dragoner-Regiment; mittig: belg. Offiziere vom 5ten Dragoner- und 8ten Husaren-Regiment; rechts: Husar vom 6ten ndl. Husaren-Regiment.


"Aufeinandertreffen der niederländisch-belgischen und französischen leichten Kavallerie"

Illustration von Gerry Embleton für »Waterloo 1815« von John Franklin; Osprey Publishing, 2014.

Girbal - The Prince of Orange

Rava - Light Dragoons

Embleton - leichte Kavallerie
 

ca. 15:15 Uhr


Die niederländische Kavallerie-Brigade wird von den französischen Lanciers zurückgeworfen. Major van Limburgh, Adjutant des Prinzen, wird niedergestochen, der Prinz selbst kann nur dank seines schnellen Pferdes Gefangennahme oder Tod entkommen. Im Rückzug auf die am nächsten gelegenen Linien geraten die Niederländer unter den Beschuss von Pictons Schotten; die Niederländer tragen noch die Monturen, die nach Vorbild der französischen Jäger zu Pferd gefertigt worden waren. Die Lanciers attackieren anschließend Pictons Divisions-Artillerie, die angesichts der niederländischen Kavallerie vor ihren Kanonen nicht feuern kann und erhebliche Verluste erleidet. Von den Nassauern unterstützt, eröffnen Pictons Infanterie-Karrees – darunter auch die legendäre "Black Watch" – schließlich ein Schnell-Feuer, dem sich jetzt auch die Artillerie anschließen kann. Der Kugel-Hagel hält die Lanciers auf Abstand; zwingt sie schließlich zum Rückzug. Ohne weitere Verzögerung nehmen die insgesamt etwa 8.500 Briten und Hannoveraner daraufhin Wellingtons Befehl wieder auf, greifen in Anlehnung an die Straße nach Quatre-Bras in süd-östlicher Richtung direkt in die Kämpfe um die linke Flanke der alliierten Stellung ein, stoppen den französischen Vormarsch und werfen ihn schließlich zurück. Die Reste der niederländischen Kavallerie-Brigade sammeln sich hinter der nördlich gelegenen Anhöhe von Quatre-Bras und formieren sich neu. Immerhin ist den meisten gefangenen niederländischen Jägern im allgemeinen Durcheinander die Flucht gelungen. Mit den Waffen ihrer toten und verwundeten Kameraden schließen sie sich wieder ihrem Bataillon an. Etwa zu diesem Zeit-Punkt stürmen Soldaten der 5ten französischen Infanterie-Division in den Hof von Gemioncourt.


"Charge du 6eme regiment de Lanciers sur une batterie Neerlandaise"

Illustration von Patrice Courcelle.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Patrice Courcelle.


"Das 28te Regiment (North Gloucestershire) im Karree"

Gemälde von Elizabeth Butler in der externer Link »National Gallery of Victoria« (Melbourne, Australia).


"The Black Watch at Quatre Bras"

Gemälde von William Barnes Wollen im externer Link »The Black Watch Castle & Museum« (Perth, Schottland).


"The 79th Highlanders (Cameron Highlanders) at Quatre Bras"

Illustration von Mitchell Nolte.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Mitchell Nolte auf »deviantart«.

Courcelle - 6eme regiment de Lanciers

Butler - Quatre-Bras

Wollen - The Black Watch

Nolte - Cameron Highlanders
 

ca. 15:30 Uhr


Ney erhält den von Napoleon gegen 14:00 Uhr verfassten Befehl, die Alliierten mit allen Kräften anzugreifen und Quatre-Bras einzunehmen. Zur Verstärkung sichert er Ney noch einmal das von Charleroi anrückende I. Corps unter General Drouet d’Erlon zu. Etwa zu dieser Zeit erreichen auf französischer Seite die knapp 8.000 Mann der 6ten Infanterie-Division unter Prinz Jérôme Bonaparte das Schlacht-Feld. Während die 1te Brigade – die Tirailleure und Voltigeure der drei Bataillone des 1ten leichten Infanterie-Regiments voran – über Pierrepont gegen die auf dem rechten Flügel der alliierten Front stehenden Nassauer stürmt, bis vor den Wald von Bossu gelangen kann und mit den Nassauern in unübersichtliche Plänkler-Gefechte und Bajonett-Kämpfe gerät, marschieren die beiden Linien-Regimenter der 2ten Brigade weiter auf Quatre-Bras, wo die Gefechte im Zentrum der alliierten Stellung zunehmend heftiger werden. Mit dem Eingreifen der 4ten hannoverschen Brigade unter Colonel Best und der direkt bevorstehenden Ankunft des braunschweigischen Korps zieht Bylandt seine inzwischen weitestgehend abgekämpften und schwer angeschlagenen National-Milizen westlich auf die Straße zwischen Quatre-Bras und Nivelles zurück. Obwohl die Nassauer in der Deckung des Waldes bislang kaum Verluste erlitten haben und von der Wendung auf der linken Flanke nichts wissen, entsteht infolge von Bylandts Rückzug kurzzeitig unmittelbar die Gefahr, abgeschnitten werden zu können. Und da der Wald angesichts der gewaltigen französischen Streit-Kraft entlang der Straße auch taktisch keine Vorteile mehr bietet, befiehlt Prinz Bernhard seinen Truppen, sich ebenfalls auf Straße von Nivelles zu sammeln.


"2tes Nassauisches Infanterie-Regiment"

Errichtet am 13. August 1808 aus den Kompanien der beiden Weilburg´schen Jäger-Bataillone wurde das Regiment noch im gleichen Monat nach Spanien verlegt, wo es an rund vierzig Schlachten und Gefechten beteiligt war. Nach der Auflösung des Rhein-Bundes trat das Nassauische Kontingent am 10. Dezember 1813 geschlossen auf die britische Seite über und kämpfte bis 1815 in der niederländischen Armee.

Illustration von Dmytro Zgonnik für »HäT«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Blog von Dmytro Zgonnik.


Rava - 2tes Nassauisches Infanterie-Regiment

Zgonnik - Volitigeurs

Rava - Voltigers

Huen - ... im Wald von Bossu

Rava - French light Infantry

"Volitigeurs"

Illustration von Dmytro Zgonnik.

Bildquelle: ► Blog von Dmytro Zgonnik.

"French Line-Infantry - Voltigers"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava bei »flickr«.

"Leichte Infanterie im Wald von Bossu"

Illustration von Victor Huen in »La Grande Armée - 1805-1815« von Francis Gueth & François Robichon - Edition Herscher; Paris 2004.

"French light Infantry" (nach 1812)

Illustration von Giuseppe Rava für »HäT«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava bei »facebook«.

 

ca. 15:45 Uhr


Konnten die über 3.000 Landwehr-Männer der 4ten hannoverschen Brigade bislang nur hinhaltenden Widerstand leisten, ändert sich das Kräfte-Verhältnis mit dem Eintreffen der rund 7.000 Mann des braunschweigischen Korps, dessen aus Richtung Genappe kommende Kolonnen umgehend in die Offensive gehen und in die Kämpfe um den Wald von Busso und im westlichen Zentrum der alliierten Stellung eingreifen. Zusammen mit der Division Pictons auf der östlichen Seite der Front gelingt es Briten, Braunschweigern und Hannoveranern gemeinsam, die Franzosen wieder in Richtung Süden zurückzudrängen. Unter dem Kommando von Andrew Barnard greifen Schützen vom 1ten Bataillon des 95ten Regiments (Rifles) zusammen mit dem 28ten (North Gloucestershire) Regiment unter Charles Paul Belson den nunmehr von den Franzosen erbittert verteidigten Hof von Gémioncourt im Zentrum beider Fronten an, wobei sie sich gleichzeitig gegen die herumschwärmenden Jäger zu Pferd verteidigen müssen.


"Die Braunschweiger bei Quatre-Bras"

Jäger vom Leib-Bataillon (rechts) und vom "Grauen Jäger-Regiment" (links).

Illustration von Prof. Richard Knötel aus der Serie »Unser Vaterland in Waffen«

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Französische Jäger zu Pferd attackieren ein britisches Karree." (vermutl. 28tes [North Gloucestershire] Regiment)

Gemälde von Vereker Monteith Hamilton im externer Link »Museum of New Zealand« (Wellington, New Zealand).

Knoetel - Braunschweiger

Hamilton - Quatre-Bras
 

ca. 16:00 Uhr


Um zu verhindern, dass seine Infanterie im Rahmen einer mehr und mehr chaotisch werdenden Flucht vollkommen durcheinander geraten und aufgerieben werden, lässt Ney die drei Divisionen auf den Feldern vor Quatre-Bras auf der Höhe zwischen den Höfen Piraumont und Gémioncourt sammeln, wo die französische Artillerie inzwischen mit fünf Batterien in Stellung gegangen ist, die die nachstoßenden Alliierten im nächsten Moment massiv unter Feuer nehmen. Kurz darauf reitet die gesamte noch verfügbare Kavallerie der Division Piré eine Attacke, die von den alliierten Infanterie-Kolonnen aufgrund der hoch bewachsenen Felder erst im letzten Moment wahrgenommen -, dann mit der braunschweigischen Kavallerie verwechselt wird, womit der Angriff vollkommen überraschend und mit voller Wucht trifft. Zwar gelingt es der britischen Infanterie der ersten Welle unter hohen Verlusten standhalten; doch werden große Teile der braunschweigischen Infanterie zusammengeritten und zum Rückzug auf Quatre-Bras gezwungen. Um seine Truppen „herauszuhauen“, reitet Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Oels – besser bekannt als der "Schwarze Herzog" – an der Spitze seiner Ulanen mindestens zwei Attacken, doch können auch die legendären schwarzen Husaren den einsetzenden Rückzug der alliierten Karrees nicht abwenden. Zumindest aber gelingt es, der braunschweigischen Infanterie die nötige Zeit zu verschaffen, sich während des Rückzugs halbwegs neu ordnen und formieren zu können. Ein weiterer vom Herzog persönlich geführter Gegen-Angriff seines Leib-Bataillons vor Quatre-Bras endet für den populären Regenten tragisch: Schwer verwundet stürzt Friedrich Wilhelm vor der Front seiner Truppe vom Pferd. Zwar gelingt es einigen herbeigeeilten Jägern ihren Kommandeur zu bergen; auch kann der Kommandeur des Leib-Bataillons, Major Friedrich von Pröstler, die Abwehr weiterer Angriffe vorbereiten, doch reißen die aus nächster Nähe abgefeuerten Kartätschen zweier plötzlich aufgefahrener Gespanne der französischen Artillerie zu Pferd tiefe Löcher in die Reihen der demoralisierten Braunschweiger. Angesichts der enormen Verluste -, ihres lebensgefährlich verletzten Herzogs und der überall herumschwärmenden französischen Jäger zu Pferd verlieren die Braunschweiger ihren Mut und der Rückzug wandelt sich in eine allgemeine Flucht (Herzog Friedrich Wilhelm stirbt noch am gleichen Abend in dem etwa 100 Meter nördlich der Kreuzung gelegenen Gasthof La Baraque). Wellington versucht die braunschweigischen Husaren zu sammeln und zusammen mit den Resten der inzwischen wieder formierten 3ten leichten (niederländischen) Kavallerie-Brigade unter Baron van Merlen zum Gegen-Angriff zu führen, doch tauchen mitten auf der Kreuzung plötzlich einige Dutzend Lanciers auf, die sich auf Wellington stürzen. Durch einen gewagten Sprung mit seinem Pferd kann sich der Oberkommandierende im letzten Moment in das Karree des 92ten (Gordons Highlanders) Regiments retten. Hier lässt er sich ein Baker-Scharfschützen-Gewehr reichen, das er bis zum Ende der Schlacht nicht aus der Hand legt…


"El cuadrado de Brunswick" – Das Karree der Braunschweiger.

Gemälde von Jose Ferre Clauzel in der eigenen externer Link Online-Galerie.


"Brunswick Leib Infantry" - Leib-Bataillon des Schwarzen Herzogs

Illustration von Giuseppe Rava für »Hät«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava bei »flickr«.


"The Duke of Brunswick commanding the Avantgarde"

Aquarell/Aquatinta von William Heath in der externer Link »Anne S. K. Brown Military Collection« (Brown University Library, Providence, Rhode Island, USA).


"The Death of Frederick William, Duke of Brunswick-Wolfenbüttel"

Gemälde von Friedrich Matthäi in der externer Link »Royal Collection« (Osborne House, Isle of Wight, UK).


"Tod des Schwarzen Herzogs"

Gemälde von Friedrich Matthäi im externer Link »Braunschweigischen Landesmuseum« (Braunschweig).

Clauzel - Brunswick Cuadrado

Rava - Brunswick Leib Infantry

Heath - The Duke of Brunswick

Matthäi - Death of Frederick William

Matthäi - Tod des Schwarzen Herzogs
 

ca. 16:15 Uhr


Auch auf britischer Seite östlich der Straße sieht es nicht besser aus: Im Ergebnis der französischen Kavallerie-Attacke hat das 42te britische Infanterie-Regiment (Black Watch) außerordentlich hohe Verluste; Kommandeur Robert Macara ist mit einem Kopf-Schuss gefallen. Die Linien des 44ten Regiments (East Essex) werden von den Lanciers des 6ten Regiments zerrissen; nur mit hartnäckigen Widerstand gelingt es den beiden bereits verwundeten Fähnrichen Cooke und Christie und einer Handvoll blindwütiger Soldaten, die Schmach abzuwenden, die Fahnen ihres Regiments zu verlieren; nur einen kleinen Fetzen können die Chevaulegers erbeuten.

Die Verluste des 44ten sind bald darauf so groß, dass das Regiment, das in dem unübersichtlichen Feld kein eigenes Karree bilden kann, sich schließlich mit den Resten des 42ten zusammenschließt. John Cameron, Kommandeur des 92ten Regiments (Gordon Highlanders), versucht seine Kompanien, die erst wenige Minuten zuvor zum Angriff vorgegangen waren, wieder aus der Gefahr zurückzuziehen und befiehlt seinen Hochländern Salve auf Salve. Als auch Cameron fällt, geht beim 92ten Regiment gleichfalls die Ordnung verloren.

Aus Richtung Nivelles kommend, treffen die ersten Verbände der 3ten britischen Infanterie-Division unter Carl von Alten und damit etwa 5.500 weitere Soldaten auf Seiten der Alliierten ein, die sofort nach ihrer Ankunft den drohenden Riss der alliierten Front abwenden müssen, der durch den fluchtartigen Rückzug der Braunschweiger eingetreten ist. Diese Einheiten, bestehend aus vier britischen Regimentern der 5ten Brigade unter Colin Halkett und fünf Bataillonen der hannoverschen Brigade unter Friedrich von Kielmansegg, waren bereits mittags erwartet worden. Aufgrund der offenbar vollkommen vernachlässigten Logistik, der planlosen Koordination und der mangelhaften Disposition haben die Kolonnen gute drei Stunden hinter dem eigenen Gepäck-Zug festgesteckt, der durch die auf der Straße nach Nivelles positionierten Reserven behindert worden war. Quellen berichten, dass viele Kommandeure weder über Grund noch Ziel ihres Marsches informiert waren; niemand konnte dem Oberkommandierenden Auskünfte über den An- und Aufmarsch der vereinigten Armeen geben bzw. auch nur ungefähre Angaben machen, wann welche Einheit eintreffen wird. Bspw. ist der Verbleib der britischen Kavallerie unter Henry Paget, besser bekannt als Herzog von Uxbridge, etwa bis 18:00 Uhr vollkommen unklar, denn die Meldung, das Korps bewege sich irgendwo zwischen Enghien und Braine-le-Comte ca. 20 Kilometer westlich von Nivelles ließ befürchten, dass die Truppe in die falsche Richtung ritt (den Quellen nach marschierte die Kavallerie tatsächlich über Ninove nach Enghien und steckte im chaotischen Durcheinander von Bagage- und Reise-Wagen der Frauen höherer Offiziere fest, verlor sich zwischen den eiligst mobil gemachten Munitions-Wagen der niederländischen Artillerie oder wurde von marschierenden Milizen aufgehalten).


"Chevau-Legers Lanciers (Francais), 1812"

Illustration von Hippolyte Bellangé aus dem Portfolio »Die Soldaten der Französischen Republik und des Kaiserreichs«.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Death of Colonel John Cameron of Fassiefern - leading the 92nd Highlanders"

Aquarell/Aquatinto von Richard Simkin im externer Link »The Gordon Highlanders Museum« (Aberdeen, UK).


"Highlanders Regiment - 92nd (Gordon Highlanders) Regiment of Foot"

Illustration von Johnny Shumate für »Warlord Games - Black Powder«-Miniatur-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Johnny Shumate.


"Battle of Quatres-Bras – Fight for the Colors"

Gemälde von Keith Rocco.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Keith Rocco.

Bellangé - Chevau-Legers Lanciers

Simkin - Col. Cameron

Shumate - Gordon Highlanders

Rocco - … the Colors
 

ca. 16:30 Uhr


Die Ankunft der 3ten Division bringt zahlenmäßig die entscheidende Wendung. Auf dem Feld sind die Franzosen nun deutlich in der Unterzahl, und Ney schickt Boten auf Boten in Richtung Süden, um das erwartete I. französische Corps unter Drouet d’Erlon zur Eile zu mahnen. Während die Hannoveraner den linken Flügel bei Pireaumont verstärken, die Briten westlich von Quatre-Bras aufmarschieren und bald darauf den eigenen Verbänden in das Zentrum der Schlacht um Gémioncourt folgen, schickt Ney die sechs Geschütze der berittenen Batterie seiner Reserve-Kavallerie ins Feld. Kurze Zeit später wird das in vorderster Position marschierende 33te (1st Yorkshire West Riding) Regiment unter William George Keith Elphinstone vom Kartätsch-Feuer sprichwörtlich zerfetzt; etwa 400 Mann fliehen in den Wald von Bossu, wo sie mit den Bataillonen des 1ten leichten französischen Infanterie-Regiments der 6ten Infanterie-Division aneinandergeraten. Unter dem intensiven Feuer der französischen Artillerie folgen die anderen drei Regimenter der 3ten Division dem Beispiel ihrer bereits vorangegangenen Kameraden der 5ten britischen Infanterie-Division und versuchen in Erwartung der französischen Kavallerie beidseits der Straße Karrees zu bilden, die wiederum für die französische Artillerie gute Ziele bieten. Den hannoverschen Landwehr-Bataillonen wird daraufhin befohlen, Deckung zu suchen und sich zwischen den Boden-Wellen hinzulegen (eine Taktik, die in der damaligen Zeit einerseits als Feigheit vor dem Feind -, andererseits als schwere Beleidigung des Gegners gewertet wurde).


"Artillerie à cheval"

Post-Karte von Maurice Toussaint aus der Serie »Armée française Uniformes«

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

Toussaint - Artillerie
 

ca. 16:45 Uhr


Gegen die etwa 7.000 noch kampf-bereiten britischen Infanteristen in den Feldern beidseits der Straße befiehlt Ney seine drei wieder formierten Infanterie-Divisionen: Insgesamt elf zusammengefasste Bataillone mit insgesamt etwa 14.000 Mann rücken zwischen dem Wald und östlich der Straße auf Quatre-Bras vor; hinter ihnen Pirés ebenfalls neu formierte leichte Kavallerie, die in den vorangegangenen Attacken etwa ein Drittel ihrer Mannschaften und weitaus mehr Pferde verloren hat, aber mit den noch verfügbaren Kräften die Flanken der Infanterie-Kolonnen gegen die etwa 4.000 Hannoveraner östlich und die etwa 4 bis 5.000 Braunschweiger, Nassauer und Briten westlich der Straße und im Wald von Bossu sichert.

In Erwiderung der französischen Geschütze eröffnet nun auch die britisch-hannoversche Artillerie das Feuer auf die anrückenden Kolonnen. Nach mehreren Angriffen gelingt es der 5ten Infanterie-Division den von den Hannoveranern gestellten linken Flügel aus Pireaumont zurückzuwerfen und soweit zurück zu drängen, dass die Spitzen in die Reichweite zweier weiterer hannoverscher Bataillone gelangen, die den Kreuz-Weg kurz zuvor zusammen mit dem von Major Johann Friedrich Sattler geführten zweiten nassauischen Infanterie-Kontingent unter August von Kruse erreicht haben und sich auf der Straße zum Eingreifen bereit machen. Mindestens zwei Salven, geschossen von über 3.000 Soldaten, lassen den französischen Sturm-Angriff zusammenbrechen. Die hannoverschen Bataillone Lüneburg und Grubenhagen übernehmen den Gegen-Angriff und erobern unter dem Kommando von Oberstleutnant von Klenke den Hof Pireaumont mit dem Bajonett zurück, den sie mit den beiden kurze Zeit später eintreffenden Kompanien Feld-Jäger gegen die zurückkehrende französische Infanterie verteidigen können.

Dem hannoverschen Gegen-Angriff auf dem linken Flügel schließen sich auch die 5te Brigade unter General Colin Halkett samt den wieder kampf-bereiten braunschweigischen Infanterie-Bataillonen Garde und von Holstein sowie drei hannoversche Bataillone im Zentrum des Schlacht-Feldes an. Das in vorderster Linie in Deckung liegende Lüneburger Landwehr-Bataillon der 4ten hannoverschen Brigade lässt die feindliche Kavallerie bis auf 30 Schritt herankommen, bevor Oberstleutnant von Ramdohr seinen Männern den Feuer-Befehl erteilt. Drei weitere hannoversche Bataillone folgen dem Beispiel, feuern ihre Salve, tauchen wieder ab und laden ihre Gewehre und Büchsen in die Deckung der Felder. Die nach und nach eintreffende Batterie zu Pferd der King’s German Legion (K.G.L.), die eiligst ihre Geschütze abprotzt und in die Stellungen ausgefallener Stücke positioniert, steigert die Feuer-Kraft der alliierten Artillerie auf der Straße nach Sombreffe erheblich; etwa vierzig Kanonen und Haubitzen feuern jetzt im eigenen Ermessen Schuss auf Schuss.


"French Field-Artillery"

"L'artilleur à cheval de la ligne" (1812-1815)

Illustration von Giuseppe Rava für »Hät«-Modell-Figuren.


"British Field-Artillery"

Illustration von Giuseppe Rava für »A Call To Arms«-Modell-Figuren.


"Dutch-Belgian Field-Artillery"

Illustration von Giuseppe Rava für »Waterloo 1815«-Modell-Figuren.


Bildquelle(n): ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava bei »flickr«.

Rava - French Artillery

Rava - British Artillery

Rava - Dutch-Belgian Artillery
 

ca. 17:00 Uhr


Ein von Napoleon um 15:30 Uhr verfasster Befehl, der Ney auffordert, das I. französische Corps unter Marschall Drouet d’Erlon umgehend nach Ligny zu entsenden, erreicht den Verband auf dem Marsch zwischen Charleroi und Frasnes direkt. Zu dieser Zeit war Drouet d’Erlon bereits in Richtung Quatre Bras vorausgeritten. Er ahnt nicht, dass seine Divisions-Kommandeure angesichts der vom Kaiser vorgetragenen Dringlichkeit entschieden haben, sofort nach Osten abzuschwenken und das gesamte Corps inzwischen in Richtung Fleurus-Ligny marschiert.


Aus Richtung Genappe kommend, werden etwa zu diesem Zeit-Punkt die ersten Bataillone der britischen Garde sowie größere Artillerie-Formationen ausgemacht. Auch erhält Ney die Meldung, dass größere Kavallerie-Verbände über Nivelles im Anmarsch sind und spätestens innerhalb von zwei Stunden eintreffen werden. Da Ney bis auf die Garde-Kavallerie über keine weiteren Reserven verfügt, bleibt ihm in dieser kritischen Situation nur noch die Hoffnung auf das baldige Eintreffen von d’Erlons Corps oder die Wahl zwischen Rückzug oder General-Angriff. Und da Pirés Jäger und Lanciers zu dieser Zeit Pictons Schotten vor sich her bzw. wieder in Richtung Quatre-Bras zurücktreiben, entscheidet sich Ney für die Groß-Offensive und befiehlt er dem Comte de Valmy, François Étienne de Kellermann, Kommandeur des III. französischen Kavallerie-Corps, seine gefürchtete Schlachten-Kavallerie zur Unterstützung Pirés attackieren zu lassen. Die rund 800 Kürassiere des 8ten und 11ten Regiments der 2ten Brigade unter François Guiton traben westlich der Straße auf Briten, Hannoveraner und Braunschweiger an.


"The french Cuirassiers of Napoleon at charge"

Illustration von Peter Dennis für »Italeri«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava bei »militaryimages.net«.


"Combined Arms at Quatre Bras"

Gemälde von Dan HorseChief.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Dan HorseChief bei »facebook«.


"French Cavalry charging by the Windmill at Quatre Bras."

Aquarell/Aquatinto von Carle Vernet im externer Link »The British Museum« (London, UK).


"English Horse Artillery in action"

Illustration von Jacques (Jack) Girbal in »Soldats et uniformes du Premier Empire« von François-Guy Hourtoulle; Histoire et Collections.

Rava - Cuirassiers

HorseChief - Combined Arms

Vernet - The Windmill at Quatre Bras

Girbalm - Horse Artillery
 

ca. 17:15 Uhr


Kellermanns Kürassiere treffen auf die Bataillone des Herzogs von Sachsen-Weimar und die Regimenter der 5ten britischen Brigade unter Colin Halkett. Während das 7te Kürassier-Regiment die Aufgabe hat, sich zwischen den Wald von Bossu und die Flanke des britischen Aufmarsches zu schieben, um ein neuerliches Abtauchen der Briten zu verhindern und bestenfalls die Flanke der britischen Linien aufzurollen, haben die am äußersten Rand des rechten Flügels anrückenden Nassauer die Order, die Kolonnen gegen mögliche Tirailleure und Voltigeure im Wald von Bossu abzuschirmen. Nach einigen Salven auf die Kürassiere suchen die Nassauer im Wald Deckung, wohin die schweren Reiter nicht folgen können.

Die erste Welle des 8ten Kürassier-Regiments trifft auf das 69te britische Infanterie-Regiment (South Lincolnshire), das kurze Zeit später nicht nur schwere Verluste an Mannschaften erleiden muss, sondern auch seinen Kommandeur Charles Morice verliert und … seine "King's Colours"-Fahne einbüßt (23 Pallasch-Hiebe waren nötig, bis Fahnen-Leutnant Clarke den Union-Jack nicht mehr halten konnte; der Regiments-Schneider wurde kurz darauf beauftragt, unverzüglich eine neue Flagge herzustellen; das Regiment selbst bestritt den Verlust, bis das Original im Jahr 1909 im Nachlass eines Enkels von General Donzelot wieder auftauchte).

Auch das am rechten Flügel der Brigade kämpfende 33te (West Riding) Regiment flieht schließlich in den Wald von Bossu; erst Major-General Halkett persönlich gelingt es, das Regiment auf einem nah gelegenen Hügel wieder zu sammeln, indem er die Fahne des Regiments schwingt. Auf diese Aktion wird eine Batterie zu Pferd aufmerksam, die wenige Minuten später auf einer benachbarten Höhe auffährt und das Feuer eröffnet. Lieutenant-Colonel William George Harris, Kommandeur des 73ten (Highland) Regiments, lässt ein Karree bilden, dessen Feuer Halkett wiederum die nötige Zeit verschafft, die komplexen Manöver zur Karree-Bildung auch mit dem 30ten (Cambridgeshire) Regiment durchzuexerzieren. Gemeinsam gelingt es den Karrees, in die sich die Reste des 33ten und des 69ten Infanterie-Regiments retten können, Kellermanns Kürassieren standzuhalten, die bald darauf Richtung Quatre-Bras davon galoppieren. Hier hat bereits Wellington aus den zwischenzeitlich gesammelten und wieder geordneten braunschweigischen Bataillonen zwei Karrees formiert und beidseits der Kreuzung postiert. Zur Deckung der Straße ist die Batterie zu Pferd der King’s German Legion (K.G.L.) vorgezogen worden, die zwischen den beiden Karrees Stellung bezogen hat. In den Boden-Wellen vor dieser Abwehr-Stellung liegen die Reste des Lüneburger Bataillons.


Ney erhält die Nachricht, dass das I. französische Corps auf Napoleons Befehl inzwischen in Richtung Ligny marschiert. Da kurz darauf ein weiterer Befehl Napoleons mit der Weisung eintrifft, Quatre-Bras unbedingt zu erobern, zu halten und zu sichern und anschließend sofort mit sämtlichen entbehrlichen Kräften über die Straße von Quatre-Bras in Richtung Osten auf Sombreffe zu marschieren, um Blücher zu vernichten, befiehlt er Drouet d’Erlon, die sofortige Rückkehr seines Corps zu veranlassen, um beiden Befehlen entsprechen zu können. Drouet d’Erlon eilt seinem Corps hinterher. Kellermann erhält den Befehl, die britischen Linien mit seinen Kürassieren zu durchbrechen und alles daran zu setzen, die Artillerie der Alliierten auf der Höhe der Straße auszuschalten.


"The Lincolnshires"

Gemälde von Keith Rocco.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Keith Rocco.


"Charge!" (Angriff)

Gemälde von Oliver Cuthbertson.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Oliver Cuthbertson.


"Eroberung der Fahne des 69. Infanterie-Regiments bei Waterloo"

Illustration von Victor Huen in »La Grande Armée - 1805-1815«Francis Gueth & François Robichon - Edition Herscher; Paris 2004.


"The King's Colour of the British 69th Regiment at Quatre Bras"

Gemälde von Raymond Desvarreux, lt. externer Link »Invaluable« bei »Thomaston Place Auction Galleries«.


"The King’s Colour of the II. Batailon; 69th Regiment"

Originales "Banner des Königs" des 69ten Regiments; verloren 1815, wiedergewonnen 1909.

Ausstellungsstück im externer Link »Gorau Chwarare Cyd Chwarae« (People's Collection Wales, UK).


Rocco - Lincolnshire

Cuthbertson - Charge

Huen - Die Eroberung der Fahne

Desvarreux - The King's Colour

King’s Colour of the 69th

Knötel - Uniformenkunde

Knötel - Uniformenkunde

Knötel - Uniformenkunde

Knötel - Uniformenkunde

"Frankreich - Linien-Infanterie 1806 bis 1812 (Füsiliere)"

Tafel 58 aus Band IX. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

"Frankreich - Linien-Infanterie 1806 bis 1812 (Grendiere)"

Tafel 56 aus Band IX. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

"Frankreich - Linien-Infanterie 1806 bis 1812 (Voltigeure)"

Tafel 57 aus Band IX. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

"Frankreich - Trompeter vom 7. Kürassier-Regiment."

Tafel 3 aus Band XI. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

 

ca. 17:30 Uhr


Den Garde-Jägern und -Lanciers der leichten Garde-Kavallerie-Division unter General Lefebvre-Desnouettes, die sich Kellermanns Attacke angeschlossen haben, gelingt der Einbruch in die alliierte Haupt-Kampflinie. Da die französische Infanterie bis auf die leichte Infanterie und einigen Kompanien der 6ten Division des Prinzen Jérôme am süd-westlichen Rand des Waldes von Busso jedoch weit hinter der Kavallerie zurückgeblieben ist, steht weder der Zusammenbruch der anglo-alliierten Front noch der Gewinn des Kreuz-Weges zu erwarten; vielmehr werden die Kürassiere kurz vor der Straßen-Höhe Nivelles-Sombreffe von massiven Kartätsch- und Salven-Feuer empfangen und über die Straße nach Charleroi zurückgeschlagen: Die vier Bataillone der britischen Garde-Division unter George Cooke – zusammen rund 4.000 Mann (Einheiten der britischen Garde verfügen über die doppelte Stärke) – haben sofort nach ihrem Eintreffen Schlacht-Linien formiert und zusammen mit ihrer Begleit-Artillerie – zwei weitere Batterien mit je sechs Feld-Geschützen – die von Wellington gebildete Abwehr-Stellung der Braunschweiger verstärkt, hinter der sich die zuvor zerschlagenen und zerstreuten Mannschaften und Offiziere der 3ten und 5ten britischen Infanterie-Division sammeln und neu formieren.


Jäger zu Pferd der leichten Garde-Kavallerie-Division unter General Lefebvre-Desnouettes attackieren eine Batterie der reitenden Artillerie.

Illustration von Mitchell Nolte.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Mitchell Nolte auf »deviantart«.


"The Iron Duke"

Illustration von Keith Rocco für das Cover »The Subaltern« von George Robert Gleig (Wagram Press, 2011).


Nolte - Chasseurs a Cheval

Rocco - The Iron Duke

Yezhov - Polish Chevaux-Lègers

Rava - Lanciers Rouges

Rava - Polish-Dutch Lancers

Dennis - 2nd edition Starter Set

"1er Régiment de Chevau-Légers Lanciers de la Garde Impériale (Lanciers Polonais)"

Illustration von Alexander Yezhov für »Zvezda«-Modell-Figuren "Polish Chevaux-Lègers".

Bildquelle: ► Blog von Alexander Yezhov auf »tumgir«.

"Charge of the Red Lancers" - Garde Imperiale, Lanciers Rouges.

Illustration von Giuseppe Rava.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava bei »facebook«.

"Polish-Dutch Lancers"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava bei »facebook«.

"French Chasseurs vs. British square"

Illustration von Peter Dennis für »Warlord Games - Black Powder«-Modell-Figuren.

 

ca. 18:00 Uhr


Drouet d’Erlon erreicht sein Corps, das inzwischen nur noch wenige Kilometer bzw. etwa eine Marsch-Stunde von Ligny entfernt ist. Trotzdem lässt der General den Verband erneut wenden und wieder auf Richtung Quatre-Bras zurückmarschieren (im Ergebnis können die rund 20.000 Mann des I. französischen Corps weder Ney gegen die Alliierten noch Napoleon gegen die Preussen unterstützen)…


Jean-Baptiste Drouet, Comte d'Erlon (1765–1844). General und Marschall von Frankreich.

Gemälde von Charles-Philippe Larivière im externer Link »Château de Versailles« (Paris).

Larivière - Drouet
 

ca. 18:30 Uhr


Auf Wellingtons Befehl gehen die Alliierten auf ganzer Front geschlossen zum Gegen-Angriff: Die 1te Brigade der 6ten französischen Infanterie-Division wird von der britischen Garde-Infanterie wieder aus dem Wald von Busso herausgeworfen; zusammen mit den Nassauern stehen die britischen Garden bald darauf an der Flanke der 9ten französischen Infanterie-Division, die damit ebenfalls den Rückzug einleiten muss, jedoch der eigenen Artillerie damit das Schuss-Feld öffnet. Kurz nachdem sich die alliierten Einheiten am südlichen Wald-Rand wieder in Reihen formiert haben, werden sie vom Kartätsch-Feuer zerrissen; im nächsten Moment von mehreren Salven der in den Feldern abgetauchten Tirailleure getroffen und zu allem Übel noch von einigen Lanciers des 6ten Regiments attackiert. Verfolgt von Jägern des 1ten Regiments zu Pferd ziehen sich die britischen Gardisten und die Nassauer wieder in die Deckung des Waldes zurück, wo in der zunehmenden Dämmerung blutige Zwei-Kämpfe mit Bajonett und Säbel um jeden Baum geführt werden. Etwa 500 Briten und Nassauer verlieren im Kampf um den Wald ihr Leben.

Entlang der Straße von Brüssel nach Charleroi gehen überwiegend Braunschweiger und Briten gegen Neys Zentrum vor, und auf dem linken Flügel werfen mehrheitlich Niederländer und Schotten die 5te und Teile der 6ten französischen Infanterie-Division zurück.


"De prins van Oranje bij Quatre-Bras"

Skizze für die große Lein-Wand im »Schloss Soestdijk« von Jan Willem Pieneman im externer Link »Rijksmuseum« (Amsterdam, NL).


"Der Prinz von Oranien bei Quatre Bras"

Gemälde von Jan Willem Pieneman im externer Link »Paleis Soestdijk« (Soest, NL).


"Dutch Infantry"

Illustration von Giuseppe Rava für »HäT«-Miniatur-Figuren.

Pieneman - De prins van Oranje

Pieneman - Der Prinz von Oranien

Rava - Dutch Infantry
 

ca. 19:00 Uhr


Neys Versuch, den auf ganzer Front einsetzenden Rückzug seiner Infanterie durch eine erneute Attacke der Roten Lanciers samt den Resten des 6ten Lancier-Regiments (sehr wahrscheinlich bedeckt durch die Jäger des 1ten Regiments zu Pferd) aufzuhalten, scheitert durch das Eintreffen der 2ten Brigade der King’s German Legion (K.G.L.) unter Friedrich Wilhelm von Ompteda und der 1ten hannoverschen Brigade unter Friedrich von Kielmansegg, die die Reihen der Alliierten mit weiteren 5.500 Mann verstärken. Hinter den Hannoveranern erscheint endlich die von Wellington dringend erwartete Kavallerie: Die Garde-Kavallerie-Brigade unter Edward Somerset, die Union-Brigade unter William Ponsonby, die British-Brigade unter John Ormsby Vandeleur und die 6te Kavallerie-Brigade unter Richard Hussey Vivian; insgesamt beinahe 5.000 Dragoner und Husaren, denen Neys abgekämpfte Infanterie und die vollkommen erschöpfte Kavallerie keinen ernsthaften Widerstand mehr entgegensetzen konnten.

Die rund 2.000 Hannoveraner entfalteten sich beidseits der Straße, verstärken damit das Zentrum der Alliierten auf gut 15.000 Mann, die die verbliebenen Franzosen mit ihrer Masse sprichwörtlich Richtung Süden vor sich herschieben. Ney steht damit unmittelbar vor der Gefahr, dass seine Linien überrannt werden; das gesamte Corps zerschlagen oder in Gefangenschaft geraten kann. Zwar gelingt es der immer wieder Präsenz zeigenden französischen Kavallerie, dass der französische Rückzug nicht in eine chaotische Flucht ausartet, doch im Ergebnis hat Ney das Schlacht-Feld am frühen Abend an die Alliierten verloren. Und mit der Ankunft weiterer braunschweigischer Infanterie-Bataillone mobilisiert auch der Prinz von Oranien die niederländischen National-Milizen noch einmal, die im Licht der tiefstehenden Sonne beginnen, den Wald von Bossu nach verwundeten Kameraden und versprengten Franzosen zu durchkämmen. Die zahlenmäßig jetzt weit unterlegenen französischen Truppen weichen auf ganzer Linie, und Ney entscheidet, dass es keinen Sinn mehr macht, seine drei Divisionen gegen die alliierte Übermacht weiter anrennen zu lassen und letztendlich sinnlos zu opfern. Bei Einbruch der Dunkelheit erteilt er den Befehl zum Rückzug und die Kämpfe enden.


"2e Régiment de Chevau-Légers Lanciers de la Garde Impériale (Lanciers rouges) en route" - Die [ehemals holländischen] Roten Lanciers der leichten Garde-Kavallerie-Division unter General Lefebvre-Desnouettes.

Aquarell von Jan Hoynck van Papendrecht im externer Link »Musée royal de l'armée des Pays-Bas« (Delft, NDL).


"The Dutch lancers of the French Imperial guard."

Gemälde von Eugène Péchaubès, lt. externer Link »Artnet« in privater Sammlung.


"Scotland, the brave."

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava bei »flickr«.

"British Infantry"

Illustration von Ezio Giglioli für »esci«-Modell-Figuren.


Papendrecht - Lanciers rouges

Péchaubès - The Dutch lancers

Rava - Scotland, the brave

Giglioli - British Infantry

 

Dennis - British Infantry

Strelets - British Infantry

Strelets - Highlanders

Rava - British & Scots Infantry

"Brtish Line Infantry."

Illustration von Peter Dennis für »Warlord Games - Black Powder«.

"British Infantry in Attack"

Photo-Montage/ -Collage für »Strelets«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► »Strelets« (UKR).

"Highlanders in Attack"

Photo-Montage/ -Collage für »Strelets«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► »Strelets« (UKR).

"British & Scots Infantry"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava bei »flickr«.

 

Résumé


Mit der Niederlage der Preussen bei Ligny ist die geplante Vereinigung beider Armeen bis auf weiteres gescheitert. Und unter dem Aspekt, dass nunmehr Napoleon auf die Straße von Sombreffe nach Quatre-Bras einschwenken kann (und wird), ist die Position für Wellington gefährlich. Er beschließt, sich am kommenden Tag auf eine zuvor erkundete Position vor dem Wald von Soignies zurückzuziehen und nahe des Dorfes Waterloo erneut die Vereinigung mit den Preussen zu versuchen.


Schätzungen zufolge kostete Quatre-Bras etwa 10.000 Menschen das Leben; mindestens ebenso viele wurden in der Art verwundet, dass sie längerfristig beeinträchtigt waren oder blieben. Beschreibungen nach erstreckte sich die Menge der Verletzten und Verwundeten, der Sterbenden und Toten beidseitig auf allen vier Wegen der Kreuzung über jeweils mehr als eine Meile. Wellington erklärte später, dass die Schlacht von Quatre-Bras nicht nur die verworrenste und verwirrendste seiner gesamten militärischen Karriere war; auch war er noch nie so bedrängt worden oder hatte größere Schwierigkeiten gehabt, seine Stellung zu behaupten. Quatre-Bras war Wellingtons teuerster Sieg.


"Plan of the Battles of Ligny, Quatre Bras & Waterloo fought on the 16 and 18 June 1815 by the Allied armies commanded by the Duke of Wellington and Marshal Prince Blücher"

Karte von H. Colburn in der Studien-Sammlung des externer Link »National Army Museum« (London, UK).

Colburn - Plan of the Battles
 

17. Juni 1815 – Vormittag


"On the Way to Waterloo" - Wellingtons Marsch von Quatre Bras nach Waterloo.

Von Quatre-Bras aus ziehen sich Wellingtons Truppen im Lauf des Vormittags über die Straße zwischen Brüssel und Charleroi zurück auf den knapp 20 Kilometer entfernten Höhen-Zug von Mont Saint-Jean nahe dem kleinen Dörfchen Waterloo. Nach Wellingtons Auffassung bietet dieser Hügel-Kamm beste Voraussetzungen zur Verteidigung und damit die Möglichkeit, Napoleons Vormarsch zu stoppen. Auch eröffnen die sich hier kreuzenden Straßen- und Weg-Verbindungen eine neue Gelegenheit zur Vereinigung mit der abgeschlagenen preussischen Armee.


Gemälde von Ernest Crofts im externer Link »Museum Sheffield« (South Yorkshire, UK).

Crofts - ... von Quatre Bras nach Waterloo
 

17. Juni 1815 – Nachmittag


Nachdem Wellington den Abmarsch der alliierten Armee begleitet und die Details zur Aufstellung der einzelnen Einheiten und Verbände entlang des Höhen-Zugs von La Haye Sainte angewiesen hat, nimmt er in dem rund 4,5 Kilometer entfernt gelegenen Gasthof von Waterloo (an der Chaussee nach Brüssel gegenüber der Kirche Saint Joseph; heute Wellington-Museum) Quartier, der damit auch provisorisches Haupt-Quartier der Verbündeten wird.

Obwohl der Feld-Marschall und seine Soldaten inzwischen rund sechsunddreißig Stunden auf den Beinen sind, gibt es kaum Ruhe: Umgehend nehmen Kuriere den Kontakt zur preussischen Armee Marschall Blüchers auf, die – verfolgt von zwei französischen Corps unter Marschall Grouchy – zu diesem Zeit-Punkt auf Wavre marschiert…


"On the eve of waterloo"

Gemälde von Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link »artnet« im privaten Besitz.


"The Eve Before Waterloo - Duke of Wellington at the Trumpet Inn"

Gemälde von Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link »artnet« im privaten Besitz.

Hillingford - Eve of Waterloo

Hillingford -Wellington at the Trumpet Inn
 

17. Juni 1815 – Abend


"La veille de Waterloo" - Am Abend vor Waterloo.

Auf der Strasse nach Brüssel wird Wellingtons Nachhut von Jägern zu Pferd der Kaiser-Garde überrascht. Die Nachzügler sind sich sicher, unter den Jägern Napoleon gesehen zu haben (aufgrund seines Magen-Leidens bevorzugte Napoleon seit 1813 für längere Strecken seine Reise-Kutsche).


Gemälde von Henri Georges Jacques Chartier im externer Link »Musee de l'Armee« (Paris, FR).

Chartier - ... vor Waterloo
 

Nacht vom 17. zum 18. Juni 1815


Der größte Teil von Wellingtons Armee hat bis zum Nachmittag des 17. Juni das Plateau zwischen den Höhen-Kämmen von La Haye Saint und Mont St. Jean erreicht und Stellung bezogen. Reisig wird aus dem hinter den Höhen gelegenen Wald von Soignies herangeschafft. Die Soldaten entzünden Lager- und Wach-Feuer und beginnen Wasser abzukochen.

Am frühen Nachmittag verdunkeln mehr und mehr Wolken die Sonne. Die Luft wird immer drückender und bald darauf zucken im Süd-Westen erste Blitze; gegen 14:30 Uhr beginnt es zu regnen und ein böiger Wind kommt auf. Nur mit Mühe können Briten und Hannoveraner, Braunschweiger, Niederländer und Belgier ihre Feuer am Brennen halten. Am frühen Abend bricht ein Unwetter los, das die Soldaten in kürzester Zeit vollkommen durchnässt. Straßen, Wege und Felder verwandeln sich in einen einzigen Sumpf. Und so die britische Nachhut bereits erhebliche Mühen hat, im Schlamm noch voranzukommen, bleiben die Soldaten und Pferde -, die Kanonen und Fuhr-Werke der kaiserlichen Armee in dem bald komplett zerstampften und zerfahrenen Morast stecken (die ganze Nacht sind die französischen Soldaten beschäftigt, ihre Geschütze auf einem den britischen Höhen gegenüberliegenden Hang in Stellung zu bringen. Diese – regional als "Schöne Verbindung" bezeichnete Höhe – geht in die Geschichte ein: "La Belle Alliance".


"17th June 1815 - 7 O'Clock - La Belle Alliance: Now I have them!"

Gemälde von John Lewis Brown im externer Link »Musee des Beaux-Arts« (Bordeaux, FRA).


"The Night before the Battle of Waterloo - The British Lines - The Bivouac"

Gemälde von William Holmes Sullivan, lt. externer Link »artnet« im privaten Besitz.

Brown - … 7 O'Clock

Sullivan - … before the Battle
 

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 ... 18. Juni 1815: Schlacht bei Waterloo (vollständige Beschreibung).



Schnell-Navigation - Schlacht bei Waterloo:




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Prolog

18. Juni 1815: "Morgendämmerung von Waterloo"


Gegen 5:00 Uhr morgens beginnen die Glocken der Kirchen von Plancenoit, Genappe und Frichemont das Angelus-Läuten, das die Gläubigen zum ersten Gebet des Tages ruft. Es ist Sonntag, der Wochen-Tag, der dem lieben Gott und der Heiligen Messe -, der Ruhe und dem Frieden gewidmet ist. Kurz darauf blasen die Trompeter der französischen Regimenter entlang des Höhen-Kamms von La Belle Alliance das "Réveillez-vous"; den Ruf zum Wecken der Soldaten. Und obwohl viele der Männer sich in den Jahren seit der Revolution von der katholischen Kirche abgewandt haben, beginnen die meisten diesen Tag mit einem Gebet um ihr Seelen-Heil.

Es ist Sonntag, der 18. Juni 1815, und viele ahnen, dass sie am Abend dieses Tages mit schwersten Verwundungen in einer der Kirchen nahe den Feldern von Waterloo liegen werden.

Napoleons Soldaten sind nach drei Tagen der Eil-Märsche, der Schlachten von Ligny und Quatre-Bras müde und erschöpft und demoralisiert. Dass Pulver in ihren Musketen ist nass; auf den Läufen blühen erste Rost-Flecken. Ihre Uniformen sind vom Regen vollkommen durchnässt und vom nächtlichen Biwak in den Furchen der Felder verschlammt. Zwar konnte der Durst auch mit aufgefangenem Regen-Wasser gelöscht werden, doch die am Mann mitgeführte Verpflegung ist seit Tagen aufgebraucht; die letzten Rationen waren am Morgen des 15. Juni verausgabt worden und die Mehl- und Brot-Wagen hatten den Munitions- und Pulver-Wagen die Vorfahrt gewähren müssen. So stochern die Soldaten und Offiziere der ehemals "Grande Armée" stumm und verbittert in der Erde nach Rüben. Nur den wenigsten gelingt es, ein Feuer zum Abkochen anzuzünden.


"Dawn of Waterloo - The Last Reveille oft the Cuirassiers"

Gemälde von Elizabeth Butler, lt. externer Link »artnet« in privater Sammlung.

Butler - The Last Reveille
 

18. Juni 1815: "Wellington und sein Stab am Morgen der Schlacht vor der Kirche St. Joseph's in Waterloo"


Wellington und die Offiziere seines Stabes hatten die Nacht vom 17. zum 18. Juni 1815 im Gast-Hof der kleinen wallonischen Ortschaft Waterloo verbracht (gegenüber der Kirche "Saint Joseph" an der Chaussee nach Brüssel; heute externer Link Wellington-Museum). An Schlaf war nicht zu denken: Ununterbrochen kamen Kuriere, die Wellington über die Truppen-Bewegungen des Gegners auf dem knapp sieben Kilometer von Waterloo entfernten Höhen-Zug von "La Belle Alliance" (Die schöne Verbindung) informierten und mit neuen Weisungen des Feld-Marschalls für den Aufmarsch der eigenen Truppen davongaloppierten, die auf der nur fünf Kilometer von Waterloo entfernten Höhe von "Mont St. Jean" Stellung bezogen. Auch hielten die Preussen, die nach der Schlacht von Ligny – entgegen Napoleons Überzeugung nicht zum Rückzug übergegangen waren sondern – nun über Wavre in Richtung Waterloo marschierten und Verwechslungen mit den beiden ihnen folgenden Corps des französischen Marschalls Grouchy ausschließen wollten, enge Verbindung mit Wellingtons Haupt-Quartier.

Eine weitere Sorge Wellingtons betraf das seit dem Vortag währende Unwetter: Nicht nur, dass der starke Land-Regen den Einsatz der Artillerie und das Salven-Feuer der Infanterie ernsthaft infrage stellte, vielmehr stand auch zu befürchten, dass die Preussen infolge der aufgeweichten Straßen, Wege und Felder nicht rechtzeitig eintreffen würden. Einzig der Gedanke, dass die französische Armee den gleichen Beschwernissen ausgesetzt war, verlieh Wellington die Zuversicht, Napoleon aus der Deckung der mit Bedacht gewählten und zwischenzeitlich vorteilhaft gesicherten Defensiv-Stellung entlang der Höhe von "Mont St. Jean" (Berg der/des heiligen Jean) und der vorgelagerten Anhöhe von "La Haye Sainte" (sinngem.: Die hohe Hecke hohen)hin- und bestenfalls aufhaltenden Widerstand leisten zu können.

Gegen 3:00 Uhr morgens ließen die Regen-Schauer nach; eine Stunde später erhellten die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne den wolken-verhangenen Himmel. Bis die Wege und Felder jedoch getrocknet waren und die vollkommen durchnässten Soldaten trockenes Pulver laden konnten, war nicht abzusehen.

Nach einem einfachen Frühstück – Schinken und Eier; eine andere Quelle nennt Baguette, holländischen Käse und belgische Würstchen – verlässt Wellington gegen 6:00 Uhr morgens den Gast-Hof und macht sich mit seinem Stab auf den Weg nach "Mont St. Jean", wo er gegen 7:00 Uhr eintrifft…


"The Duke of Wellington and his staff on the morning of the Battle of Waterloo pausing in front of St. Joseph's Church."

Illustration von Patrice Courcelle für das Cover von »Le Caillou - Waterloo - Les Carnets de la Campagne N° 10«.


"Dawn of Waterloo - The Reveille in the Bivouac of the Scots Greys"

Gemälde von Elizabeth Butler im externer Link »National Army Museum« (London, UK).


"The Morning of Waterloo"

Gemälde von Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link »Christie's« in privater Sammlung.


"Day of Destiny."

Druck nach einem Gemälde von David Cartwright im externer Link Auktionshaus »Bonhams« (London, UK).

Courcelle - The morning of the Battle of Waterloo

Butler - The Reveille

Hillingford - Morning of Waterloo

Cartwright - Day of Destiny
 

18. Juni 1815: "Wellington vor dem Maison Valette"


Nach seinem Eintreffen bei "Mont St. Jean" begrüßt Wellington Colonel Andrew Barnard, kommandierender Offizier der vor Ort anwesenden Kompanien des berühmten 95ten (Rifles) Regiments, der im Cottage Valette nahe La Haye Sainte Quartier genommen hat.

Noch in der Nacht hatten die Schützen, die die Nachhut des alliierten Heeres gestellt hatten und damit als letztes bei La Haye Sainte eingetroffen waren, die Straße nach Brüssel mannshoch mit Steinen aus einer nahe gelegenen Kies-Grube verbarrikadiert. Am Vormittag beziehen die Schützen des 1. Bataillons auf dem Höhen-Zug linkerhand der Straße von Brüssel nach Quatre Bras und hinter den Mauern von La Haye Sainte Stellung -, das 2. Bataillon und die beiden anwesenden Kompanien des 3. Bataillons positionieren sich auf dem Höhen-Kamm des rechten Flügels in Richtung Hougoumont.


Gemälde von James De Vine Aylward im externer Link »Royal Green Jackets Museum« (Winchester, UK).


"The Dawn of Day"

Gemälde von Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link »Bonhams« in privater Sammlung.

Atlas - Quatre-Bras

Hillingford - Dawn of Day
 
Crofts - ... an der Kreuzung von Quatre Bras nach Brüssel

"Morning near La Haye Sainte"

Gemälde von Ernest Crofts bei externer Link »Bonhams: Auctioneers«.

18. Juni 1815: "Am Morgen bei La Haye Sainte"


Von seinem Schlacht-Ross "Copenhagen" beobachtet Wellington den Aufmarsch der eigenen und der gegnerischen Truppen unter dem einzelnen Baum nahe La Haye Sainte an der Kreuzung nach Brüssel und Quatre-Bras bzw. nach Wavre und Hougoumont (siehe dazu externer Link Wikipedia).

Um Napoleons Vormarsch zu stoppen – und seine Armee bestenfalls zu zerschlagen – hat Wellington für seine Armee eine relativ vorteilhafte Stellung etwa vier Kilometer vor der belgischen Ortschaft Waterloo – damals noch inmitten des dichten Waldes von Soignes gelegen – gewählt: Flankiert von den beiden befestigten und damit gut zu verteidigenden Höfen Papelotte im Osten und Hougoumont im Westen gehen die alliierten Verbände entlang eines Hügel-Kamms in Stellung, der neben einem Hohl-Weg verläuft, dessen natürliche Deckung einerseits die Möglichkeit bietet, Einheiten im Bedarfs-Fall schnell und geschützt verlegen zu können; andererseits auch die schützende Funktion ähnlich eines Burg-Grabens erfüllt, der einen stürmenden Angreifer zumindest aufhalten kann. Diese insgesamt gut drei Kilometer lange, leicht nach innen geschwungene Verteidigungslinie wird in ihrem Zentrum von der Chaussee nach Brüssel gekreuzt; vor der Kreuzung der ebenfalls befestigte Hof La Haye Sainte.

Wellington geht davon aus, dass Napoleon versuchen wird, das Zentrum seiner Stellung zu durchbrechen. Sollte der französische Angriff auf den rechten Flügel der Alliierten zielen, setzt Wellington darauf, die Franzosen im Kreuz-Feuer zwischen La Haye Sainte und Hougoumont stoppen zu können; stürmen die Franzosen gegen den linken Flügel, würde sie ein ähnliches Kreuz-Feuer zwischen La Haye Sainte und Papelotte erwarten.

Crofts - Wellington

"Wellington at Waterloo"

Gemälde von Ernest Crofts; lt. externer Link »artnet« im Privat-Besitz.

 

18. Juni 1815: "Der Morgen der Schlacht bei Belle Alliance."


Aufgrund des strömenden Regens haben sich die Feld-Straßen nach Brüssel in einen klebrigen Schlamm verwandelt. Die Franzosen, die die Alliierten entlang der Höhe von La Haye Sainte ausgemacht haben, sind noch in der Nacht Einheit für Einheit heran- und beidseits des Gast-Hofes "La Belle Alliance" aufmarschiert. Doch die Artillerie samt den wichtigen Munitions- und Pulver-Wagen kommt nur mühsam voran.


Gemälde von Ernest Crofts im externer Link »Museum Sheffield« (South Yorkshire, UK).

Crofts - ... bei Belle Alliance
 

ca. 8:00 Uhr: "In der Nähe von Belle Alliance"


In der Hoffnung auf ein Ende des ausdauernden Land-Regens war der Kaiser bereits in der Nacht mehrmals vor die Tür seines provisorischen Haupt-Quartiers im Pacht-Hof La Caillou getreten. Die Gegend um Waterloo hatte sich in einen nur schwer begehbaren Morast verwandelt; schnelle Attacken der Kavallerie gegen die vom Höhen-Zug des Mont St. Jean gedeckten Alliierten waren undenkbar. Damit der Kaiser und die Mitglieder seines Stabes auf dem glitschigen Boden nicht ausgleiten, haben die Jäger seiner Leib-Wache den Bereich vor dem Weiler mit Stroh bedeckt…


Gemälde von Ernest Crofts im externer Link Auktions-Service »LotSearch« - Auction Search & Price Archive.

Crofts - ... bei Belle Alliance
 

ca. 09:00 Uhr: "Morgengrauen in der Nähe von La Belle Alliance"


Im Verlauf eines Frühstücks (es gibt Hammel-Fleisch auf Linsen) bespricht Napoleon im Pacht-Hof La Caillou, der zum provisorischen Haupt-Quartier erklärt wurde, mit seinen Stabs-Offizieren die bevorstehenden Schlacht, den Stand des eigenen Aufmarsches und die Merkmale der gegnerischen Aufstellung.

"Die Aufstellung der Engländer ist hervorragend", erklärt Marschall Nicolas Jean de Dieu Soult, Chef des General-Stabes, im lockeren Plauder-Ton. "… Die Stellung ist sehr stark, besonders nach Westen hin. Die Engländer sind zähe Leute. Man wirft sie nicht so einfach über den Haufen wie die Österreicher."

"Sie halten Wellington für einen großen Soldaten, weil er Sie in Spanien geschlagen hat", fährt Napoleon seinen Marschall an. "Ich sage Ihnen, dass Wellington ein schlechter General ist; dass die Engländer schlechte Soldaten sind und dass das Ganze hier die Sache eines Frühstücks ist!"

"Ich hoffe es, Sire!" Soult wendet sich der Überlieferung nach direkt Napoleon zu: "Wenn Eure Majestät dem Marschall Grouchy befehlen würden, sofort hierher zu marschieren, wäre uns der Sieg sicherer."

Napoleon verlässt darauf die Tafel; das Frühstück ist damit beendet.

Der Kaiser ist verunsichert. Kurz darauf erhält Colonel Marbot, Kommandeur des 7ten Husaren-Regiments, die Order, mit seiner Einheit hinter Fichermont an der äußersten rechten Flanke der französischen Aufstellung mit Blick auf die Dyle eine Beobachtungs- und Aufklärungs-Position zu beziehen. Bis zur Brücke von Mousty und Ottignies werden Posten aufgestellt, die Napoleon entweder die Ankunft Grouchys oder der preussischen Armee melden werden.

Gegen 9:30 Uhr steigt der Kaiser in den Sattel seiner Stute Marie und inspiziert erneut den Stand des Aufmarsches seiner Armee. Obwohl der Regen abgezogen ist und die Sonne durch die Wolken-Fetzen bricht - die Felder hin zu der etwa 2.000 Meter entfernten Stellung der Alliierten zu trocknen beginnen -, ist der Boden für Attacken der Kavallerie noch zu weich.

Strittig ist, in wieweit Napoleon kurz darauf ein Schreiben authorisiert, das von Marschall Soult gegen 10:00 Uhr verfasst und gegen Mittag Marschall Grouchy übergeben wird. In dem mehr einem Bericht als einem Befehl gleichkommenden Text erhält Marschall Grouchy die Order, sich bei Wavre zwischen die preussische und kaiserliche Armee zu schieben (was den Vorteil hat, dass die beiden ihm unterstellten Corps einerseits den Anmarsch der Preussen aufhalten und andererseits gleichsam bei Bedarf in die Schlacht eingreifen können):

Au Maréchal Grouchy. - (Porté par l'adjutant commandant Lenowich.) - En avant de la ferme de Caillou le 18 Juin à 10 heures du matin. - Monsieur le Maréchal. - L'Empereur a reçu Votre dernier rapport daté de Gembloux: - Vous ne parlez à Sa Majesté que des deux colonnes prussiennes qui ont passé à Savonnières et Sart à Valhain, cependant des rapports disent qu'une troisième colonne a passé à Gery et Gentinnes se dirigeant sur Wavre. - L'Empereur me charge de Vous prévenir, qu'en ce moment Sa Majesté va faire attaquer l'armée anglaise qui a pris position à Waterloo, près de la forêt de Soigne; ainsi Sa Majesté désire que Vous dirigiez Vos mouvements sur Wavre, afin de Vous rapprocher de nous, Vous mettre en rapport d'opération et lier les communications, poussant devant Vous les corps de l'armée prussienne qui ont pris cette direction et qui auroient pu s'arrêter à Wavre, où Vous devez arriver le plutôt possible. Vous ferez suivre les colonnes ennemies, qui ont pris sur Votre droite, par quelques corps légers afin d'observer leurs mouvements et ramasser leurs trainards. - Instruisez-moi immédiatement de Vos dispositions et de Votre marche, ainsi que de nouvelles que Vous avez sur les ennemis, et ne négligez pas de lier Vos communications avec nous; l'Empereur désire avoir très-souvent de Vos nouvelles. - Signé: le Major-général Duc de Dalmatie.


Gegen 11:00 Uhr erreicht der Kaiser die Höhe des Pacht-Hofes von Rosomme, seinem ersten Feldherren-Hügel vor den Feldern von Waterloo.


"Le dernier Quartier-General de Napoleon" - Das letzte Haupt-Quartier Napoleons.

Illustration von Patrice Courcelle im Museum externer Link »Le dernier Quartier-General de Napoleon« (Le Caillou, bei Genappe, BEL).

Bildquelle: ► Patrice Courcelle auf »facebook«.


"Dawn near La Belle Alliance"

Gemälde von Ernest Crofts im externer Link »Auktions-Haus Christie's«.

Courcelle - Last Inspection

Crofts - … bei Belle Alliance
 

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ca. 11:00 Uhr: I. Akt - "La Grande Batterie"


Das von Wellington erst wenige Wochen zuvor als mögliches Terrain zur Austragung einer Schlacht zur Verteidigung Brüssels ausgemachte Feld vor Waterloo erstreckt sich über eine Breite von 5,5 Kilometer. Im Norden und im Süden wird es von zwei Höhen-Kämmen bestimmt, die parallel zueinander etwa 1,5 Kilometer entfernt voneinander verlaufen, was zwar außerhalb der effektiven aber noch deutlich unter der maximalen Reichweite der Feld-Artillerie von etwa zweitausend Metern liegt. Und obwohl insbesondere die erfahrenen französischen Kanoniere geübt sind, die von sämtlichen gegnerischen Parteien gefürchteten "Abpraller" zu schießen (auch "Riquochett"- oder "Enfilier"-Schüsse genannt), bietet das Schlacht-Feld für diesen Effekt nicht die nötigen Voraussetzungen: Der für das Abprallen eines Geschosses nötige flache Aufschlag-Winkel von maximal 20 Grad entspricht in etwa der Steigung der Höhen-Kämme und der Boden hat infolge der ausdauernden Niederschläge nicht die nötige feste Konsistenz.

Vorteil des von Wellington besetzten nördlichen Höhen-Kamms von Mont St. Jean ist nicht nur ein für Napoleons Perspektive verborgener Hohl-Weg, der sich vor Mont St. Jean von dem im Osten gelegenen Pacht-Hof Papelotte hin zum Château d'Hougoumont im Westen erstreckt, die Straße von Charleroi nach Brüssel auf der Höhe des befestigten Pacht-Hofes La Haye Sainte kreuzt und somit schnelle und gedeckte Truppen-Bewegungen möglich macht, sondern auch ein terrassen-artig vorgelagertes, mit Wiesen und Hecken-Büschen bewachsenes Plateau, das als Höhe von La Haye Sainte bezeichnet wird (damals noch deutlisch höher; heute infolge der industriellen Bewirtschaftung mit schweren Maschinen deutlich "abgeschliffen").

Da die Höhe von Mont St. Jean hinter dem Kamm hin zum anschließenden Wald von Soignes wieder abfällt, kann Wellington hier einen großen Teil seiner Reserven vor Napoleons Blicken versteckt und vor dem französischen Artillerie-Feuer gedeckt positionieren.


Den Überlieferungen nach verfügt die "Armée du Nord" über etwa fünfzig Batterien mit insgesamt 374 Kanonen und Haubitzen; 246 Geschütze fahren bei Waterloo auf. Napoleons lässt die wenigen 12-Pfünder und sämtliche 6-Pfünder des I., II. und VI. Korps in Abständen von zwanzig Schritten auf dem rechten Flügel auffahren. Diese "Große Batterie" von rund 80 Kanonen hat die Aufgabe, den geplanten Angriff des I. französischen Corps unter Marschall Drouet d’Erlon durch massives Bombardement auf den östlichen Flügel der Alliierten und deren Zentrum bei Mont St. Jean vorzubereiten. Den ersten Schuss gibt jedoch die Division Foy des II. Corps unter General Reille auf dem linken französischen Flügel ab; er leitet den Angriff auf das befestigte Chateau Hougoumont ein, dessen Mauern von Nassauern, Hannoveranern und britischer Garde besetzt sind.


Die alliierten Offiziere notieren den Beginn des Angriffs bei 11:35 Uhr. Kurz darauf erteilt auch Wellington seiner Artillerie den Befehl, das Feuer zu erwidern.


"Napoleons Last Inspection"

Farb-Lithografie nach einem Gemälde von James Prinsep Beadle in »Hutchinson´s Story of the British Nation« von Walter Hutchinson (Hutchinson & Co, London, 1923).


"Napoleonic French Line Horse Artillery"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Giuseppe Rava bei »flickr«.


"Artillerie à Pied"

Illustration von Patrice Courcelle.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Patrice Courcelle.


"The Great Battery - French Foot Artillery"

Illustration von Alexander Yuryevich Awerjanow für »Zvezda«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Alexander Yuryevich Awerjanow auf »varvar« (russische Künstler-Community).


"French Foot Artillery - 1815"

Illustration von Jack Girbal für Tradition (Magazin Nr. 58, Published by Society of Military Collectors, UK, 1965).

Beadle - Last Inspection

Rava - Artillerie à Cheval

Courcelle - Artillerie à Pied

Awerjanow - French Artillery

Girbal - French Artillery
 

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ca. 11:45 Uhr: II. Akt (1) - Angriff auf Hougoumont.


Mit der Absicht, Wellington zu veranlassen, seine Haupt-Kräfte zwischen dem Guts-Hof Papelotte und der Straße nach Brüssel im Osten bzw. in Richtung Westen zum Château d'Hougoumont hin zu schwächen und ihn zu veranlassen, seine Reserven zur Verteidigung der rechten Flanke in Bewegung zu setzen, befiehlt Napoleon seinem General Honoré Charles Reille, Kommandeur des II. Corps, das den linken Flügel der französischen Armee stellt, den Angriff auf das gut befestigte Château d'Hougoumont, ein Land-Schloss mit Herren- und Gäste-Haus, Kapelle, Gesinde-Wohnbauten, Wirtschafts-Gebäuden und Werkstätten, Ställen, Schuppen und Scheunen, einem kleinen Park, Obst- und Gemüse-Gärten. Eingefasst von hohen und festen Mauern, sichert das Gut die westliche Flanke und schließt somit den rechten Flügel der alliierten Aufstellung ab. Taktischer Plan ist es, durch einen Schein-Angriff auf Hougoumont Wellington davon abzulenken, dass der eigentliche Angriff auf das alliierte Zentrum und damit auf die Spaltung der Verbündeten zielen wird, um: "… die englische Hälfte nach Hall, die deutsche nach Tongres drängen" (¹) zu können. Strategisch setzt Napoleon darauf, dass die Belgier – insbesondere die Wallonen –, die nach den erst vor wenigen Wochen auf dem Wiener Kongress gefassten Beschluss nunmehr Untertanen des niederländischen Königs geworden sind, im besten Fall die Seiten wechseln; mindestens aber die Flucht ergreifen…


Auf Napoleons Wunsch beauftragt General Reille die 6te Infanterie-Division mit dem ersten Angriff. Dieser Verband untersteht Prinz Jérôme, dem jüngeren Bruder Napoleons, der unter den Soldaten und Offizieren kaum Anerkennung als Feld-Herr gefunden hat. Kurz vor Mittag gibt er den Befehl zum Angriff: Vier Infanterie-Regimenter – über 6.000 Soldaten – marschieren von der sanften Anhöhe westlich von Belle Alliance hinunter in die Felder von Waterloo.


"Prinz Jérôme Bonaparte" (1784–1860)

Jüngster Bruder von Napoléon Bonaparte. Im Jahr 1800 Leutnant in der Garde, 1802 straf-versetzt zur Marine, ab 1805 auf Napoleons Wunsch zum Fregatten-Kapitän befördert, 1806 zum General ernannt und (unter Anleitung Vandammes) mit der Besetzung Schlesiens und der Eroberung der dortigen Festungen beauftragt. Von 1807 bis 1813 König von Westphalen; 1812 als Corps-Kommandant in Russland entlassen; 1815 General der 6ten Infanterie-Division im II. Corps.

Gemälde von François Joseph Kinsoen im »The Bowes Museum« (Durham County; UK).

Bildquelle: ► »art uk« (public art collection in the UK).


"Plan of Hougoumont"

Illustration aus »The History of the Scots Guards« - From the Creation of the Regiment to the Eve of the Great War; Frederick Maurice, Chatto & Windus; London 1934.


Kinsoen - Prinz Jérôme

Plan of Hougoumont

 

ca. 12:00 Uhr: II. Akt (2) - Angriff auf Hougoumont.


Unter Führung des Prinzen Jérôme Bonaparte beginnt gegen Mittag der Angriff der 6ten Infanterie-Division auf das Château d'Hougoumont. In Kolonnen-Formation nähern sich die rund 3.000 Mann der 1ten Brigade unter General Pierre-Francois Bauduin der Süd-Seite des Guts und damit dem unter dem Gärtner-Haus gelegenen Hof-Tor, dessen Zufahrts-Weg von einem kleinen vorgelagerten Wäldchen flankiert wird. Der Division voran marschieren in lockeren Schützen-Linien die Tirailleure des 1ten leichten und die Voltigeure des 3ten Linien-Infanterie-Regiments, deren Aufgabe es ist, mit gezielten Schüssen die Verteidiger in der Deckung der Fenster-Nischen des Tor-Hauses und hinter den gut drei Meter hohen Mauern des östlich neben dem Tor anschließenden Gemüse- und Obst-Gartens niederzuhalten.

Die französischen Plänkler haben sich etwa auf Flintenschuss-Reichweite genähert, als sie von einem massiven Abwehr-Feuer überrascht werden, das ihnen aus dem kleinen Erlen-Wäldchen entgegenschlägt. Einer der ersten Verwundeten ist General Bauduin, der von seinen Soldaten zwar schnellstens in Sicherheit gebracht werden kann, trotzdem aber kurz darauf stirbt. Angesichts der unzähligen grün-uniformierten Gestalten, die in der Deckung der Bäume nur schemenhaft ausgemacht werden können, ziehen sich die beiden französischen Infanterie-Regimenter auf Befehl Colonel Amédée Despans-Cubières, Kommandeur des leichten Infanterie-Regiments, wieder zurück.

Cubières, der seine Schützen bereits bei Quatre-Bras in den blutigen Kämpfen gegen die Nassauer im Wald von Bossu geführt hatte und dort verwundet worden war, steht nun erneut den Schützen des 1ten Bataillons des 2ten (nassauischen) Infanterie-Regiment gegenüber, die – bald verstärkt von den Jägern und einigen Landwehr-Abteilungen der 1. (hannoverschen) Brigade des Generals Friedrich Otto Gebhard von Kielmansegge – wieder einen Wald besetzt halten, aus dessen Deckung sie jeden Angriff zusammenschießen können. Die Schützen zu vertreiben wird somit primäres Ziel des zweiten französischen Angriffs. Nach etwa einer Stunde verlustreicher und erbittert geführter Kämpfe Mann gegen Mann ist der Wald vor Hougoumont erobert, und Prinz Jerome befiehlt Colonel Cubières den erneuten Sturm-Angriff auf das Süd-Tor. Wieder wird für die Anfertigung von Sturm-Leitern keine Zeit eingeräumt. Wieder stürmen die inzwischen abgekämpften Voltigeure und Tirailleure gegen die Befestigungen; Jäger und Füsiliere folgen im Lauf-Schritt. Wieder stehen die französischen Plänkler ohne jede Deckung vor der übermannshohen Mauer von Garten und Hof-Gebäuden, in die die Verteidiger – Mannschaften der leichten Kompanien des 2ten Bataillons der "Third Guards" unter Lieutenant-Colonel Charles Dashwood im Obst-Garten sowie des 2ten und 3ten Bataillons der "First Guards", zunächst unter dem Kommando von Lieutenant-Colonel Lord Saltoun hinter den Mauern des Gartens, dann unter Befehl von Lieutenant-Colonel Alexander Fraser hinter und auf den Mauern des Wirtschafts-Hofes – in unregelmäßigen Abständen insgesamt achtunddreißig Schieß-Scharten eingelassen haben und Schuss auf Schuss in die Masse der immer näher kommenden französischen Soldaten feuern. Jede Kugel trifft; auch Colonel Cubieres sinkt direkt vor dem Tor verwundet von seinem Pferd.

Bemerkenswert: Gleich der französischen Armee rangierten auch in der britischen Armee Angehörige der Garde zwei Ränge über den Offizieren der Linie. Die hier im Dienst-Grad eines Oberst-Leutnants genannten Garde-Offiziere standen in ihren jeweiligen Regimentern tatsächlich im Rang eines Kapitäns.


"Die Nassauer bei Belle-Alliance" - Im Wald vor Hougoumont

Illustration von Prof. Richard Knötel aus der Serie »Unser Vaterland in Waffen«.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Die Nassauer im Wald vor Hougoumont"

Illustration von Adrian George für »Waterloo 1815« von Geoffrey Wootten; Osprey Publishing, 1992.


"Nassau. 2. Infanterie-Regiment. Offizier. Voltigeur. Grenadier. Füsilier."

Tafel 12 aus Band II. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"The French Assault" - In Front of the Walls of Hougoumont.

Illustration von Chris Collingwood für das Projekt externer Link »Waterloo Collection«.

Angriff einer Grenadier-Kompanie des 1. Bataillons, 2. Linien-Infanterie-Regiment der 6ten Division, angeführt von Major Brayet, Chef de Bataillon. Von der soliden Garten-Mauer herab eröffnen Soldaten der leichten Kompanien des 2ten (Coldstream) und 3ten (Scots) Garde-Regiments das Feuer. (Aus der Bild-Beschreibung)


"British Guards" - The Coldstream Guards at Hougoumont

Illustration von Chris Collingwood für das Projekt externer Link »Waterloo Collection«.

Knoetel - La Haye Sainte

Atlas - Quatre-Bras

Knötel - Uniformenkunde

Collingwood - The French Assault

Collingwood - British Guards

Zu allem Übel sind die Franzosen vor Hougoumont auch vom Kamm der westlich von La Haye Sainte gelegenen Höhen auszumachen. Hier hat die britische Artillerie Stellung bezogen, die – nachdem die verbündeten Nassauer und Hannoveraner den Wald vor dem Guts-Hof geräumt haben – das Feuer auf Prinz Jérômes Kolonnen eröffnen. Zwar geraten die britischen Batterien bald darauf selbst unter den Beschuss von einigen – zur Verstärkung der Corps- bzw. Divisions-Artillerie – schnell aus der "Großen Batterie" herausgezogenen 6- und 12-Pfündern, doch genügt das konzentrierte Feuer der britischen Artillerie, um Jérômes 1te Brigade wieder aus dem gerade noch gewonnen geglaubten Wald vor Hougoumont zu vertreiben. Das sich dann zwischen den gegnerischen Batterien entwickelnde Artillerie-Duell verschafft General Jean-Louis Soye – Kommandeur der 2ten Brigade der Division Jérômes – die Gelegenheit zum dritten Angriff, in dessen Verlauf den Franzosen zwar ein Durchbruch der südlichen Mauer gelingt; in dessen Ergebnis sich die Angreifer jedoch vor dem nun auch von Nassauern und Hannoveranern unterstützten Abwehr-Feuer der britischen Gardisten zurückziehen müssen.


Zwischenzeitlich muss es mindestens einer Elite-Kompanie vom 3ten Bataillon des 1ten leichten Infanterie-Regiments gelungen sein, das Schloss-Gut in der Deckung der östlich weiterverlaufenden Bäume und Hecken zu umgehen: Gegen 13:30 Uhr erscheinen vor dem Nord-Tor einige Dutzend Soldaten, die unter hohen Verlusten Sous-Lieutenant Pierre-François Legros vor dem heftigen Abwehr-Feuer der hier postierten leichten Kompanie der "Coldstream Guards" unter dem Kommando von Lieutenant-Colonel Henry Wyndham abschirmen. Mit der Axt eines Sappeurs beginnt "l´Enforceur" ("der Vollstrecker", wie Legros wohl aufgrund seiner außergewöhnlichen Körper-Größe und der davon abzuleitender -Kraft genannt wurde) auf die schmiede-eisernen Bänder eines Tor-Flügels einzuschlagen. Nach einigen wuchtigen Schlägen hängt der Tor-Flügel schief in den Angeln, und etwa dreißig bis vierzig Franzosen stürmen unter Legros Führung in den nördlichen Innen-Hof. Lieutenant-Colonel James MacDonnell, Kommandeur des 2ten Battalions der "Coldstream Guards" und Oberbefehlshaber der alliierten Garnison von Hougoumont, gelingt es zusammen mit Sergeant James Graham, sich mit einem eiligst zusammengesammelten Trupp seiner Gardisten durch die Schar der französischen Eindringlinge zum Tor durchzuschlagen und den zertrümmerten Flügel zusammen mit seinem Sergeanten kurz vor der Ankunft weiterer französischer Einheiten wieder zu schließen und zu verbarrikadieren.

Legros und seine wagemutigen Männer sind abgeschnitten; einzig dem minderjährigen Trommler-Jungen der Einheit gewähren die englischen Gardisten das Pardon…


"The Great Gate of Hougoumont" - Sous Lieutenant Legros wielding his axe through the North Gate of Hougoumont.

Gemälde von Keith Rocco.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Keith Rocco.


"Closing the Gates at Hougoumont."

Gemälde von Robert Gibbs im externer Link »National Museums Scotland« (Edinburgh, UK).


"The Defence of Chateau Hougomont"

Gemälde von Jason Askew im externer Link Atelier des Künstlers (Windsor, West Berkshire, UK).


"Close The Gates!"

Gemälde von Chris Collingwood für das Projekt externer Link »Waterloo Collection«.


"Assault on Hougoumont"

Gemälde von Chris Collingwood für das Projekt externer Link »Waterloo Collection«.


Rocco - The Great Gate

Gibbs - Assault on Hougomont

Askew - Defence of … Hougoumont

Collingwood - Close The Gates

Collingwood - Close The Gates


Vor der südlichen und westlichen Mauer des Hofes liegen nach gut einer Stunde ununterbrochener Sturm-Angriffe über 1.500 Tote und Schwer-Verwundete, und einigen Quellen nach hat Prinz Jérôme sein sonst heiteres Gemüt – "… morgen wieder lustig?" – weitestgehend verloren. Zwar war es einigen Männern gelungen, das südliche Tor durch zwei oder drei gezielte Schüsse einer endlich eingetroffenen leichten Feld-Kanone in der Art zu beschädigen, dass ein größerer Stoß-Trupp in den Hof stürmen konnte, doch wurden diese Mannschaften gleich den Soldaten, die im Verlauf der Kämpfe durch ein kleines Tor in der West-Mauer in die Gärten eindringen konnten, von den Verteidigern gnadenlos getötet oder in die Flucht geschlagen.


"Hougoumont"

Gemälde von Mark Churms in der eigenen externer Link Online-Galerie.


"Nassau troops at Hougoumont"

Die Nassauer im Kampf um die Gärten von Hougoumont.

Gemälde von Jan Hoynck van Papendrecht, in externer Link privater Sammlung.


Churms - Hougoumont

Papendrecht - Hougoumont

 

ca. 14:30 Uhr: II. Akt (3) - Angriff auf Hougoumont; "The Devil may care!".


Im Ergebnis des französischen Sturm-Angriffs steht das Château d'Hougoumont bald von drei Seiten unter Beschuss. Und obwohl vor den Mauern inzwischen Hunderte Tote und Verwundete liegen, formieren die Franzosen immer wieder neue Angriffs-Wellen. Zwar können die Versuche, die Angriffe weiter in Richtung Norden zu treiben, bislang verhindert werden, doch haben viele der Verteidiger auf den Mauern und hinter den Schieß-Scharten bereits die zusätzlich verausgabten Munitions-Rationen verschossen bzw. die Zweit-Ausstattung angerissen. Auch die im Schloss-Gebäude eingelagerten Reserven schwinden. Gelingt es den Franzosen, Hougoumont auch von der Nord-Seite einzuschließen, ist auch das Nord-Tor und damit die einzige sichere Zufahrt und Verbindung zur alliierten Linie abgeschnitten.

Ein Umstand, der Fähnrich Berkeley Drummond, Adjutant der "Scots Guards" in Hougoumont, ernsthafte Sorge bereitet.

Der Überlieferung nach trifft Drummond bei seinem Versuch, den drohenden Not-Stand abzuwenden und Nachschub zu beschaffen, auf Joseph Brewster, Gefreiter im "Royal Waggon Train", der mit seinem Tumbril – ein einachsiger Kasten-Karren mit zwei Zug-Pferden – direkt hinter dem westlichen Ausläufer des Höhen-Kamms in Bereitschaft steht. Der Kasten hat einige Tausend Schuss Musketen-Munition für die 2te Brigade der britischen Garde-Division am westlichen Flügel der Verbündeten geladen, der neben den "Coldstreamers" auch die "Scots Guards" in Hougoumont; angehören. Die Pferde vor dem Munitions-Karren sind ausgeruht, Joseph Brewster ein mutiger Mann, dem die strategische Bedeutung des Chateaus bewusst ist. Die Frage der Eigentums-Verhältnisse -, die Klärung der Zuständigkeiten und entsprechenden Hierarchien, löst er angesichts der Notlage mit den Worten: "Das wird vielleicht den Teufel interessieren!"

Kurzentschlossen lenkt er Pferde, Wagen und Ladung vom Kamm hinunter in den Hohl-Weg, dann – unter zunehmenden Beschuss französischer Tirailleurs – über den ungedeckten Feldweg hin zum Chateau und schließlich – verfolgt von französischer Kavallerie – durch das Nord-Tor von Hougoumont. Die französische Kavallerie, Lanciers und Jäger zu Pferd des II. Corps unter General de Piré, versuchen zwar noch eine Attacke auf den rechten (westlichen bzw. britischen) Flügel hinter Hougoumont, werden jedoch von Byng´s Garde-Brigade abgewehrt.


"Coldstreamers defending the Gate of Hougoumont Château at the Battle of Waterloo"

Gemälde von Ernest Crofts im externer Link »The Guards Museum« (Wellington Barracks, London, UK).


"Private Brewster of the Royal Wagon Corps supplying fresh Ammunition to the Defenders of Hougoumont."

Aquarell von Charles C. Stadden.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Charles & Andrew C Stadden.


Crofts - Hougoumont

Stadden - Private Brewster

"Royal (Coldstream) Guard"

Das mit Patent vom 23. August 1650 unter Oliver Cromwell von Colonel George Monck aus Abgaben anderer Einheiten in Schottland formierte Regiment zu Fuß verdiente sich seinen Titel Anfang des Jahres 1660: Mit dem Ausbruch neuerliche Krawalle zwischen Royalisten und Parlamentariern sammelte Monk um das kleine Örtchen Coldstream eine Streitmacht von rund 7.000 "Guards", mit denen er am 1. Januar 1660 die schottisch-englische Grenze überschritt und am 3. Februar in London einzog. Seine disziplinierten Soldaten hatten die Stadt nach wenigen Tagen unter ihrer Kontrolle; Parlament und König wurden zur Verständigung gezwungen und die parlamentarische Monarchie war gerettet.

Bei Waterloo standen die "Coldstreamers" in Byng´s Garde-Brigade am Rand des rechten (westlichen) Flügels und damit direkt hinter dem Château d'Hougoumont, dessen Gebäude von den leichten Kompanien der Garde verteidigt wurden.


Illustration von Dmytro Zgonnik.

Bildquelle: ► Blog von Dmytro Zgonnik.




Zgonnik - Coldstreamers

 

ca. 15:00 Uhr: II. Akt (4) - Angriff auf Hougoumont; " … hold this position whatever the cost!"


Der Angriff auf Hougoumont – eigentlich als Täuschungs-Manöver gedacht, der Wellington verleiten sollte, die Flügel oder das Zentrum seiner Aufstellung auszudünnen, um seine westliche Flanke halten zu können – verwickelt nach und nach mehr und mehr Regimenter und Einheiten des II. französischen Corps in das Geschehen und erreicht damit genau das Gegenteil von dem von Napoleon beabsichtigten Effekt. Und angesichts der Entwicklungen auf dem östlichen Schauplatz der Schlacht (etwa zu diesem Zeit-Punkt enden dort die äußerst verlustreichen Angriffe des I. Corps unter Marschall d’Erlon und die Kämpfe der verfeindeten Kavallerie-Verbände) beginnt es Napoleon an Linien-Infanterie zu mangeln. Da der hinter dem Château verlaufende Hohl-Weg jedoch auch die Möglichkeit bietet, die alliierten Stellungen mit einem schnellen Angriff der leichten Kavallerie von der Rück-Seite her aufrollen und damit ebenfalls in Wellingtons Zentrum eindringen zu können, gibt Napoleon General Reille die Order, die Infanterie-Divisionen des II. Corps zurückzunehmen. Gleichzeitig erteilt er den nächst-stehenden Batterien seiner Artillerie den Befehl, sämtliche vorhandenen Haubitzen zur Bildung einer operativen Batterie herauszuziehen und die Gebäude Hougoumonts zusammen mit den beiden berittenen Artillerie-Kompanien von Kellermanns Kavallerie-Corps sturm-reif zu schießen. Hougoumont erhält damit den Status einer Schlüssel-Stellung, die über Sieg und Niederlage entscheiden kann, und Napoleon gibt nun auch die 5te Division des II. Corps unter General Joseph Bachelu frei (insgesamt werden in die Kämpfe um Hougoumont dreiunddreißig französische Infanterie-Bataillone bzw. über 14.500 französische Soldaten des II. Corps hineinbefohlen; angesichts der rund 1.500 alliierten Verteidiger ein Verhältnis von 10 zu 1).


"French Imperial Guard Horse Artillery" (Berittene Artillerie der Kaiser-Garde; 1812-1815).

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.


Rava - Guard Horse Artillery

Angesichts der immer intensiveren Angriffe auf Hougoumont und der wachsenden Bedrohung der rechten (westlichen) Flanke leitet Wellington nach 15:00 Uhr eine Reihe von Truppen-Verschiebungen ein, die jedoch nicht – wie von Napoleon erhofft – die Linien im Zentrum oder an den Flügeln ausdünnen, sondern die – vor Napoleon bislang verborgenen – Reserven betreffen. Luitenant-Generaal Baron David Hendrik Chassé, Kommandeur der 3ten niederländischen Infanterie-Division, die etwa zwei Kilometer nord-westlich von Hougoumont nahe Braine l’Alleud in Reserve steht (und niederländischen Quellen nach mit einem reichlichen Vorrat von Bier und Branntwein beschäftigt ist), erhält den Befehl, mit den knapp 7.000 Mann seines Verbandes umgehend die 2te (britisch-hannoversche) Division von General Sir Henry Clinton zu verstärken, die in zweiter Reihe hinter Byng´s Garde-Brigade einen etwa 500 Meter langen Abschnitt entlang der Chaussee von Mont St. Jean in Richtung Nivelles und damit praktisch das Einfalls-Tor hinter die alliierten Linien deckt.


Teil der Division Chassé ist auch die "Batterij rijdende Artillerie", die von Kapitän Krahmer de Bichin kommandiert wird. Die Karriere des aus dem Fürstentum Waldeck-Pyrmont stammenden Karl Friedrich Krahmer ist bespielhaft für viele Deutsche in der Zeit der Napoleonischen Kriege: Begeistert von den Idealen der französischen Revolution war Krahmer im Jahr 1804 bzw. im Alter von 17 Jahren als Kadett in die Armee der Batavischen Republik eingetreten. Diese Republik war 1795 aus den Vereinigten Niederlanden hervorgegangen, die noch während des Ersten Koalitions-Krieges auf der Seite der Alliierten gegen Frankreich standen. Im Jahr 1806 schloss der "Staat von Holland" mit dem französischen Kaiser-Reich dann einen Bündnis-Vertrag, in dessen Ergebnis die Republik zum König-Reich und Napoleons Bruder Louis Bonaparte zum Monarchen erklärt wurde.


Karl Friedrich Krahmer, inzwischen zum "Tweede Luitenant" der Artillerie befördert, fand sich als Offizier der königlich-holländischen Armee wieder; wurde hier 1808 "Derde Luitenant" und 1813 – nachdem das holländische König-Reich mit Dekret vom 9. Juli 1810 von Frankreich annektiert und die holländische Armee in die Grande Armée eingegliedert worden war – Capitain im "9e Régiment d'artillerie à pied". In Dresden 1813 gefangen genommen und in Ungarn inhaftiert, wurde Krahmer nach der Neu-Konstituierung der Vereinigten Niederlande aus österreichischer Kriegs-Gefangenschaft entlassen und kehrte Anfang 1814 als Hauptmann in die Dienste der niederländischen Artillerie zurück. Mit der Schaffung des König-Reichs der Vereinigten Niederlande im März 1815 wurde Krahmer in die belgische Artillerie versetzt und übernahm hier das Kommando über die kombinierte 7te und 8te Kompanie der (vormals französischen) Artillerie zu Pferd, von deren Angehörigen zwischen Mai und Juni 1815 jedoch beinahe die Hälfte – samt Geschützen, Pferden und Gespannen – desertierten.


Bei Waterloo stellt Krahmers Batterie die Divisions-Artillerie der Division Chassé und deckt an deren Seite die Flanke der alliierten Aufstellung bei Braine l’Alleud. Gegen 15:15 Uhr fahren die acht Geschütze der Batterie – sechs 6-pfündige Kanonen und zwei 24-pfündige Haubitzen – entlang der Chaussee auf. Mit seinem Säbel weist Krahmer den einzelnen Geschützen bzw. deren Bedienungen die jeweiligen Stellungen zu, die nach dem Abprotzen sofort das Feuer der französischen Artillerie gegen Hougoumont erwidern.


"De batterij Krahmer de Bichin" - Die Batterie Krahmer de Bichin.

Gemälde von Jan Hoynck van Papendrecht im externer Link »Nationaal Militair Museum« (Soest, NDL).


Papendrecht - Batterie Krahmer

Von Brand- und Spreng-Granaten getroffen, stehen gegen 15:30 Uhr einige der Hof-Gebäude samt dem Herren-Hauses von Hougoumont in Flammen. Auch der Wald hat Feuer gefangen. Wellington, der die Gefahr erkennt, sendet eine Nachricht an Lieutenant-Colonel Francis Hepburn; Kommandeur des 2ten Bataillons der "Scots Guards" und infolge des verwundeten Lieutenant-Colonels Macdonnell zu dieser Zeit befehlshabender Offizier vor Ort: Inständig bittet er Hepburn, Hougoumont so lange zu halten, wie es möglich ist, und wenn es geht, noch aus den Ruinen heraus Widerstand zu leisten. Sicherheitshalber zieht Wellington die vier Bataillone der 1ten Brigade (King's German Legion) aus ihrer Reserve-Stellung am äußersten Rand des rechten Flügels vor und erteilt dem Kommandeur der Einheit – Oberst-Leutnant Carl August du Plat – den Befehl, die Verteidigung des Hohl-Weges nach Hougoumont vorzubereiten und sich bereit zu halten, bei Bedarf auch die Verteidiger des Guts-Hofes zu verstärken. Den gleichen Befehl erhält General Frederick Adam, Kommandeur der 3ten (britischen) Brigade, die vom 52ten (Oxfordshire) -, dem 71ten (Glasgow Highland Light) Infanterie-Regiment und fünf Bataillonen des 95ten Regiments gestellt wird (wobei die "Rifles" des 95ten an den jeweiligen Brenn-Punkten der Schlacht zum Einsatz kommen).

Tatsächlich werden beide Verbände kurze Zeit später von Patrouillen des 15ten (The King's) Regiments leichte Dragoner alarmiert, die vor der äußersten westlichen Flanke der alliierten Stellung herumstreifen und hinter dem Wald von Hougoumont einen größeren Verband der französischen Kavallerie ausgemacht haben, der sich schnell nähert. Hierbei handelt es sich sehr wahrscheinlich um die Lanciers und Jäger zu Pferd der Kavallerie des II. Corps unter General de Piré, der die Möglichkeiten für eine Umgehung oder einen Angriff auf die rechte Flanke der Alliierten sowie die Verhältnisse auf der Land-Straße von Nivelles zur Kreuzung von La Haye Sainte erkunden will. Da inzwischen aber auch die ebenfalls am rechten Flügel in Reserve gehaltene 3te (hannoversche) Brigade unter Lieutenant-Colonel Hugh Halkett hinter den Einheiten du Plats und Reynells eingeschwenkt ist, wird der Zugang zum Hohl-Weg von gut 6.000 alliierten Infanteristen bzw. fast der gesamten 2ten Division unter General Sir Henry Clinton gedeckt, der die leichten französischen Reiter mit einigen Salven seiner Artillerie begrüßt.

Auch ein zweiter und dritter Angriff – diesmal mit Unterstützung der Infanterie des II. Corps – werden erfolgreich abgewehrt.


Mit dem Eintreffen der Masse der preussischen Armee am östlichen Rand des Schlacht-Feldes gegen 16:30 Uhr und der Verlegung der französischen Haubitzen endet das Bombardement von Hougoumont. Außer einer kleinen Kapelle in der Mitte des Hofes brennen sämtliche Gebäude, und Prinz Jérôme ist der Überzeugung, dass kaum einer der Verteidiger den Granaten-Beschuss und die Flammen-Hölle überlebt haben dürfte und er das Gut endlich einnehmen kann. Verstärkt um die beinahe 5.000 Mann der 9ten französischen Infanterie-Division unter General Maximilien Sebastien Foy befiehlt er den finalen Angriff. Als den Franzosen diesmal die Erstürmung des mittlerweile vollkommen zerschossenen Gartens gelingt, will Prinz Jérôme bereits eine Sieges-Meldung an seinen Bruder senden, doch sein Entsetzen ist groß, als überall in den Ruinen vollkommen verdreckte und verrußte Gestalten auftauchen, die die Angreifer sofort unter Feuer nehmen, wieder aus dem Garten zurückwerfen und … sogar zum Gegen-Angriff übergehen.


Die Kämpfe um Hougoumont enden gegen 20:00 Uhr. Im Verlauf der über sieben Stunden währenden Angriffe verloren Schätzungen zufolge mehr als 5.000 - andere Quellen nennen bis zu 8.000 – französische Soldaten ihr Leben; auf Seiten der Verteidiger, die hier neben zwei Fahnen auch 15 Geschütze erbeuteten, starben rund 1.500 Briten, Hannoveraner und Nassauer.


"Attack on Hougoumont"

Gemälde von Ernest Croft, lt. externer Link Wikimedia im »Victoria and Albert Museum« (London, UK).


"The French assault on Hougoumont."

Gemälde von Jason Askew im externer Link Atelier des Künstlers (Windsor, West Berkshire, UK).


"Deeds of british Heroism." - Attack on Hougoumont and the Burning of the Farmhouse.

Post-Karte nach einem Motiv von Robert Alexander Hillingford von »Tuck´s Post Card«.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Defence of the Chateau de Hougoumont by the flank Company, Coldstream Guards"

Gemälde von Denis Dighton im externer Link »National Army Museum« (London, UK).


"The light companies of the Coldstream and 3rd Foot Guards at Hougoumont."

Illustration von Gerry Embleton für »Waterloo 1815« von John Franklin; Osprey Publishing, 2014.


"French incursion into the orchard of Hougoumont - counter attack of British Foot Guards and Hanoverian Jagers."

Entwurf für ein Gemälde von Jason Askew auf externer Link »facebook«.


"The Light Companies of the 2nd & 3rd Battalions of the First Guards, under command of Lieut-Colonel The Lord Saltoun, repelling the French attacks on Hougoumont during the Battle of Waterloo."

Chromolithographie von Richard Simkin.

Bidquelle: ► »TimeLife-Collection/Google ArtsCollection«.

Crofts - Attack on Hougoumont

Askew - Closing the Gates

Tucks - Attack on Hougoumont

Dighton - Defence of … Hougoumont

Embleton - The light companies … at Hougoumont

Askew - … the orchard of Hougoumont

Simkin - … French attacks on Hougoumont
 

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ca. 13:00 Uhr: III. Akt (1) - Ney führt den Angriff des I. Corps unter Marschall Drouet d’Erlon


Nach etwa 90 Minuten Bombardement der britischen Linien ist Napoleon der Überzeugung, dass das britische Zentrum auf den Höhen von Mont St. Jean erheblich geschwächt sein dürfte. Zwar geht er davon aus, dass Wellington hinter dem Höhen-Kamm noch einige Reserven versteckt hält, doch spricht er den Verbündeten keinen großen Zusammenhalt zu und setzt darauf, dass sich Nassauer, Braunschweiger und Hannoveraner nicht unbedingt für die Interessen eines erst vor wenigen Wochen vom Wiener Kongress zwangs-vereinigten wallonisch-niederländischen König-Reiches schlagen werden. Auch spricht er der englisch-schottisch-irischen Armee wenig Kampf-Kraft zu und hält Wellington für einen "Dandy".

Gegen 13:00 Uhr erhält Marschall Ney den Auftrag, die rund 20.000 Mann des I. Corps unter Marschall Drouet d’Erlon gegen das alliierte Zentrum und den überwiegend von den Briten und Niederländern gestellten linken (östlichen) Flügel zu führen, die Linien zu durchbrechen und von den so geschaffenen Flanken aufzurollen.

Um diesen Befehl schnell erfüllen zu können, lässt Ney die sechzehn Infanterie-Regimenter des I. Corps aus ihrer Aufmarsch-Stellung auf dem Höhen-Kamm östlich von Belle Alliance kolonnen-weise abrücken, den Hang hinab-marschieren und aus der Bewegung – für diese Zeit vollkommen ungewöhnlich – vier massive Schlacht-Haufen formieren, die jeweils etwa einhundert Mann in der Front und rund fünfzig Mann in der Tiefe stellen und samt den Abständen, die für die reitende Artillerie oder die Kavallerie vorgesehen sind, eine Front von etwa 800 bis 1.000 Metern einnehmen. Plan ist es, dass die französischen Schlacht-Haufen mit voller Wucht die rund 6.000 Mann der auf dem vorderen Hang von La Haye Sainte in erster Linie stehenden 1ten niederländischen Brigade unter General-Major Willem Frederik van Bylandt überrennen, sich dann nach links bzw. rechts wenden und mit so formierter neuer Front gegen die auf beiden Seiten flankierenden britischen Brigaden Kempt und Pack drängen, die anschließend – sofern nicht in die Flucht gejagt – von den hinter der französischen Infanterie aufgerittenen schweren französischen Kavallerie-Corps Milhauds und Kellermanns zerschlagen werden. Dass die Brigaden Kempt und Pack jedoch nur Teile der im toten Winkel hinter dem Kamm von La Haye Sainte liegenden britisch-hannoverschen Truppen unter Sir Thomas Picton sind, die die zweite alliierte Linie bilden, scheint in diesen Planungen ebenso wenig Berücksichtigung gefunden haben, wie der Umstand, dass die von Wellington gewählte Defensiv-Stellung vom Hohl-Weg von Ohain gedeckt wird, der sich – wie ein Burg-Graben – hinter der vorgelagerten Anhöhe entlang zieht.

Gegen 13:15 Uhr sind die Schlacht-Haufen formiert, und Napoleon verlegt seinen Beobachtungs-Posten von Rosomme gut einen Kilometer vor zum Hof von Belle Alliance. Fragwürdig, aus welchen Gründen er die von Ney befohlene Angriffs-Ordnung nicht korrigieren lässt und zuschaut, wie seine Soldaten wie Schießbuden-Figuren gegen die gut gedeckten Linien der Alliierten aufmarschieren.


Zum "Marsch des Trajan", den die vereinten Musik-Kapellen intonieren, beginnt kurz vor 14:00 Uhr der Angriff…


"Angriff des Corps d’Erlon."

Marschall Ney an der Seite der 2ten Brigade unter General Charles-Francois Bourgeois im Vormarsch auf die Höhen von Mont St. Jean.

Ausschnitt aus dem 3D-Gemälde "Waterloo" von José Ferre-Clauzel.

Bildquelle: ► »Waterloo-Collection« von José Ferre-Clauzel.


"French Infantry Command Group"

Illustration von Alexander Yuryevich Awerjanow für »Zvezda«-Modell-Figuren.


"French Napoleonic Line Infantry 1812-1815"

Illustration von Peter Dennis für »Perry Miniatures«-Modell-Figuren.


"French Line Infantry" (Fusiliers Marching 1815; D'Erlon's attack)

Illustration von Giuseppe Rava für »Waterloo 1815«-Modell-Figuren.


"French Line Fusiliers"

Illustration von Giuseppe Rava für »HäT«-Modell-Figuren.


"French Line Infantry" (nach 1812)

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.

Bildquelle(n): ► Giuseppe Rava auf »facebook«.


"The Dutch-Belgian Infantry at the Battle of Waterloo"

Illustration von Brian Palmer für »A Call To Arms«-Modell-Figuren.


Clauzel - Waterloo

Awerjanow - French Infantry

Dennis - French Infantry

Rava - French Line Infantry

Rava - French Line Infantry

Rava - French Line Infantry

Palmer - Dutch-Belgian Infantry

 


ca. 13:30 Uhr: III. Akt (2) - Ney führt den Angriff des I. Corps unter Marschall Drouet d’Erlon


Mit einem Abstand von nur drei Schritten zwischen den in zwei Gliedern aufmarschierten Kompanien und fünf Schritten zwischen den einzelnen Bataillonen bieten die vier französischen Schlacht-Haufen beste Ziele für die alliierte Artillerie. Die verheerende Wirkung der Einschläge beschreiben Erckmann und Chatrin in ihrer 1865 veröffentlichten Erzählung »Waterloo«: "… Nur dass die Kugeln statt zwei immer acht Mann wegrissen, die Hintenstehenden nicht schießen konnten, weil die vorderen Glieder ihnen im Weg standen, und wir auch keine Karrees formieren konnten. Das hätte man sich vorher überlegen müssen; aber die Begierde, die englischen Linien zu durchstoßen und sofort zu siegen, war zu groß."


"Royal Artillery at Waterloo"

Illustration von Dan HorseChief für »Victrix«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Dan HorseChief.


"Waterloo"

Die Schützen des 95ten Regiments (Rifles) sind an sämtlichen Brenn-Punkten der Schlacht von Waterloo präsent. Anfänglich in den dichten Feldern und in der Deckung der Hecken-Büsche auf der den alliierten Stellungen terrassen-artig vorgelagerten Anhöhe von La Haye Sainte beidseits der Straße nach Brüssel postiert, nehmen die Männer bevorzugt die französischen Offiziere aufs Korn…

3D-Gemälde von José Ferre-Clauzel.

Bildquelle: ► »Waterloo-Collection« von José Ferre-Clauzel.


HorseChief - Royal Artillery

Clauzel - Waterloo

Die Truppen marschieren die sanft abfallende Höhe hinab in die Ebene des ausgedehnten Getreide-Feldes, dessen morastiger Boden das Vorankommen noch mehr erschwert, entsprechend verlangsamt und im Feuer der alliierten Artillerie enorme Verluste zur Folge hat. In der Ebene angekommen, schwenken die über 2.000 Mann der 1ten Brigade der 1ten Division unter General Joachim Jérôme Quiot auf die Straße nach Brüssel. Die beiden Regimenter der Brigade des Colonels Claude Charlet – das 54e und 55e Régiment de Ligne – formieren mit dem Marsch-Ziel auf das Gut von La Haye Sainte zwei Sturm-Kolonnen, die die Befestigungen des Hofes gleichzeitig von der Ost- und West-Seite stürmen sollen. Am härtesten umkämpft ist der Bereich vor dem Hof-Tor, dessen Tor-Flügel nach etwa zwanzig Angriffen in der Art zerschossen sind, dass "… die Torplanken mehr aus (Einschuss-) Löchern als aus Holz bestanden".

Kurz nach 13:30 Uhr gelingt den Voltigeuren der Einbruch in den Obst-Garten; dicht gefolgt von einer ganzen Bataillons-Kolonne, deren Mannschaften sich bald in der vermeintlichen Deckung der kleinen Obst-Bäumchen vor dem Büchsen-Feuer drängen, das ihnen ununterbrochen aus der vor ihnen liegenden Scheune entgegenschlägt. Der Pulver-Rauch steht bald so dicht, dass die Franzosen die nahe Scheune -, die Hannoveraner den Garten nicht mehr ausmachen können.

Gegen 14:00 Uhr (etwa zeit-gleich mit dem Beginn des lokaler Link Gegen-Angriffs der alliierten Kavallerie) befiehlt Carl von Alten, Kommandeur der 3ten alliierten Division im Korps des Prinzen von Oranien, den rund 620 Soldaten und Offizieren des leichten Battalions Lüneburg unter Oberst-Leutnant August von Klencke sowie die beiden Kompanien von Gilsa und Marszalek des 1ten leichten (Rifles-) Bataillons unter Oberst-Leutnant Louis von dem Bussche zum Entlastungs-Angriff. Angesichts der bald darauf zurückweichenden französischen Infanterie schließen sich auch die Verteidiger von La Haye Sainte dem Angriff an, und entgegen von Altens Befehl nehmen die hannoverschen Bataillone gemeinsam die Verfolgung der fliehenden Franzosen auf. Die unzähligen Kürasse, die etwa gegen 14:15 Uhr aus Richtung La Belle Alliance blitzen, nehmen die Schützen zu spät war: Zwar kommen die gut 800 Kürassiere des Général de Brigade Jacques-Charles Dubois aufgrund des durchweichten Bodens nur langsam voran, aber sie nähern sich stetig. Doch anstatt ein Karree zu formieren, wenden sich nun die hannoverschen Infanteristen zur Flucht und versuchen von Panik getrieben den schützenden Höhen-Kamm vor Mont St. Jean zu erreichen. Viele werden abgeschlachtet, auch von Klencke wird von seinem Pferd gehauen und schwer verwundet von den Kürassieren zu Tode getrampelt. Andere schaffen es, sich zurück hinter die Mauern von La Haye Sainte zu retten, dessen Garten zwischen 14:30 und 14:45 Uhr von der nachstürmenden französischen Infanterie zurückerobert wird.

Gegen die Schützen hinter den Mauern von La Haye Sainte können Dubois´ Kürassiere nichts ausrichten. Der Reiter-General überlässt Charlet´s Infanterie die Eroberung des Guts-Hofes und lenkt seine Kürassiere westlich an La Haye Sainte vorbei in Richtung des westlich der Chaussee gelegenen und nur knapp 400 Meter entfernten Zentrums der Alliierten, das – nachdem bereits das Lüneburger Bataillon zusammengehauen und niedergeritten war – von nur noch vier Bataillonen der hannoverschen Brigade unter General-Major Friedrich von Kielmansegg gedeckt wird. Die Aussicht auf den scheinbar zum Greifen nahen Durchbruch samt einhergehenden Sieg wird jedoch auf halben Weg von einer verheerenden Salve der beiden Batterien der hannoverschen Korps-Artillerie und der rechtzeitig eintreffenden Batterie der Royal Horse Artillery (RHA) unter Lieutenant Colonel Dalrymple Ross vernebelt, deren Kartätschen-Ladungen im nächsten Moment auf die Kürassiere niedergehen. Zwei kurz darauf aus nur noch 150 bzw. 100 Metern gefeuerte Salven der Bataillone Verden und Bremen stoppen die Attacke endgültig. General Dubois, der sich aufgrund einer Verwundung nur noch mühsam im Sattel halten kann, versucht zwar noch einmal, seine Kürassiere zu sammeln, doch werden die Vorbereitungen zu einer zweiten Attacke von der Household Cavalry zunichte gemacht, deren Regimenter gegen 14:45 Uhr den Rückzug eingeleitet haben und nun wieder auf ihre zu Schlacht-Beginn zugewiesenen Positionen zurückkehren.

Mit dem etwa zur gleichen Zeit eingeleiteten allgemeinen Rückzug von d'Erlons Corps geben auch die Franzosen vor, um und in La Haye Sainte den Angriff auf und ziehen sich – erneut verfolgt von einigen Hannoveranern – kämpfend in Richtung La Belle Alliance zurück.


"Die Schlacht bei Belle-Alliance"

Sturm der Franzosen auf das von dem 2ten leichten Bataillon der englisch-deutschen Legion unter Baring verteidigte Gehöft La Haye Sainte.

Illustration von Prof. Richard Knötel aus der Serie »Unser Vaterland in Waffen«.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Auf den Mauern von La Haye Sainte"

Gemälde von Pamela Patrick White.

Bildquelle: ► Online-Galerie von Pamela P. & Bryant White.


"Angriff auf La Haye Sainte."

Gemälde von Pamela Patrick White.

Bildquelle: ► Online-Galerie von Pamela P. & Bryant White.


"Hannover. Englisch-Deutsche Legion (KGL - Kings German Legion). 2tes leichtes Bataillon: Hornist, Offiziere, Gemeiner und Büchsenschütze."

Tafel 46 aus Band XV. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Hannover. Leichtes Bataillon Lüneburg. Soldaten und Offiziere zwischen 1813 und 1814."

Tafel 55 aus Band XVII. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"The Defence of La Haye-Sainte"

Illustration von Chris Collingwood.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Chris Collingwood auf »facebook«.


"L'attaque de la ferme Haye Sainte"

Illustration von Chris Collingwood.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Chris Collingwood auf »facebook«.


Knoetel - La Haye Sainte

White - La Haye Sainte

White - La Haye Sainte

Knötel - Uniformenkunde

Knötel - Uniformenkunde

Collingwood - Defence of La Haye-Sainte

Collingwood - L'attaque

Ein ähnliches Manöver wie vor dem Gut von La Haye Sainte vollzieht sich etwa zur gleichen Zeit auf dem rechten Flügel der französischen Front; hier sind die Guts-Höfe Papelotte, La Haie und Frichermont sowie das nahe Dörfchen Smouhen Ziel der 2ten Brigade der 4ten Division unter General Pierre François Joseph Durutte. Diese Ortschaften sind vom 1ten und 3ten Bataillon des 2ten nassauischen Infanterie-Regiments unter dem Befehl des Prinzen von Sachsen-Weimar sowie den leichten Kompanien der 2ten niederländischen Brigade unter Colonel Friedrich von Goedeck besetzt, die hinter Bäumen und Busch-Werk, Garten-Mauern und in den Gehöften gute Deckung haben und die ausschwärmenden französischen Voltigeure des 85ten und 95ten französischen Linien-Regiments sofort unter gezieltes Feuer nehmen. Doch entgegen den mörderischen Sturm-Angriffen, die sich vor Hougoumont und um La Haye Sainte entwickeln, hat Général Jean-Louis Brue, Kommandeur der 2ten Brigade, offenbar nicht den Wunsch, sich und die insgesamt rund 1.800 Mann der beiden ihm unterstehenden Linien-Infanterie-Regimenter auf dem "Feld der Ehre" zu opfern, denn "… gewiß ist, daß die Franzosen hier nie gegen die eigentliche Stellung vordrangen, sondern es bei einem stehenden Feuergefechte bewenden ließen", wie Clausewitz das Geschehen am östlichen Rand des Schlacht-Feldes in seiner Analyse des Feld-Zuges von 1815 beschreibt. Auch die Niederländer berichten, dass sich die insgesamt vier Bataillone zwar in Linien entfalten und ein heftiges Salven-Feuer beginnen, wohl aber bedacht sind, dabei nicht in die effektive Reich-Weite der Verteidiger in den Dörfern zu geraten (womit aber auch das Feuer der Franzosen mehr Theater-Donner als ein offensiv geführtes Feuer-Gefecht ist, was sicher auch begründet, dass diese Szene der Schlacht in der Kriegs-Geschichte kaum Erwähnung findet).

Das Geplänkel zieht sich etwa zwei Stunden hin und endet mit der Ankunft des IV. preussischen Korps unter General von Bülow, der seine Truppen gegen 16:30 Uhr bei Frichermont aufmarschieren lässt und noch aus der Bewegung den – in diesem Fall ernsthaften – Angriff befiehlt.


"Soldaat van het Regiment Oranje-Nassau No. 28" (Soldat vom Regiment Oranien-Nassau No. 28 um 1815)

Uniformen-Studie von Jan Hoynck van Papendrecht im externer Link »Musée royal de l'armée des Pays-Bas« (Delft, NDL).


"Niederlande. Jäger der leichten (belgischen) Infanterie um 1815."

Aquarellierte Zeichnung von Herbert Knötel (der Jüngere) für »Napoleonic Uniforms« von John R. Elting (Macmillan Publishing Company; 1993).

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


Papendrecht - Regiment Oranje-Nassau

Knötel d.J. - leichte ndl.-belg. Infanterie

 

ca. 14:00 Uhr: Die Preussen kommen.


… bereits eine Stunde nach dem ersten Kanonen-Schuss war Napoleon von kollaborierenden Einwohnern informiert worden, dass sich aus nord-östlicher Richtung größere Truppen-Kontingente nähern. Gegen 14:00 Uhr sind diese Bewegungen auch von der Höhe von Belle Alliance zu erkennen, und Napoleon, der seinen Beobachtungs-Posten von Rosomme zwischenzeitlich auf diese Anhöhe vorverlegt hat, richtet sein Fern-Rohr in Richtung des Horizonts, kann aber außer einer Staub-Wolke nichts erkennen und wendet sich an seinen Stabs-Chef: "Soult, was sehen Sie bei Chapelle-Saint-Lambert?"

Soult und die anwesenden Generalstabs-Offiziere richten ihre Fern-Rohre in östliche Richtung, können sich jedoch nicht einigen, ob in der verschwommenen Ferne Bäume oder Soldaten stehen.

"Vier- bis fünftausend Mann, Sire.", glaubt Soult zu erkennen und beruhigt: "Marschall Grouchy!"

Der Kaiser entspannt sich. Aus dieser Richtung erwartet er das III. und IV. Corps seines Marschalls Grouchy, dem er nach der Schlacht von Ligny den Auftrag erteilt hatte, die Preussen mit rund 33.000 Mann und 96 Geschützen zu verfolgen. Auch werden sämtliche Wege aus Richtung Osten von Husaren des 7ten französischen Husaren-Regiments gesichert.

Am frühen Nachmittag wird er auf eine größere Kolonne heranmarschierender Truppen aufmerksam gemacht, die sich in etwa acht bis 10 Kilometer Entfernung hinter einem als Wald von Paris bezeichneten Gebiet auf seinen linken Flügel zubewegt. Napoleon entsendet einige seiner Garde-Jäger zu Pferd, die ihm Klarheit verschaffen und Grouchy zur Eile mahnen sollen…

Gegen 14:30 Uhr erhält Napoleon die Nachricht, dass es sich bei den aus nord-östlicher Richtung heranrückenden Truppen um etwa 8.000 Preussen handelt. Ihnen folgen etwa 30.000 Mann, deren Zugehörigkeit noch nicht festgestellt werden konnte. Napoleon ist sich jedoch sicher, dass es sich hierbei nur um die Grouchy unterstellte Streit-Macht handeln kann. Fraglich ist, ob er seine versammelten Stabs-Offiziere bewusst belügt oder sie motivieren will, als er ihnen verspricht: "Voici Messieurs, Grouchy qui nous arrive!"


"Napoleon und sein Stab"

Gemälde von Ernest Crofts; lt. externer Link »artnet« im Privat-Besitz.


"Napoleon's General Staff at Waterloo"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava.

Crofts - Napoleon

Rava - Napoleon's General Staff
 

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ca. 14:00 Uhr: IV. Akt (1) - Angriff der 1st (Household) Cavalry- und der 2nd (Union) -Brigade.


Kaum hat sich der Pulver-Rauch der alliierten Artillerie etwas verzogen, sehen sich die zerschossenen Formationen des I. Corps unter den Marschällen Ney und Drouet d’Erlon der schweren britischen Kavallerie gegenüber. Wellington hat seinem Kavallerie-General Henry William Paget, auch bekannt als Earl of Uxbridge, befohlen, die Gelegenheit zu nutzen und die in dritter Linie beidseits der Straße nach Brüssel positionierten Regimenter der 1st (Household) Cavalry- und der 2nd (Union) -Brigade vorzuziehen und gegen die in Unordnung geratenen französischen Kolonnen zu führen. Bis auf die knapp 400 Mann des 2ten Dragoner-Regiments ("Royal Scots Greys"), die Wellington als Reserve zurückhält, traben drei Garde- und zwei Linien-Kavallerie-Regimenter mit insgesamt rund 1.600 Reitern – viele davon kampf-erfahrene Veteranen aus dem Halbinsel-Feldzug – gegen die sechzehn Regimenter d’Erlons vor dem Höhen-Kamm von Mont St. Jean an. Vergeblich versuchen die französischen Divisions-Generale Quiot und Donzelot, Marcognet und Durutte Karrees zu bilden und die eigene Kavallerie nach vorn zu bringen.

Wenige Minuten später sind die britischen Dragoner inmitten der gelichteten französischen Linien und beginnen ein blutiges Gemetzel.

Die beiden Regimenter der 2ten französischen Brigade unter General Bourgeois – das 28te und 105te Régiment de Ligne, soeben noch in mustergültiger Exerzierplatz-Ordnung, dann unter Führung Marschall Neys mit immer größeren Lücken – sehen sich den englischen 1st Royal Dragoons gegenüber, die im nächsten Augenblick zwischen den Doppel-Reihen sind. Die irischen Inniskillings treffen auf die beiden Regimenter der 1ten französischen Brigade unter Colonel Claude Charlet, dem es ebenfalls nicht gelingt, die vier dicht gedrängten Doppel-Reihen seiner Einheiten zu Karrees einschwenken zu lassen. Und als die beiden Brigaden der 1ten französischen Infanterie-Division schließlich den Rückzug einleiten, haben sich die ersten Reiter-Trupps bereits durch die Reihen gehauen und attackieren die Infanteristen von hinten.

Nachfolgende Schwadronen der Union-Brigade, die weiter westlich vorgerückt sind, treffen auf die beiden Brigaden der 2ten französischen Infanterie-Division unter Général François-Xavier Donzelot. Während die 2te Brigade unter General Aulard beinahe vollständig zerschlagen wird, gelingt den beiden Regimentern der 1ten Brigade unter Baron Nicolas Schmitz die Karree-Formation, die nicht nur den folgenden Kavallerie-Attacken standhält und effektiven Widerstand ermöglicht, sondern den Soldaten auch die Möglichkeit verschafft, um sich schießend langsam weiter vorzurücken und so eine Vielzahl ihrer Kameraden der verstreuten 2ten Brigade aufzunehmen und zu retten.


"Charge of the 1st Life Guards"

Chromolithograph nach einem Motiv von Henry Joseph Payne im externer Link »National Army Museum« (London, UK).


"Charge of the 6th (Inniskilling) Dragoons" (Union Brigade)

Aquarell von Brian Palmer.

Bildquelle: ► Prints & Paintings by Anthony Saunders.


"The 6th Inniskilling Dragoons..."

Aquarell von Richard Simkin in der externer Link »Anne S. K. Brown Military Collection« (Brown University Library, Providence, Rhode Island, USA).


"Charge Of the Inniskillings."

Gemälde von Jason Askew im externer Link Atelier des Künstlers (Windsor, West Berkshire, UK).


Payne - Life Guards

Palmer - Inniskillings

Simkin - 6th Dragoons

Askew - Inniskillings

Beavis - 1st Life Guards

Beavis - 2nd Life Guards

Wymer - The Blues

Stadler - 1st Dragoons

"Charge of the 1st Life Guards at Waterloo"

Gemälde von Richard Beavis, lt. externer Link »MutualArt« im Privat-Besitz.

"2nd Life Guards at Waterloo"

Gemälde von Richard Beavis, lt. externer Link »MutualArt« im Privat-Besitz.

"Royal Horse Guards" (c. 1815)

Aquarell von Reginald Wymer in der externer Link »Anne S. K. Brown Military Collection« (Brown University Library, Providence, Rhode Island, USA).

"A Private of the 1st or Kings Dragoon Guards" (c. 1815)

Handcolorierte Gravur von Joseph C. Stadler aus »Costumes of the Army of the British Empire« by Charles Hamilton Smith; Colnaghi & Co. (London, 1812-1815).

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

 

ca. 14:15 Uhr: IV. Akt (2) - Die Adler des Kaisers.


Den meisten Regimentern der französischen Armee war es nach der ersten Abdankung Napoleons am 6. bzw. 12. Mai 1814 gelungen, ihren vom Kaiser persönlich verliehenen "Adler" vor dem Zugriff der im Auftrag alliierter oder royalistischer Kontroll-Kommissionen herumstreifenden Agenten zu bewahren. Diese Stücke, die der Kaiser Mitte des Jahres 1812 eingeführt und ab 1813 verausgabt hatte, waren von den Feldzügen von 1813/14 schwer gezeichnet, zerschlissen und entsprechend unansehnlich. Mit Napoleons Rückkehr, der sämtlichen alten bzw. noch bestehenden Regimenter Anfang April 1815 auch ihre alten Nummern wieder übertrug, wurden diese Stücke von den Soldaten und Offizieren der jeweiligen Regimenter als ruhmreiche Symbole errungener Siege und vollbrachter Helden-Taten wieder voller Stolz entrollt, zeremoniell verehrt und ähnlich dem "Aedes" römischer Legionen (die sog. Fahnen-Heiligtümer, in denen der Adler einer Legion samt den Feld-Zeichen und Auszeichnungen der einzelnen Kohorten und Zenturien sowie erbeutete Waffen und Prunk-Stücke zur Schau gestellt wurden) präsentiert. Und obwohl die zwischen April und Mai 1815 verausgabten und bei Waterloo geführten Fahnen und Standarten samt dem darüber thronenden Adler bei weitem nicht so prächtig waren, wie die "Aigle impériale" aus den glorreichen Zeiten vor 1812 – in Russland wurden gemäß des Dekrets vom 1. März 1812 offiziell keine Adler geführt –, galt der Verlust eines kaiserlichen Adlers als größte Schande eines Regiments. Dementsprechend gaben Soldaten und Offiziere ihr Leben für die Verteidigung eines Adlers.


Im Verlauf von Ponsonbys Attacke auf das von Ney geführte I. Corps unter Drouet d’Erlon erbeuten die "1st Royal Dragoons" den Adler des "105e Régiment d’Infanterie"; kurz darauf gewinnen auch die "Scots Greys" den Adler des "45e Régiment d’Infanterie" (der noch heute im Edinburgh Castle zu besichtigen ist).

Nach der erneuten Restauration werden die kaiserlichen Adler weitestgehend vernichtet, so dass heute nur noch wenige Originale erhalten sind.


"L'infanterie française en carré contre la cavalerie britannique."

Aquarell; unbekannter Künstler (Signatur nicht eindeutig identifizierbar).

Bildquelle: ► »Autographes et manuscrits rares«.


"1st Royal Dragoons."

Gemälde von Jason Askew im externer Link Atelier des Künstlers (Windsor, West Berkshire, UK).


"The capture of the Eagle of the 105th Line by the 1st Royal Dragoons."

Gemälde von Jason Askew im externer Link Atelier des Künstlers (Windsor, West Berkshire, UK).


"The 1st Dragoons at the Battle of Waterloo in 1815."

Captain Alexander Kennedy Clark und Corporal Styles von den 1st Royal Dragoons erbeuten den Adler des 105. Linien-Infanterie-Regiments.

Gemälde von William Holmes Sullivan im externer Link »The Household Cavalry Museum« (Horse Guards, London, UK).


"The Captive Eagle" - Der erbeutete Ader.

Corporal Styles von den 1st Royal Dragoons präsentiert den jubelnden Hochländern der legendären Black Watch (42. Infanterie-Regiment) einen gewonnenen Kaiser-Adler. Hinter ihm ist Wellington zu sehen.

Gemälde von James Prinsep Beadle im externer Link »Great Yarmouth Museums« (Norfolk, UK).


Unbekannt - L'infanterie française en carré

Askew - 1st Royal Dragoons

Askew - The Eagle of the 105th Line

Sullivan - Napoleon

Beadle - The Captive Eagle

 

ca. 14:20 Uhr: IV. Akt (3) - Gegen-Angriff der französischen Kavallerie.


Angesichts der sich mehr und mehr auflösenden Linien des I. französischen Corps -, der unter hohen Verlusten zurückweichenden Bataillone und Regimenter der eigenen Infanterie -, unter dem Eindruck des triumphierend in Richtung der alliierten Linien davongetragenen Adlers des 105ten Regiments, drängen jetzt die eigentlich mit der Flanken-Deckung betrauten Kavallerie-Corps Kellermanns und Milhauds – erwähnenswert hier die Kürassier-Brigaden der Generale Étienne Jacques Travers und Pierre Joseph Farine du Creux – zum Gegen-Angriff. Eine direkte, massiv ausgeführte Attacke auf die britische Reiterei ist jedoch aufgrund der dicht gedrängten Massen der eigenen Fuß-Truppen nicht möglich. Trotzdem springen die französischen Kürassiere in kleineren Trupps durch die Reihen. Kurz darauf toben hinter, zwischen und vor der nun von allen Seiten bedrängten französischen Infanterie eine Vielzahl von blutigen Scharmützeln und rücksichtslosen Zwei-Kämpfen.


"Contre-attaque sur la Brigade Union par les Lanciers et Cuirassiers" – Gegen-Angriff der Kürassiere und Lanciers auf die Union-Brigade.

Illustration von Henri Georges Jacques Chartier.

Bildquelle: ► »From Life of Napoleon Bonaparte« von William Milligan Sloane, Band IV; The Century Co., New York, 1896.


"Charge du 7e régiment de cuirassiers"

Am 10. Februar 1657 vom Comte de Roye als Kavallerie-Regiment aufgestellt, erhielt die Reiter-Einheit aufgrund des hohen Ausländer-Anteils 1659 offiziell den Titel "Royal étranger". Mit Abschaffung des Systems der Regiments-Inhaber (Mestre de camp) im Jahr 1791 wurde die Einheit als "7e Régiment de Cavalerie" in die Stamm-Liste aufgenommen, trat Ende 1792 der französischen Revolutions-Armee bei und wurde im Rahmen der Armee-Reformen in Vorbereitung der Errichtung der "L’Armée des côtes de l’Océan" (die "Armee an der Küste des Ozeans", die Napoleon für die geplante Invasion Britanniens zusammenzog) im Jahr 1803 in ein Kürassier-Regiment umgewandelt.

1805 kämpfte das Regiment in Italien gegen die Österreicher, 1807 bei Heilsberg und Friedland gegen Russen und Preussen und 1809 bei Aspern und Wagram erneut gegen die Österreicher. Im Russland-Feldzug von 1812 mehrfach ausgezeichnet, erlitt es im Verlauf der Kämpfe von 1813/14 schwere Verluste.

1815 anfänglich der Kavallerie von Maréchal Grouchy zugeteilt und noch am Abend des 16. Juni mit der Verfolgung der preussischen Armee-Korps beauftragt, hatte Napoleon angesichts der überlegenen alliierten Kavallerie am 17. Juni die gesamte schwere Schlachten-Reiterei zur Haupt-Armee befohlen. Bei Waterloo eröffnet das 7te Kürassier-Regiment in Milhauds Kürassier-Corps den Gegen-Angriff auf General Ponsonbys "Union Cavalry Brigade".


Aquarell von Pierre Benigni, lt. externer Link Auktionshaus »Giquello & Associés« im Privat-Besitz.


"Counterattack of the french Cuirassiers" - Gegen-Angriff der französischen Kürassiere auf die von Lord Uxbridge (rechts im Vordergrund) geführten britischen Kavallerie-Brigaden.

Illustration von Mitchell Nolte.

Bildquelle: ► »Art & Illustration« (Online-Präsenz von Mitchell Nolte).

Chartier - Contre-attaque

Benigni - 7e cuirassiers

Nolte - Counterattack

Benigni - Counterattack of the Cuirassiers

Shumate - Life Guards

Kopinski - Life Guards

Churms - Lifeguards

Simkin - 2nd Life Guards

"The Life Guards at Waterloo" (Household Brigade Cavalry)

Illustration von Johnny Shumate für »Warlord Games - Black Powder«.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Johnny Shumate.

"The 1st Life Guards attack the 4th cuirassiers..."

Illustration von Karl Kopinski für »Perry Miniatures« (Travel Battle).

Bildquelle: ► Blog von Karl Kopinski.

"Charge oft the Lifeguards" - Counterattack of the Cuirassiers.

Gemälde von Mark Churms in der eigenen externer Link Online-Galerie.

"Charge of the 2nd Life Guards at Waterloo"

Post-Karte nach einem Motiv von Richard Simkin von »Tuck´s Post Card«.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

 

Beavis - An Incident at Waterloo

Tucks - First Life Guards

Embleton - The Blues

Clark - The Blues

"An Incident at Waterloo"

Gemälde von Richard Beavis, lt. externer Link »Christie's« im Privat-Besitz.

"Charge of the First Life Guards"

Post-Karte nach einem Motiv von Henry Joseph Payne von »Tuck´s Post Card«.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

Die "Royal Horse Guards" (oder "The Blues") unter Major Robert Hill treffen auf das "1er Régiment de Cuirassiers" unter Colonel Comte Ordener.

Illustration von Gerry Embleton für »Waterloo 1815« von John Franklin; Osprey Publishing, 2014.

"Royal Horse Guards (the Blues) in the charge at the Battle of Waterloo"

Illustration von Christopher Clark in externer Link »British Battles on Land and Sea. With a History … « von Sir Evelyn Wood, published by Cassell and Co., London 1915.

 

Tucks - King's Dragoon Guards

Askew - The Blues

Manskirsch - Life Guards charging the Imperial Guards

Archer - Kings Dragon Guards

"The 1st King's Dragoon Guards, charging the Cuirassiers..."

Post-Karte nach einem Motiv von Henry Joseph Payne von »Tuck´s Post Card«.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

"The Blues at Waterloo" - Regroup after the shattering charge against the French Cuirassiers.

Gemälde von Jason Askew, im externer Link Atelier des Künstlers (Windsor, West Berkshire, UK).

"The Life Guards charging the Imperial Guards at Waterloo"

Aquarell von Franz Josef Manskirsch in der externer Link »Anne S. K. Brown Military Collection« (Brown University Library, Providence, Rhode Island, USA).

"1st Kings Dragon Guards charge at La Haye Sainte"

Gemälde von Peter Archer im »1st The Queen's Dragoon Guards Heritage Trust« (Cardiff Castle Museum, Wales, UK).

Bildquelle: ► »Art UK« (public art collection in the UK).

Simkin - 2nd Life Guards

Cartwright - Gunsmoke and Rye

Dummi Dummi

"2nd Regiment of Life Guards against french Cuirassiers at Waterloo"

Aquarell/Aquatinta von Richard Simkin im externer Link »National Army Museum« (London, UK).

"Gunsmoke and Rye at Waterloo" - The First Royal Dragoons of the Union Brigade

Gemälde von David Cartwright im externer Link »Wrexham Museum« (Wrexham County, Wales, UK).

 

ca. 14:30 Uhr: IV. Akt (4) - Die Attacke der Royal Scots Greys (I)


Mit der Nachricht von Napoleons Rückkehr nach Frankreich war auch das 2te britische Dragoner-Regiment ("Scots Greys") aktiviert und auf insgesamt fünf Schwadronen bzw. zehn "Troops" verstärkt worden, von denen drei Schwadronen mit insgesamt 360 Mann und 31 Offizieren mobilisiert -, nach Europa verschifft und nach der Landung in Gent mit dem 1ten (The Royals) und dem 6ten (Inniskillings) Dragoner-Regiment zur sog. "Union Brigade" (mit je einem Regiment aus England, Schottland und Irland) zusammengefasst werden, deren Kommando General-Major William Ponsonby übernimmt.


Aus der Reserve-Position in dritter Linie vor Mont St. Jean verfolgt Lieutenant-Colonel James Inglis Hamilton, Kommandeur der Scots Greys, den Angriff der französischen Infanterie und den Gegen-Angriff der britischen Kavallerie unter Lord Uxbridge. Das Regiment, das seit 1795 nicht im Einsatz gewesen war, hatte bislang keine Gelegenheit gehabt, sich in den Kriegen gegen Napoleon auszuzeichnen; auch bei Quatre-Bras traf das Regiment erst ein, als die Schlacht bereits gewonnen war. Ein Umstand, den Hamilton unbedingt abzuändern gedenkt: Als die über 1.500 von Uxbridge geführten Reiter zunehmend von der französischen Kavallerie bedrängt werden, die Linien des 92ten (Gordon Highlanders) Regiments in Unordnung geraten und es dem 45ten französischen Linien-Infanterie-Regiment der Division General Marcognets sogar gelingt, den östlichen Ausläufer des Hohl-Weges vor Mont St. Jean zu überqueren, damit das Gut Papelotte abzuschneiden und die alliierten Linien genau an deren Naht-Stelle zerteilen kann, befiehlt Hamilton eigenmächtig die Attacke.

Doch die schweren Reiter kommen in dem feuchten und aufgewühlten Boden nur langsam voran. Die Pferde versinken bis weit über die Fesseln im Schlamm, und der etwa einhundert Schritt vor dem Feind befohlene Galopp kommt mehr einem schnelleren Trab nah. Trotzdem genügt allein der Anblick der ausgewählt kräftigen Männer auf ihren übergroßen Schimmeln, dass die französischen Infanteristen panisch ihre Musketen abfeuern und die Bajonette gegen die britischen Dragoner richten. Noch größer ist ihr Entsetzen, als es den Dragonern gelingt, sich in die dichten Kolonnen hinein- und durch die Reihen hindurchzuhauen.


Obwohl Hamiltons überraschender Entlastungs-Angriff auf die linke Flanke der französischen Formationen Milhauds Kürassiere zum Rückzug auf und teilweise durch die Reihen der eigenen Infanterie zwingt und Gordons Highlandern die Zeit verschafft, sich neu zu ordnen, entwickelt sich der weitere Verlauf der Attacke fatal...


"The Charge of the Scots Greys."

Illustration für Stanley L. Wood für »Swords of Honour« (LEONAUR Books, Illustrated Edition, 2006).


"The charge of the Royal Scots Greys at Waterloo, supported by a Highland regiment."

Gemälde von Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link »Christie's« in privater Sammlung.


Wood - Scots Greys

Hillingford - Greys at Waterloo

Butler - Scotland

Cartwright - Scots Greys

Berkeley - Royal Scots

Collingwood - Royal Scots

"Scotland Forever!"

Gemälde von Elizabeth Butler im externer Link »Bridgeman Art Library; Leeds Museums and Galleries« (Leeds, West Yorkshire).

"Attack of the Scots Greys"

Druck nach einem Gemälde von David Cartwright im externer Link Auktionshaus »Bonhams« (London, UK).

"Charge of the Royal Scots Greys at battle of Waterloo. - Gordons und Greys an die Front!"

Gemälde Stanley Berkeley, lt. externer Link »Christie's« in private Sammlung.

"The Charge of the Scots Greys"

Illustration von Chris Collingwood.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Chris Collingwood auf »facebook«.

 

Mesjasz - Waterloo

Rava - Scots Greys

Rava - Scots Cavalry

Shumate - Scots Grey

"Waterloo"

Illustration von Edward Mesjasz

Bildquelle: ► »Illustration Art Gallery - The Book Palace Publishing House«.

"The Royal Scots Greys´ Charge at Waterloo."

Illustration von Giuseppe Rava für sein Portfolio externer Link »Waterloo, sur le champs de bataille«

"Scots (Greys) Cavalry"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.

"British Union Brigade Cavalry (Scots Grey)"

Illustration von Johnny Shumate für »Warlord Games - Black Powder«-Modell-Figuren.

 

Seccombe - Scots Greys

Woodville - Scotland Yet!

Churms - Union-Brigade

Simkin - Scots Greys

"The Scots Greys at Waterloo."

Gemälde von Thomas Strong Seccombe im externer Link »Fyvie Castle« (Aberdeenshire, UK).

Bildquelle: ► »Suffolk Artists«.

"Scotland Yet! On to Victory!"

Chromolithographie von Richard Caton Woodville, lt. externer Link »Invaluable« im Auktionshaus »Bonhams« (London, UK).

"Charge oft the Union Brigade."

Gemälde von Mark Churms in der eigenen externer Link Online-Galerie.

"The 2nd (Royal Scots Greys) Dragoons at Waterloo."

Chromolithographie von Richard Simkin bei externer Link »CollectorsPrints« (Online-Antiquariat, London, UK).

 

Crofts - Scots Greys

Chito - Scot Greys

Giglioli - Scots Greys

Stadler - 2nd Dragoons

"Scots Greys at Waterloo"

Gemälde von Ernest Crofts; lt. externer Link »Artnet« im Privat-Besitz.

"British Heavy Cavalry (Scot Greys)"

Illustration von Tony Chito für »Esci«- später »Italeri«-Modell-Figuren.

"Scots Greys" - British Cavalry Waterloo 1815

Illustration von Ezio Giglioli für »esci«-Modell-Figuren.

"A Private of the 2nd or Royal North British Dragoon (Greys)." (c. 1815)

Handcolorierte Gravur von Joseph C. Stadler aus »Costumes of the Army of the British Empire« by Charles Hamilton Smith; Colnaghi & Co. (London, 1812-1815).

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

 

Hook - Capture of the Eagle

"Capture of the French 45th Line-Eagle by Sergeant Ewart 2nd Dragoons (Scots Greys)"

Illustration von Richard Hook für »Cavalry of the Napoleonic Wars No. 7 - Wellington´s Cavalry at Waterloo« (Del Prado Collection 2004).

ca. 14:30 Uhr: IV. Akt (4) - Die Attacke der Royal Scots Greys (II)


"… Die Scots Greys sind in der Tat über die Kolonnen hinweggefegt", beschreibt ein Leutnant der Highlander den Angriff.

Sergeant Charles Ewart, Fecht-Meister des Regiments, gelingt es, sich in einem äußerst blutigen Gemetzel durch die Reihen des 45ten französischen Infanterie-Regiments zu schlagen und das Heiligtum des Regiments – den von Napoleon verliehenen Adler – zu erbeuten (für seine Tapferkeit wurde Ewart später zum Fähnrich ernannt).

Wollen - The Eagle

"Sergeant Ewart Capturing The Eagle"

Post-Karte nach einer Illustration von William Barnes Wollen in »Battles of the Nineteenth Century« von Archibald Forbes, G.A. Henty and Major Arthur Griffiths.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.



Norie - Scots Greys

Sullivan - Royal Scots

Dighton - The Second Brigade

Courcelle - La Prise

"The Royal Scots Greys (2nd Dragoons) at Waterloo"

Gemälde von Orlando Norie im externer Link »National Army Museum« (London, UK).

"Sergeant Charles Ewart von den Scots Greys erbeutet den Adler des 45. Linien-Infanterie-Regiments."

Gemälde von William Holmes Sullivan im externer Link »National Army Museum« (London, UK).

"The Charge of the Second Brigade of Cavalry."

Gemälde von Denis Dighton in der externer Link »Royal Collection« (Windsor Castle, UK).

"La Prise de l´Aigle du 45ème de Ligne a Waterloo."

Illustration von Patrice Courcelle (Privat-Sammlung, Dallas, Texas, USA).

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Patrice Courcelle auf »facebook«.

 

ca. 14:45 Uhr: IV. Akt (4) - Die Attacke der Royal Scots Greys (III)


Während Sergeant Ewart die erbeutete Trophäe auf Befehl seines Kommandeurs hinter die britischen Linien in Sicherheit bringt, wenden sich die Schotten berauscht vom Erfolg der "Großen Batterie" auf der Höhe von Belle Alliance zu. Der blind-wütigen Attacke schließen sich auch viele der insgesamt etwa 560 Gardisten der Life- und Horse-Guards – insbesondere die anfänglich rund 560 Mann der First Royal Dragoon Guards – und große Teile der Union Brigade an. Die Reiter, deren Pferde bereits von der Attacke über das verschlammte Feld von Waterloo geschwächt sind, stürmen den Höhenzug hinauf und mitten hinein in ein verheerendes Kartätsch-Feuer der französischen Feld-Kanonen. Kurz darauf hauen die britischen Reiter auf die Kanoniere ein, die verzweifelt versuchen, sich und ihre Geschütze zu verteidigen. Unbemerkt von den schottischen und englischen Dragonern tauchen aus dem hügeligen Gelände vor Paillotte die Lanzen des 3ten Regiments Jäger zu Pferd und der 4ten leichten Lanciers der 1ten leichten Kavallerie-Division des Generals Jacquinot auf, die in die Flanken der britischen Kavallerie einfallen, die Reiter den Hang hinunter und hinein in die wieder geordneten Reihen von Milhauds Kürassiere treiben. Hamilton, der einigen Schilderungen nach bereits während der Attacke seinen linken Arm verloren und nun die Zügel seines Pferdes zwischen den Zähnen hat, versucht zwar noch, seine Männer aus dem sich anbahnenden Massaker herauszuziehen; als der Stich eines Lanciers auch seinen rechten Arm trifft. Das schwere Claymore fällt ihm aus der Hand. Im nächsten Moment reißt ihn eine Pistolen-Kugel aus dem Sattel.


Im Ergebnis bringt die spontane, unkoordinierte Attacke insgesamt 98 Dragonern schwere und schwerste Verwundungen, 105 Dragoner und Offiziere verlieren ihr Leben; auch General-Major Ponsonby – der kurz zuvor noch versucht hatte, den Adler der 4ten Lanciers an sich zu reißen – verliert sein Leben; nur wenigen gelingt es, unversehrt zu den britischen Linien zurückzukehren. Von den etwa 15.000 Mann des I. Corps unter Marschall Drouet d’Erlon bleiben gut ein Drittel tot oder schwer verwundet auf dem Feld von Waterloo zurück. Die gegenseitigen Angriffe auf das jeweilige Zentrum sind damit beiderseits einstweilig gescheitert; die beteiligten Kompanien und Schwadronen ziehen sich zurück, sammeln sich und werden neu geordnet.


"Ewarts heroic Triumph"

Druck nach einem Gemälde von David Cartwright im externer Link Auktionshaus »Bonhams« (London, UK).


"Scotland forever!"- Scots Grey at Waterloo.

Chromolithographie von Richard Caton Woodville in der externer Link »Anne S. K. Brown Military Collection« (Brown University Library, Providence, Rhode Island, USA).


"Sgt. Ewart returning through the guns."

Gemälde von Henri Dupray im externer Link »The Royal Scots Dragoon Guards Museum« (New Barracks, Edinburgh Castle, UK).


Cartwright - Sergeant Ewart

Woodville - Scotland forever

Dupray - Sergeant Ewart

Woodville - Union Brigade

Palmer - French Counterattack

Rava - French Line Lancers

Kozik - Scots Greys

"Charge of Union Brigade at Waterloo, Scots Grays & First Royal Dragoon Guards"

Chromolithographie von Richard Caton Woodville, lt. externer Link »Invaluable« im Privat-Besitz.

"Charge of the 2nd Royal North British Dragoons (Scots Greys)" - Counterattack of the French Cavalry by the 3rd Chasseurs Chevals and the 4th Lancers.

Illustration von Brian Palmer.

Bildquelle: ► Prints & Paintings by Anthony Saunders.

"French Line Lancers" - In Charging the Scots Greys.

Illustration von Giuseppe Rava für »Waterloo 1815«-Modell-Figuren.

"The Fall of General Ponsonby"

Gemälde von Mariusz Kozik in der Verkaufs-Plattform externer Link »Waterloo Collection«.

 

ca. 15:00 Uhr: IV. Akt (5) - Rückzug der 1st (Household) Cavalry- und der 2nd (Union) -Brigade.


Um zu verhindern, dass der mehr oder weniger bereits chaotisch verlaufende Rückzug der beiden schweren britischen Kavallerie-Brigaden zur vollständigen Katastrophe führt, befiehlt Wellington nunmehr auch der leichten alliierten Reiterei einen Angriff auf die französischen Lanciers, Jäger und Kürassiere. Auf dem linken Flügel reiten der britische General-Major John Ormsby Vandeleur und der niederländisch-belgische General-Major Charles Étienne de Ghigny mit insgesamt rund 2.200 Dragonern und Husaren -, auf dem rechten Flügel führt General-Major Albert Dominicus Trip van Zoudtlandt die etwa 1.200 niederländisch-belgischen Karabinern zum Gegen-Angriff. Kurz vor 15:00 Uhr gelingt es beiden Verbänden, die französische Kavallerie zu stoppen und zurückzuschlagen.


Die offiziell verzeichneten Verluste nennen für die beiden schweren Kavallerie-Brigaden insgesamt 1.205 Soldaten und 1.303 Pferde.


"The 23rd Regiment of Light Dragoons."

Gemälde von Keith Rocco.

Während sich die gefürchteten "Lanciers rouges" neu formieren, versuchen die Kürassiere des 7. Regiments den Angriff des 23. leichten britischen Dragoner-Regiments abzufangen.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Keith Rocco.

Rocco - 23rd Light Dragoons
 

ca. 15:00 Uhr: "The Turning Point at Waterloo"


Nach 15:00 Uhr tritt eine Gefechts-Pause ein, die beide Seiten dazu nutzen, ihre Streit-Kräfte zu sammeln und neu zu ordnen. Versprengte und Leicht-Verwundete kehren zu ihren Linien zurück und versuchen die Fahnen ihrer jeweiligen Einheit auszumachen; schwerer Verwundete werden nach Möglichkeit geborgen, doch trotz aller Bemühungen bleiben unzählige Soldaten zurück und verrecken elendig. Quellen beider Seiten schildern einhellig einen bizarren Anblick: Neben Leichen und Sterbenden, verlorenen Waffen und Ausrüstungs-Teilen bleiben in den zertrampelten Feldern auch tausende Schuhe und Stiefel zurück, die im klebrigen Morast steckengeblieben waren.


Beschreibungen nach übertönten die Schmerzens-Schreie der tödlich verletzten Tiere nicht nur das Stöhnen und die Hilfe-Rufe der schwer verwundeten Soldaten sondern auch den von Hougoumont her dröhnenden Lärm, und die Offiziere beider Seiten hatten alle Mühe, die Kavalleristen davon abzuhalten, auf das Schlacht-Feld zurückzukehren um wenigstens den Tieren den Gnaden-Schuss geben zu können.


Einige Éclaireurs (Aufklärer) des 7ten Husaren-Regiments, die Napoleon ostwärts gesandt hatte, um Marschall Grouchy zur Eile zu mahnen, trafen anstelle der immer dringender erwarteten 33.000 Mann des III. und IV. französischen Corps auf preussische Husaren-Patrouillen, die aus Richtung Wavre kommend, die Land-Straßen und Feld-Wege über die Linie Ohain-Jeanloo-Papelotte mit Ziel Mont St. Jean erkundeten.

Die Meldung, dass die Preussen bereits bei der Kapelle "St. Lambert" vor dem Wald von Horant stehen und damit nur noch 6 Kilometer von der östlichen Flanke Wellingtons entfernt sind, wird von eingebrachten Gefangenen - hier ein Husar des 2ten Schlesischen Husaren-Regiments Nr. 6 - bestätigt: Er gehört zur Avant-Garde des IV. preussischen Korps unter General-Leutnant von Bülow, dessen erste Einheiten innerhalb der nächsten Stunde an der rechten Flanke der französischen Armee eintreffen werden. Napoleon ahnt, dass diesem Corps die gesamte preussische Armee folgen wird. Seine feste Überzeugung, dass Grouchy als nächstes das Schlacht-Feld erreicht, zerfällt zur vagen Hoffnung. Sicherheitshalber beauftragt er den Divisions-General Georges Mouton, Comte de Lobau, die knapp 10.000 Mann des VI. französischen Corps, das die Reserve-Infanterie stellt, sowie die rund 2.500 Lanciers und Chasseurs der beiden Kavallerie-Divisionen Subervie und Domon gegen die rund 37.000 Preussen zu führen, anzugreifen und die Avant-Garde solange aufzuhalten, bis Grouchy eintrifft.


Niemand ahnt, dass Marschall Grouchy etwa zu diesem Zeit-Punkt seinen beiden Corps den Angriff auf Wavre befiehlt, ist er doch der Auffassung, die preussische Haupt-Armee unter Feld-Marschall Blücher gestellt zu haben…


Gemälde von Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link »artnet« in privater Sammlung.


"Napoleon und seine Marschälle beobachten die Schlacht"

Gemälde von Richard Caton Woodville in der externer Link »Okehampton Town Hall« (Okehampton, UK).

Atlas - The Turning Point

Woodville - Napoleon
 

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ca. 16:00 Uhr: V. Akt (1) - "Die eisernen Karrees"


Angesichts des demoralisierenden Ausgangs des vorangegangenen Infanterie-Angriffs und der zahllosen Opfer, auch infolge der noch immer währenden und immer erbitterter geführten, außerordentlich verlustreichen und demzufolge immer mehr Kräfte bindenden Kämpfe um Hougoumont, vor allem aber unter der stetig zunehmenden Gefahr eines umfassenden preussischen Angriffs, stand Napoleon vor dem Dilemma, entweder seine legendäre Garde in Marsch zu setzen und darauf zu hoffen, dass allein der Ruf der "Unsterblichen" genügt, den Widerstand der Alliierten zu brechen, oder auf die bislang weitestgehend zurückgehaltene Kavallerie zu setzen, deren Voran-Kommen und damit verbundene Erfolgs-Aussichten jedoch hauptsächlich von den Boden-Verhältnissen bedingt werden.

Beide Angriffs-Optionen erfordern eine noch gründlichere Vorbereitung durch die Artillerie…

Napoleon lässt (mindestens) zwei schwere Batterien in das Zentrum seiner Aufstellung verlegen und gegen 15:30 Uhr erneut das Feuer eröffnen. Während das Schnell-Feuer aus 84 bald glühenden Kanonen die Luft vibrieren lässt und der Boden unter den Einschlägen bebt, formiert Marschall Ney die Kavallerie: Für einen Haupt-Schlag der Kavallerie gegen das alliierte Zentrum stehen dem Marschall insgesamt rund 5.000 Kürassiere der Corps Milhauds und Kellermanns zur Verfügung. Für die Flanken-Deckung werden die etwa 3.600 leichten Reiter der beiden Kavallerie-Divisionen, die den Infanterie-Corps unterstehen, herangezogen. Unterstützt werden die Verbände von den etwa 4.300 Mann der beiden (leichte und schwere) Garde-Kavallerie-Divisionen unter Charles Lefebvre-Desnouettes und dem Comte Guyot, die die Reserve bilden. Und bedenkt man, dass zur damaligen Zeit einer Kavallerie-Eskadron (bzw. auf alliierter Seite bevorzugt Schwadron) mit durchschnittlich 100 bis 150 Mann der gleiche Kampf-Wert eines Infanterie-Bataillons mit 400 bis 600 Mann zugesprochen wurde, sollten die insgesamt rund 13.000 Reiter verschiedenster Waffen-Gattungen genügen, um die Alliierten (deren Reserven in der Deckung hinter den Höhen von Mont St. Jean vermutet werden) im wahrsten Sinne "über den Haufen zu reiten".


Ney teilt die Kavallerie in zwei Angriffs-Wellen auf: An den Flanken gedeckt von den beiden Regimentern leichter Garde-Kavallerie unter Lefebvre-Desnouettes bilden die acht Kürassier-Regimenter General Milhauds die erste Welle. Hinter diesen insgesamt 32 Eskadronen reiten die acht schweren Kavallerie-Regimenter Kellermanns und die beiden schweren Garde-Kavallerie-Regimenter des Comte Guyot auf. Die leichte Divisions-Kavallerie, das I. leichte sowie das II. schwere Kavallerie-Corps stehen als Reserve zur Abwehr eines möglichen Gegen-Angriffs der alliierten Kavallerie bereit.


Gegen 16:00 Uhr gibt Ney an der Spitze von Milhauds Kürassieren den Befehl zur Attacke.


"Napoléon Ier et son état major sur un champs de bataille"

Gemälde von Henry Louis Dupray, lt. externer Link »artnet« in privater Sammlung.


"La Revue" - Revue des 11ten Kürassier-Regiments unter Colonel Courtier vor dem Kaiser…

Aquarell von Lucien Rousselot, im externer Link Auktions-Haus Bertrand Malvaux (Nantes, FRA).


"Le Maréchal Ney passant ses Troupes en Revue" - Marschall Ney besichtigt seine Truppen.

Im Vordergrund das 7e Régiment de Cuirassiers unter Colonel Richardot.

Gemälde von Paul Emile Léon Perboyre, lt. externer Link Auktions-Haus »1st Dibs« in Privat-Besitz.


"The 10th Cuirassiers"

Das 1643 aus angeworbenen Kroaten errichtete Kavallerie-Einheit wurde 1667 als "Régiment Royal-Cravates" in die französischen Armee eingereiht und ab 1791 als 10tes Kavallerie-Regiment geführt. Mit Dekret vom 24. September 1803 zum Kürassier-Regiment umgewandelt, kämpfte die Truppe in sämtlichen Feld-Zügen der Napoleonischen Kriege und wurde 1815 aufgelöst. Während der 100-Tage-Kampagne stand das Regiment unter Colonel Lahuberdière in der Kürassier-Brigade des Generals Farine, die der 14ten (schweren) Kavallerie-Division des Generals Delort angehörte, die wiederum Teil des IV. Kavallerie-Corps unter Milhaud war.

Gemälde von Keith Rocco.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Keith Rocco.


Dupray - Napoléon Ier

Rousselot - La Revue

Perboyre - … en Revue

Rocco - 10th Cuirassiers

Delille - Vive L'Empereur!

Churms - Ney at Waterloo

Dupray - Ney à Waterloo

Perboyre - Marshall Ney

"Vive L'Empereur!" - Les cuirassiers saluent l'empereur.

Post-Karte nach einem Motiv von Renée Delille.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

"Marshal Ney at the Battle of Waterloo"

Gemälde von Mark Churms in der externer Link eigenen Online-Galerie.

"Le Marechal Ney Chargeant à Waterloo" (Marshall Ney charging at Waterloo Battle).

Gemälde von Henry Louis Dupray, lt. externer Link Auktions-Haus »1st Dibs« im Privat-Besitz.

"Le maréchal Ney à la tête d'une charge des Cuirassiers" - Marschall Ney an der Spitze eines Angriffs der Kürassiere…

Gemälde von Paul Emile Léon Perboyre, lt. externer Link Auktions-Haus »1st Dibs« in Privat-Besitz.

 

ca. 16:15 Uhr: V. Akt (2) - "Attaquer en colonne!"


Etwa 2.800 Kürassiere – rechterhand die Division Watier, links die Division Delord – traben "en colonne" in einer gut 1.000 Meter breiten Front mit Ziel auf die Höhe zwischen La Haye Sainte und Hougoumont an. Doch der Übergang in den Galopp will nicht gelingen: Noch immer ist der Boden zu durchweicht und bleibt an den Hufen der Pferde kleben; viele Pferde stolpern in den Einschlags-Kratern, straucheln und bringen immer wieder die Ordnung durcheinander. Müde oder ermattet aber unbehelligt von der alliierten Artillerie nähert sich die erste Linie der Anhöhe, als aus dem dichten und hoch gewachsenen Getreide überall auf den Hang-Lagen Infanteristen auftauchen, die die Reiter am Fuß des Anstiegs aus einer Entfernung zwischen etwa 90 und 100 Schritten mit einem verheerenden Salven-Feuer in Empfang nehmen. Auf dem hinter den Pelotons gelegenen Höhen-Kamm fahren 60 leichte Feld-Geschütze auf, die aus nächster Nähe Kartätschen-Ladungen in die dicht gedrängten Massen aus angreifenden, flüchtenden oder nachdrängenden, gestürzten oder getroffenen Reitern feuern.


Der erste Angriff ist abgeschlagen. Während sich die alliierten Schützen zurückziehen, ordnen sich Milhauds und Lefebvre-Desnouettes Reiter neu, und Ney befiehlt den zweiten Angriff, zu dessen Unterstützung nun auch Kellermanns schwere Reiterei herangezogen wird. Das etwa zu dieser Zeit aus östlicher Richtung zunehmende Gewehr-Feuer geht im allgemeinen Lärm des Haupt-Gefechts unter. Auch der bald darauf deutlich vernehmbare Donner feuernder Geschütze findet hier keine Beachtung: Zu sehr ist Ney darauf versessen, das alliierte Zentrum zu brechen und Wellington zu schlagen. Zu sehr unterschätzt er die – zu diesem Zeit-Punkt noch abwendbare – Gefahr, die mit der preussischen Armee am östlichen Rand des Schlacht-Feldes aufzieht.


"Angriff des 12. Kürassier-Regiments unter Colonel Thurot"

Illustration von Lucien Rousselot in "Cavaliers d’épopée" von Marcel Dupont; Edition Lavauzelle, Paris 1985 (Collection "Portrait et Aspects de l’ Histoire").


"…bracing for the Cavalry Charge!"

Illustration von Gabriel Tan.

Bildquelle: ► Online-Plattform »Artstation«.


"Highlanders"

Illustration von Dmytro Zgonnik.

Bildquelle: ► Blog von Dmytro Zgonnik.


Rousselot - 12th Cuirassiers

Hubert - …the Cavalry Charge!

Zgonnik - Highlanders

Panorama Waterloo

"La charge de cavalerie à Waterloo"

Panorama-Gemälde von Louis-Jules Dumoulin in der externer Link »Rotunde Waterloo«, Musée et Mémorial de Waterloo (Braine-l’Alleud; BEL)

Foto-Montage (unter Verwendung zahlreicher Einzel-Fotos aus dem Internet)


Churms - Donops Cavalry

Awerjanow - Cuirassiers

Courcelle - Cuirassiers

Perboyre - Cavalerie

"La Charge" - Die Brigade des Generals Frédéric Guillaume de Donop.

Gemälde von Mark Churms in der eigenen externer Link Online-Galerie.

"French Cuirassiers"

Illustration von Alexander Yezhov für »Zvezda«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Blog von Alexander Yezhov auf »tumgir«.

"Le Comte Michel Ordener à la tête du 1er Régiment de Cuirassiers" - Graf Michel Ordener an der Spitze des 1. Kürassier-Regiments.

Illustration von Patrice Courcelle.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Patrice Courcelle auf »facebook«.

"Charge de Cavalerie"

Gemälde von Paul Emile Léon Perboyre, lt. externer Link »artnet« in privater Sammlung.

Dighton - Colonel Martin

Clauzel - Coraceros

Crofts - a Battery at Waterloo

Rousselot - 1er Cuirassiers

"Colonel Martin, 6th Cuirassiers, 1815"

Aquarell von Denis Dighton in externer Link »The Royal Collection« (Windsor Castle, UK).

"Ataca el 5º Regimiento de Coraceros" - Das 5. Kürassier-Regiment greift an.

Gemälde von Jose Ferre Clauzel in der eigenen externer Link Online-Galerie.

"A Charge of Cuirassier on a Battery at Waterloo"

Gemälde von Ernest Crofts bei externer Link »Shannon's Fine Art« (Milford, Connecticut, USA).

Angriff des 1. Kürassier-Regiments unter Colonel Comte Ordener auf die niederländisch-belgischen Brigaden…

Aquarell von Lucien Rousselot, lt. externer Link »Invaluable« im Auktionshaus Canadian & International Works of Art (Vancouver, CA).

 

ca. 16:30 Uhr: V. Akt (3) - "The sunken road at waterloo"


In Erwartung eines Massen-Angriffs der gesamten französischen Kavallerie beginnen die alliierten Linien auf dem Plateau vor Mont St. Jean auf Wellingtons Befehl das komplexe Manöver zur Bildung von Karrees. Nach wenigen Minuten stehen auf dem Plateau einigen Quellen nach zwanzig – Victor Hugo nennt dreizehn – gewaltige Formationen, deren Kanten weitestgehend auf die Angriffs-Richtung der Franzosen ausgerichtet sind und so im Ideal-Fall ein Kreuz-Feuer ermöglichen, das die benachbarten Aufstellungen von dem eigenen Kugel-Hagel – dem "friendly fire" – verschont: Die vorderste Reihe kniet nieder; den Musketen-Kolben in den Boden gerammt, die Muskete mit aufgesetztem Bajonett ähnlich einem sog. "Spanischen Reiter" im Winkel von etwa 45 Grad nach vorn gerichtet. Die zweite Reihe duckt sich dahinter; die bajonett-bewehrte Muskete stoßbereit am Schaft gepackt. Hinter dieser ersten "Thin red Line" stehen die dritte und vierte Reihe schussbereit; im Not-Fall können auch die ersten beiden Reihen feuern.

Beinahe jedes Karree birgt in seinem Inneren ein Geschütz.


"Wellington and his HQ at Waterloo."

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.


"Royal Scots at Waterloo."

Royal Scots 1st of Foot about to form square around their colours during the Battle of Waterloo.

Gemälde von Brian Palmer im externer Link »Royal Scots Museum« (Edinburgh Castle, Edinburgh, UK).


Rava - Wellington and his HQ

Palmer - Royal Scots

Kellermann, der die Gefahr und die damit gegebene Sinnlosigkeit des Angriffs erkennt, versucht Ney vom Angriff abzuhalten, doch der Marschall ignoriert den erfahrenen Kavallerie-General und treibt neben 5.000 Kürassieren jetzt auch je zwei Regimenter Karabiniers und Dragoner, die aus dem Sattel das Feuer der alliierten Infanterie erwidern sollen, die Anhöhe hinauf. Doch selbst wenn es den Reitern gelingen sollte, erst das Schützen-Feuer und anschließend die Bajonett-Abwehr zu durchbrechen, in die kastell-artigen Formationen einzubrechen und die Karrees letztendlich aus ihrem Inneren zu zerschlagen, hat ein Angriff der Kavallerie ohne die Unterstützung der Artillerie und die Begleitung nachgeführter Infanterie wenig Aussicht auf Erfolg. Darüber hinaus ist der Boden zur Anhöhe hinauf von der vorangegangenen Attacke bereits aufgewühlt; immer wieder gleiten die Pferde der schweren Reitern aus, geraten ins Rutschen und reißen nachfolgende mit sich. Die somit nur trupp-weise auf dem Plateau ankommenden Kürassiere können weder die für eine erfolgreiche Attacke nötige Geschwindigkeit noch den erforderlichen Schwung entwickeln, geraten sofort unter Beschuss und sind gezwungen, ihr Heil in der Flucht nach vorn und somit zwischen den Karrees hindurch zu suchen. Und um das sich abzeichnende Desaster perfekt zu machen, jagen viele Reiter plötzlich auf einen etwa drei bis vier Meter tiefen und etwa ebenso breiten Einschnitt zu, der von den Einheimischen als Feld-Weg zwischen Wavre und Ohain im Osten über die Kreuzung der Straße nach Brüssel und – vorbei an Hougoumont – nach Nivelles im Westen genutzt und von den Alliierten treffend als "The sunken road at waterloo" betitelt wird.


"Cuirassiers de Waterloo ou le chemin creux" – Die Kürassiere von Waterloo oder das versunkene Feld.

Gemälde von Joseph Louis Hippolyte Bellangé im externer Link »Musée des Beaux-Arts« (Bordeaux, FRA).


"La charge du maréchal Ney à la bataille de Waterloo"

Gemälde von Lucien Pierre Sergent; lt. externer Link »artnet« in privater Sammlung.


"El barranco de Waterloo" – The sunken road at waterloo.

Gemälde von Ulpiano F. Checa im externer Link »Museo Ulpiano Checa« (Colmenar de Oreja, Madrid, ESP).

Bildquelle: ► »Wikipedia«.


"Les cuirassiers de Waterloo"

Gemälde von Alfred Hubert im externer Link »Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique« (Brüssel, Belgien).

Bildquelle: ► Wikipedia.


Bellangé - Ney à la bataille

Sergent - Ney à la bataille

Checa - The sunken road

Hubert - Les cuirassiers

… Hinter dem Kamme des Plateaus, im Schatten einer maskierten Batterie, wartete die englische in dreizehn Karrés zu zwei Bataillonen formierte Infanterie in zwei Reihen, sieben auf der einen, sechs auf der zweiten, mit angelegtem Gewehr schußfertig auf das, was da kommen sollte, ruhig, stumm, unbeweglich. Sie sah die Kürassiere nicht, diese sahen sie nicht. Sie hörte nur die Menschenflut emporsteigen Sie hörte das stärker und stärker werdende Schnauben von dreitausend Pferden, den abwechselnden regelmäßigen Tritt der Hufe im Trabe, das Rasseln der Kürassiere, das Klappern der Säbel, wie eine Art gewaltigen nahenden Sturmes. Es herrschte eine schauerliche Stille; dann erschien plötzlich eine lange Reihe gehobener Arme, Säbel schwingend über dem Kamm, darauf die Helme, die Trompeten und Standarten und dreitausend Köpfe mit grauen Schnurrbärten, die riefen: "Es lebe der Kaiser." Diese ganze Kavallerie betrat das Plateau; es war wie der Anfang eines Erdbebens.

Mit einem Male – tragisches Ereignis! – bäumte sich plötzlich auf dem linken Flügel der Engländer, auf dem rechten der Franzosen, mit entsetzlichem Lärmen die Spitze der Kolonne der Kürassiere. Als die Kürassiere in unbändigster Wut auf der höchsten Spitze des Kammes angelangt waren, bemerkten sie plötzlich, daß zwischen ihnen und den Engländern ein gewaltiger Graben lag. Das war der Hohlweg von Ohain.

Der Augenblick war furchtbar. Die Schlucht war da, unerwartet senkrecht gähnend, zwei ► Toisen tief, unmittelbar unter den Füßen der Pferde; die zweite Reihe drängte die erste, die dritte die zweite; die Pferde bäumten sich, warfen sich zurück, warfen die Reiter ab, traten sie mit Hufen. Es war unmöglich umzukehren oder zurückzuweichen, die ganze Kolonne war wie ein Wurfgeschoß, dessen Kraft und Gewalt sich jetzt statt auf die Engländer auf die Franzosen stürzte. Die unerbittliche Schlucht mußte ausgefüllt werden, sonst war sie nicht zu passieren. Im grausamen Durcheinander stürzten Reiter und Pferde, sich schrecklich über einander tummelnd, hinein. Als der Graben mit lebenden Menschen und Pferden ausgefüllt war, ging es hinüber. Beinahe ein Drittel der Brigade Dubois stürzte in den Abgrund.

Von da an beginnt der Verlust der Schlacht. (¹)


"La charge de Ney à Waterloo" - Ney´s Angriff bei Waterloo.

Gemälde von Alphonse Lalauze, lt. externer Link »artnet« im Privat-Besitz.


"The Last Battle Charge"

Gemälde von Richard Caton Woodville, lt. externer Link »artnet« in privater Sammlung.


"La charge de Ney à Waterloo" - Cette charge fameuse constitue l`un des épisodes les plus tragiques de la bataille.

Post-Karte von Thill, S.A. aus der Edition »Le Caillou« - Quartier général de Napoléon. Tableau de Flameng (Bruxelles). Ausschnitt aus dem gleich-namigen Gemälde von François Léopold Flameng.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Frankreich. Gènèral de Division (de Cuirassiers) um 1812."

Aquarellierte Zeichnung von Herbert Knötel (der Jüngere) für »Napoleonic Uniforms« von John R. Elting (Macmillan Publishing Company; 1993).

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


Lalauze - Marechall Ney

Woodville - Last Battle Charge

Flameng - La charge de Ney

Knötel d.J. - General de Division

 

ca. 16:45 Uhr: V. Akt (4) - Kanonen-Futter


Auch Neys dritter Versuch - jetzt mit Einheiten der Kaiserlichen Garde-Kavallerie auf 77 Eskadronen verstärkt - scheitert am Widerstand der bajonett-bewehrten und dauer-feuernden Karrees; ebenso ein vierter, der im Rauch des dicht stehenden Schwarz-Pulvers im wahrsten Sinne "verpufft".

Ney hatte den schnellen Erfolg gesucht und darauf gesetzt, dass die Alliierten allein durch den Anblick der gefürchteten französischen Schlachten-Kavallerie jeden Zusammenhalt aufgeben und ihr Heil in der Flucht suchen würden. Jetzt umkreisen seine Kürassiere die alliierten Linien aus der Distanz; Dragoner und Jäger zu Pferd versuchen ihnen mit dem konzentrierten Feuer aus Karabinern und Pistolen Passagen zu eröffnen, doch mit jeder weiteren Salve aus den Karrees werden dutzende Pferde getroffen, brechen zusammen und machen die Reiter zum wehrlosen Ziel der Scharf-Schützen.

Einige Batterien der leichten französischen Artillerie zu Pferd, die wohl eigenmächtig aufgefahren sind, um die Karrees aufzusprengen, stehen feuer-bereit aber machtlos auf der Anhöhe von La Haye Sainte: Nicht nur, dass jeder Schuss die dicht gedrängt herumwirbelnden Massen der eigenen Kavallerie treffen würde; vielmehr werden die französischen Geschütze samt ihren Bedienungen bald selbst zum Ziel der alliierten Artillerie.


"Artillerie à cheval de la Garde impériale" (1812-1815).

"Berittene Artillerie der französischen Garde"

Illustration von Andrey Viktorowitsch Karashchuk für »Zvezda«-Modell-Figuren.

Karashchuk - French Artillery

Kopinski - Grenadiers à Cheval

Teil der Kaiserlichen Garde-Kavallerie war auch das legendäre Regiment "Grenadiere zu Pferd", das nach Napoleons Rückkehr wiederhergestellt -, auf eine Stärke von 1.042 Offiziere und Mannschaften gebracht wurde und aufgrund seiner bis dahin stets siegreichen und spektakulären Einsätze seinen alten Status als erfolgreichste und entsprechend angesehenste Einheit der französischen Kavallerie zurückerhielt. Zusammen mit den "Dragonern der Kaiserin", das als vornehmste (und elitärste) Kavallerie-Einheit galt, bildete es die Schwere Garde-Kavallerie-Division.


Bei Waterloo stehen die Grenadiere unter dem Befehl von General Jean-Baptiste Auguste Marie Jamin und mit der gesamten Garde-Kavallerie in Reserve auf dem westlichen Flügel vor dem Bois de Neuve Cour. Strittig ist, ob der Kommandeur sein Regiment angesichts der dramatischen Entwicklungen vor Mont St. Jean eigenmächtig den Befehl zum Angriff erteilt, oder ob Napoleon den Grenadieren die Order gibt, Milhauds Kürassiere zu unterstützen.

Die Grenadiere attackieren die Karrees mindestens dreimal. Nachdem die ersten beiden blindwütigen oder schon verzweifelt geführten Angriffe General Jamin jeweils ein Pferd gekostet haben, wird er während des dritten Angriffs tödlich getroffen. Auch die Eskadrons-Chefs Tuefferd und Moreau fallen vor der Höhe. Die enormen Verluste haben zur Folge, dass erst Kompanien -, dann ganze Eskadronen zusammengelegt werden müssen. Trotzdem wird jede Attacke vom alliierten Artillerie- und Infanterie-Feuer abgewiesen, und nach der dritten Attacke sind über die Hälfte der Grenadiere und beinahe sämtliche Offiziere tot oder verwundet.


"Le Maréchal Ney et les Grenadiers à Cheval"

Gemälde von Karl Kopinski für das Projekt externer Link »Waterloo Collection«.


"Les Grenadiers à Cheval de la Garde à Waterloo" - Au cours de la bataille, le régiment mène trois charges successives sur le plateau de Mont-Saint-Jean, aux prix de lourdes pertes parmi lesquelles le colonel-major Jamin tué.

Illustration von Alphonse Lalauze in »Le Drame belge de Waterloo« von General Hector Jean Couvreur; Verlag Brepols, Brüssel 1959


"Attaque des Grenadiers à Cheval à waterloo"

Illustration von Maurice Toussaint für »Waterloo Collection«.


Lalauze - Grenadiers à Cheval

Toussaint - Grenadiers à Cheval


Mit den – in vielen Details abweichenden oder sich gar widersprechenden – Beschreibungen der Schlacht wurden auch eine ganze Reihe von Episoden bekannt, die in der späteren Aufarbeitung zu Helden-Geschichten stilisiert wurden, die alle eines gemein haben: Die tapferen Protagonisten, die in vielen Fällen sogar die Autorität ihrer Vorgesetzten ignorieren, setzen sich todesmutig größten Gefahren aus, ohne Angst zu verspüren. Eine dieser von Mut und Tapferkeit geprägten Geschichten erzählt von Kapitän Alexander Mercer und der Opfer-Bereitschaft seiner Kanoniere.

Die 1801 in Irland als "G-Troop" errichtete Batterie der "Royal Horse Artillery" war in den Napoleonischen bzw. sog. Halbinsel-Kriegen nicht zum Einsatz gekommen, was ihren Kommandeur, den erst 32-jährigen Captain Alexander Cavalié Mercer, jedoch nicht davon abhielt, sofort nach der Ankunft in den Niederlanden für die ihm gegebenen fünf 9-Pfünder-Kanonen -, der dazu gehörenden 5½-Zoll-Haubitze sowie den Munitions- und Pulver-Wagen umgehend die best-möglichen Zug- und Reit-Pferde aufzutreiben ("In dieser Batterie gibt es kein einziges Pferd, das nicht für einen Feldmarschall würdig ist!" soll der pferde-begeisterte Blücher voller Anerkennung beim Anblick der vor ihm mit insgesamt 226 Pferden aufreitenden Batterie anlässlich einer Revue der britischen Kavallerie am 29. Mai 1815 in Grammont nahe Brüssel ausgerufen haben). Auch nutzte Captain Mercer die zwei Wochen, die Wellington seiner Armee im Anschluss an die Parade zur Ruhe und Erholung gewährt hatte, zum intensiven Gefechts- und Geschütz-Exerzieren. Trotzdem gehörte Mercers Batterie mit zu den britischen Einheiten, die aufgrund des vollkommen unorganisierten Anmarsches erst nach dem Ende der Kämpfe am Kreuz-Weg von Quatre-Bras eingetroffen waren.

Bereits am nächsten Tag bekam die Elite-Batterie die verantwortungsvolle Aufgabe, als Teil der Nachhut den Abmarsch der alliierten Armee in Richtung Waterloo zu decken. Der zuvor erfahrene Drill – plötzliche Stellungs-Wechsel, das schnelle Auf- und Ab-Protzen der Geschütze, die einzelnen Tempi des Lade- und Ziel-Vorgangs bis hin zur Feuer-Bereitschaft – befähigte Mercers Geschütz-Bedienungen dabei zu einer Art Gefechts-Führung, die bereits typische Merkmale des modernen Bewegungs-Krieges aufweist. Trotz des strömenden Regens nutzte die Batterie nicht nur jede sich bietende Gelegenheit, um Napoleons nachrückende Avant-Garde durch überraschende Feuer-Überfälle aufzuhalten und empfindliche Verluste zuzufügen, sondern wehrte auch zahlreiche Versuche der Umfassung und Gefangennahme durch die ausgesandte französische Kavallerie ab. Der Regiments-Geschichte nach waren die irisch-englischen Artilleristen so sehr auf den Beschuss des Gegners konzentriert, dass sie noch in der Nacht vom 17. zum 18. Juni auf einer leichten Anhöhe in Stellung gingen und bis weit nach Mitternacht einen gegenüberliegenden Höhen-Kamm unter Feuer nahmen, auf dem mehr und mehr Einheiten der französischen Armee aufmarschierten. Im Eifer des Gefechts hatte Mercer nicht bemerkt, dass auf der hinter der Batterie liegenden Höhe von Mont St. Jean, die er bereits als nächste Abwehr-Stellung für seine Geschütze bestimmt hatte, die gesamte alliierte Armee in Bereitschaft stand. Schützen des 95ten Regiments, die in den Hecken entlang der Höhe von La Haye Sainte eine Vorposten-Linie gebildet haben, übermittelten Mercer die Nachricht, dass er nun seinen Befehl erfüllt habe.


"Royal Horse Artillery." (c. 1815)

Handcolorierte Gravur von Joseph C. Stadler aus »Costumes of the Army of the British Empire« by Charles Hamilton Smith; Colnaghi & Co. (London, 1812-1815).

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"The Royal (Regiment of) Artillery, 1717-1917." - Field Day. At the Battle of Waterloo, 1815.

Post-Karte nach einem Motiv von Henry Joseph Payne von »Tuck´s Post Card«.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"British Royal Horse Artillery"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava bei »flickr«.


Stadler - Horse Artillery

Payne - Royal Artillery

Rava - British Artillery

Am Morgen der Schlacht noch ohne konkreten Befehl, fährt Mercers Batterie bei Beginn der französischen Kanonade am rechten (westlichen) Flügel der alliierten Aufstellung auf, verstärkt hier die äußerste Flanke der britisch-deutschen Artillerie-Stellung und beteiligt sich anfänglich an dem sich zwischen den gegnerischen Batterien entwickelnden Artillerie-Duell im Rahmen der Vorbereitung bzw. Abwehr des französischen Angriffs auf das Château d'Hougoumont. Mit dem von Ney am frühen Nach-Mittag geführten Angriff des I. Corps d'Erlons werden Mercers Geschütze jedoch ins Zentrum und dort auf die vorgelagerte Höhe von La Haye Sainte beordert und dort – nahe der Position, von der aus die Einheit schon in der Nacht den Aufmarsch der französischen Armee gestört hatte – mit der Unterstützung der niederländisch-belgischen Batterien beauftragt.

Mercers Batterie wehrt den Angriff der Infanterie ab, deckt danach den Rückzug der eigenen Kavallerie und beteiligt sich entgegen Wellingtons Befehl, das Feuer der französischen Artillerie nicht zu erwidern, um nicht selbst zum bevorzugten Ziel zu werden, an dem gegen 15:30 Uhr erneut aufkommenden Artillerie-Duell. Achtung und Berühmtheit erlangen Captain Mercer und seine Kanoniere im Verlauf der von Marschall Ney ab 16:00 Uhr geführten Attacken der schweren französischen Schlachten-Kavallerie: Unter Missachtung mehrerer von Wellington persönlich an ihn verfassten Befehle, die Geschütze aufzugeben und sich in die Sicherheit der inzwischen formierten Karrees zurückzuziehen, hält Captain Mercer in exponierter Position seine Stellung und trägt mit seinem ununterbrochen kommandierten Schnell-Feuer beispielhaft mit dazu bei, dass sämtliche Attacken der französischen Kavallerie abgeschlagen werden können, wobei der sprichwörtliche Feuer-Eifer seiner Batterie insbesondere die schwere Garde-Kavallerie zu immer blind-wütiger gerittenen Attacken reizt.

"… ich ließ sie soweit unbehelligt vorrücken, bis die Spitze der Kolonne etwa fünfzig oder sechzig Yards von uns entfernt gewesen sein könnte, und gab dann den Befehl zum Feuern. Die Wirkung war schrecklich. Fast die ganze erste Reihe fiel auf einmal; und die Kartätschen, die in die Kolonnen eindrangen, brachten die ganze Ordnung durcheinander … wie eine Sense das Gras mäht, riss jeder Kanonen-Schuss Männer und Pferde zu Boden", beschreibt der 1854 zum General beförderte Artillerie-Offizier später seine Eindrücke von der Schlacht in dem von ihm veröffentlichten »Journal of the Waterloo Campaign«.

Aus welchen Gründen die französische Kavallerie, einmal auf der Anhöhe von La Haye Sainte angekommen, es jedoch unterließ, bei dieser Gelegenheit die verlassenen anglo-alliierte Geschütze – so sie sich immerhin temporär in französischem Besitz befanden – wenigstens mit Spikes zu vernageln, ist ein weiteres der vielen Rätsel des Schlacht-Geschehens.


"To the guns!" - Mercers Battery No Retreat

Illustration von Karl Kopinski.

Bildquelle: ► Blog von Karl Kopinski.


"The Charge of the Red Lancers on Mercer's Troop of Royal Horse Artillery"

Gemälde von Chris Collingwood.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Chris Collingwood auf »facebook«.


"Marschall Ney at Waterloo"

Gemälde von Henri Dupray im externer Link »Dahesh Museum of Art« (New York, USA).


Kopinski - No Retreat

Collingwood - Charge of the Red Lancers

Duhl - Ney at Waterloo

Verschiedenen Quellen nach befiehlt Marschall Ney mindestens sieben – andere Quellen nennen zwölf oder sogar dreizehn – Attacken, die sämtlich von den alliierten Karrees abgewehrt werden. Immer wieder öffnen sich die Fronten der Doppel-Reihen, ein oder zwei Kanonen-Rohre werden kurz sichtbar und schleudern im nächsten Moment und aus nächster Nähe eine weitere Kartätschen-Ladung in die herumschwärmenden Reiter-Massen. Und obwohl Dragoner und Karabiniers ununterbrochen auf die roten Linien feuern, lassen die Soldaten keine größeren Lücken entstehen und suchen immer wieder neuen Schulter-Schluss.

Gegen 17:00 Uhr setzt Ney die gesamte noch verfügbare Kavallerie ein. Kurz darauf schlagen auf die Karrees von allen Seiten insgesamt etwa 10.000 säbel-bewaffnete Reiter ein, von denen es einigen gelingt, über die Bajonett-Wälle hinwegzusetzen. Andere reißen ihre Pferde hoch, die von Schüssen und Stichen getroffen über den Infanteristen zusammenbrechen und so eine Bresche schaffen, durch die zwei oder drei nachfolgenden Reitern der Einbruch gelingt.

Keiner überlebt den kurzen Moment des Triumphes, und noch halten die Karrees stand.


Mehrfach wird das 19te Bataillon der Königlich-Niederländischen Miliz unter Major Boelaard in der 1ten Brigade der 3ten niederländischen Infanterie-Division unter General Chassé von den Carabiniers der 1ten französischen Kavallerie-Brigade unter General Blanchard (12te Kavallerie-Division im III. Kavallerie-Corps unter General Kellermann) attackiert. Wellington hatte die nur bedingt zuverlässig eingestufte niederländisch-belgische Division vor Beginn der Schlacht etwa zwei Kilometer nord-westlich von Hougoumont an der äußersten rechten (westlichen) Flanke nahe Braine l’Alleud als Reserve positioniert. Angesichts der Attacken der französischen Kavallerie im Rahmen der Umfassungs-Kämpfe bei Hougoumont hatte Luitenant-Generaal Baron David Hendrik Chassé etwa gegen 15:00 Uhr den Befehl erhalten, zusammen mit seiner Divisions-Artillerie (Batterie Krahmer; siehe dazu lokaler Link Hougoumont 15:15 Uhr…) die deutsch-britische Division General Clintons zu verstärken, die in zweiter Reihe hinter Byng´s Garde-Brigade einen etwa 500 Meter langen Abschnitt entlang der Chaussee von Mont St. Jean in Richtung Nivelles deckt. Beide Verbände stehen jetzt in der Verantwortung, die Flanke der Alliierten Stellung gegen eine der letzten jedoch gefährlichsten Reserven der französischen Kavallerie zu halten: Im Fall eines Sieges hatte Ney den beiden Regimentern der "Carabiniers-à-Cheval" – seit 1807 im Elite-Status – endlich die Aufnahme in die Kaiserliche Garde in Aussicht gestellt. Über 800 Reiter, behelmt und gepanzert mit gold-gelb glänzendem Messing-Rüstzeug, traben über das flache Gelände süd-westlich vom Château d'Hougoumont heran. Doch die gut ausgebildeten Milizionäre Chassés bleiben diszipliniert und feuern schnell aufeinander folgende Salven.

Während das "1er Régiment de Carabiniers" unter Colonel Rogé im Ergebnis der Angriffe von 32 Offizieren 21 -, von den rund 400 Mann fast zwei Drittel verloren hat, vermeldet das insgesamt rund 450 Mann starke 19te Bataillon am Ende der Schlacht Verluste von nur einem Toten; 3 Offiziere und knapp 30 Mann haben leichte bis schwerere Verletzungen davongetragen, 50 Mann werden einstweilig als vermisst gemeldet.


"La Garde à l`etendard du 1er Règiment de Carabiniers"

Aquarell von Pierre Benigni in der Sammlung des externer Link »Musée de l'Empéri« (Salon-de-Provence, FRA).


"French Carabiniers à Cheval's Charge"

Illustration von Giuseppe Rava.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava bei »flickr«.


"French Carabiners" (1810-1815)

Illustration von Tony Chito für »Esci«- später »Italeri«-Modell-Figuren.


"Royal Netherlands Infantry of the 19th Batallion Light Infantry" - Das 19te Bataillon der Königlich-Niederländischen Miliz unter Major Boelaard im Kampf mit den Carabiniers der 1ten französischen Kavallerie-Brigade unter General Blanchard.

Gemälde von Jan Hoynck van Papendrecht, lt. externer Link »Christie's« im Privat-Besitz.


"French Carabiniers" - Charge of the 2nd Carabiniers against the Square of the 23rd (Royal Welsh Fusiliers).

Illustration von Brian Palmer für »A Call To Arms«.


Benigni - Carabiniers

Rava - French Carabiniers

Chito - French Carabiniers

Papendrecht - Franse Carabiniers

Palmer - French Carabiniers

Ernsthaft gefährlich werden den Karrees nur die etwa 800 Chevaux-légers, die mit ihren 2,76 Meter langen Lanzen insbesondere auf die Reihen des 79ten Regiments (Cameron Highlanders) nahe dem östlichen Zentrum der alliierten Aufstellung einstechen. Unter ihnen der Dudelsack-Pfeifer Kenneth McKay, der – auf einer Trommel in der Mitte des Karrees sitzend; anderen Schilderungen nach vor dem Karree hin und her marschierend – seinen Kameraden populäre Melodien aus der schottischen Heimat vorspielt. Viele Hochländer singen einer Anekdote nach die melancholischen Lieder beim Laden, Zielen und Feuern mit, bis der Schwert-Hieb eines Kürassiers dem Dudelsack-Spiel ein Ende macht. Nach Darstellung der französischen Seite verlieren die Hochländer daraufhin ihren Zusammenhalt, und auch einige der benachbarten Hannoverschen Bataillone weichen. Nach britischen Beschreibungen befiehlt Wellington etwa zu diesem Zeit-Punkt Lord Uxbridge, dem General seiner Kavallerie, den Gegen-Angriff.


Mit dem Anschluss des Königreichs Holland im Jahr 1810 ging auch das bis dahin verbündete holländische Heer in der französischen Armee auf. Ursprünglich den Husaren der niederländischen königlichen Garde als ultra-leichte Kavallerie-Eskadron beigegeben, war Napoleon von der Professionalität der holländischen Lanciers in der Art begeistert, dass die Einheit mit Dekret vom 14. Juli 1810 in die kaiserlichen Garde aufgenommen -, hier mit den bereits bestehenden polnischen Lanciers zu einer Brigade vereinigt und nach deren Vorbild schließlich zum "2e Régiment de chevau-légers lanciers de la Garde Impériale" verstärkt wurde. Im Russland-Feldzug von 1812 beinahe vollständig vernichtet, wurde die Truppe 1813 auch durch Abgaben französischer und belgischer Einheiten auf zehn Eskadronen und damit fast doppelte Regiments-Stärke gebracht. Als "Corps royal des chevau-légers lanciers de France" im Jahr 1814 in die königliche Armee eingegliedert, verfiel das Regiment durch stetige Desertation beinahe der Selbst-Auflösung. Mit der Rückkehr Napoleons kehrten die kaiser-treuen Mannschaften wieder zurück und – vereinigt mit den Resten der polnischen Lanciers ("Elba-Eskadron") – kämpften unter Colonel Pierre David de Colbert-Chabanais bei Waterloo.


"Le général de Colbert-Chabanais menant les lanciers rouges à la bataille de Waterloo."

Gemälde von Alphonse Lalauze im Château d'Ainay-le-Vieil (Ainay-le-Vieil, FR).

Bildquelle: ► Wikipedia.


"Piper Kenneth McKay of the 79th Highlanders"

Gemälde von William Lockhart Bogle im externer Link »The Highlanders’ Museum« (Queen’s Own Highlanders Collection; Edinburgh, UK).


"Highlander Infantry"

Illustration von Tony Chito für »Esci«- später »Italeri«-Modell-Figuren.


Lalauze - Général Colbert ...

Bogle - Piper McKay

Chito - Highlander

Nance - Last Charge

Simkin - The 79th Highlanders

Lalauze - Lanciers rouges

Lalauze - Lanciers rouges

"Last Charge oft he Red Lancers at Waterloo"

Gemälde von Dan Nance.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Dan Nance.

"The 79th (Queen's Own) Cameron Highlanders"

Druck von George Edward Eyre and Andrew Spottiswoode, London nach einem Aquarell/Aquatinta von Richard Simkin.

Bildquelle: ► »The Highlanders’ Museum« auf Twitter.

"Charge of General Colbert and the Dutch Red Lancers at Waterloo"

Illustration von Alphonse Lalauze in »Le Drame belge de Waterloo« von General Hector Jean Couvreur; Verlag Brepols, Brüssel 1959

"La charge du 2e Régiment de Chevau-Légers Lanciers de la Garde Impériale (Lanciers rouges)."

Gemälde von Alphonse Lalauze, lt. externer Link »artnet« im Privat-Besitz.

 

Rava - British Infantry

Archer - Prepare For Cavalry

Philippoteaux - Les Highlanders ...

Wollen - The 28th ...

"British Infantry"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.

"Prepare For Cavalry" - Die Highlander vom 27ten Regiment (Inniskillings) erwarten den Angriff der französischen Kürassiere im Karree.

Gemälde von Peter Archer im externer Link »Inniskilling Museum« (The Castle Enniskillen, NI. UK).

"Les Highlanders en carré résistent aux charges des cuirassiers français" - The 27th (Inniskillings) in square.

Gemälde von Félix Philippoteaux im externer Link »Royal Victoria and Albert Museum« (London, UK).

"The 28th (1st Gloucestershire Regiment) at Waterloo"

Gemälde von William Barnes Wollen im externer Link »Bristol Museum & Art Gallery« (Bristol, UK).

 

Cartwright - Fire

Dighton - … the British Squares

Askew - Surgeon

Collingwood - Foot Guards under attack

"Ready to fire"

Druck nach einem Gemälde von David Cartwright im externer Link Auktionshaus »Bonhams« (London, UK).

"Attack on the British Squares by French Cavalry." (Im Hintergrund das brennende Chateau Hougoumont)

Aquarell von Denis Dighton im externer Link »National Army Museum« London (London, UK).

»Surgeon at Waterloo«

Gemälde von Jason Askew im externer Link Atelier des Künstlers (Windsor, West Berkshire, UK).

»The Red Square«

The 2nd Battalion centre company 1st Regiment of 1st Foot Guards under attack from the French Red Lancers.

Gemälde von Chris Collingwood.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Chris Collingwood auf »facebook«.

 

Jazet - a British square

Rousselot - 6e Lanciers

Papendrecht - Franse lansiers

Dennis - Dutch Infantry

"French Cuirassiers charging a British square."

Chromo-Litographie nach einem Gemälde von Paul-Léon Jazet in "Cassell's History of England"; Band V, Tafel 34; John Cassell and Company; London 1909-1910

Angriff des 6. Lancier-Regiments unter Colonel de Galbois auf die Schotten unter General Dennis Pack…

Aquarell von Lucien Rousselot, lt. externer Link »Invaluable« im Auktionshaus Canadian & International Works of Art (Vancouver, CA)

"Franse lansiers attaqueren Schots carré bij Waterloo" - Französische Lanciers attackieren das Karree des 92ten (Gordon Highlanders) Regiments.

Gemälde von Jan Hoynck van Papendrecht im externer Link »Nationaal Militair Museum« (Soest, NDL).

"Dutch Line Infantry"

Illustration von Peter Dennis für »Warlord Games - Black Powder«-Miniatur-Figuren.

 

ca. 17:00 Uhr


Das 33te (1st Yorkshire West Riding) Regiment, das in der 5ten Brigade von General Sir Colin Halkett im zweiten Treffen der rechten Mitte in der britischen Linie steht, hat bereits fünf Kavallerie-Angriffe abgewehrt. Tote und sterbende Reiter und Pferde bilden inzwischen einen Wall um das zusammen mit dem 69ten gebildete Karree. Aber auch innerhalb des Karrees liegen Tote und Verwundete so dicht, dass die britischen Soldaten keinen Schritt machen können, ohne auf einen verwundeten Kameraden oder eine Leiche zu treten. Als Wellington sich dem Karree kurz vor einem weiteren Angriff nähert, ruft Halkett ihm zu: "Mylord, wir sind schrecklich zerstückelt! Können Sie uns nicht für eine Weile ablösen?"

Der britische Feld-Marschall wendet sich ihm zu: "Unmöglich, Halkett! Bleiben Sie standhaft!"

"Nun gut, Mylord, wir werden stehen, bis der letzte Mann am Boden liegt!"

Kurz darauf attackiert die französische Kavallerie erneut.


"The 33rd (1st Yorkshire West Riding) Regiment stands firm"

Gemälde von David Rowlands im externer Link Museum »(ehemals) 3rd Battalion, The Yorkshire Regiment (Duke Of Wellington's)« (Strensall, York, UK).

Bildquelle: ► Online-Präsenz von David Rowlands.


"Wellington at Waterloo"

Hand-Colorierte Lithographie nach Robert Alexander Hillingford im externer Link »National Army Museum« (London, UK).


Rowlands - The 33rd stands firm

Hillingford - Waterloo

 

ca. 17:15 Uhr: V. Akt (5) - Gegen-Angriff der alliierten Kavallerie


Wenig später tauchen an der westlichen Flanke der französischen Kürassiere die leichten Dragoner (Husaren) der K.G.L. unter General-Major Wilhelm von Dörnberg auf; aus östlicher Richtung nähern sich die belgischen und niederländischen Karabiniers unter Luitenant-Generaal Jean Antoine de Collaert. Beide Verbände umfassen jeweils etwa 1.200 ausgeruhte und kampf-entschlossene Männer auf schnellen und wendigen Pferden und bilden nur die Spitze der insgesamt zwölf alliierten Kavallerie-Brigaden, die Neys inzwischen zwölfte (!) Attacke abwehren und die vollkommen abgekämpfte französische Kavallerie auf ganzer Front vom Plateau vor Mont St. Jean zurückwerfen.

Auf Wellingtons Befehl beteiligt sich auch die britische Reiterei an der Attacke gegen die französischen Kavallerie. Unter Führung von Lord Uxbridge treiben die Reiter des 12. und 13. leichten Dragoner-Regiments französische Kürassiere und Lanciers über den Kamm und das Plateau beidseits von La Haye Sainte den Hang hinunter.


Im Ergebnis der von Ney geführten Attacken bleiben mehr als die Hälfte der französischen Reiter in den vollkommen zertrampelten Feldern zwischen Waterloo und Belle Alliance tot oder schwerverwundet zurück. Und nach über neunzig Minuten ununterbrochener, blutigster und entsprechend verlustreicher Abwehr-Kämpfe hoffen die pulverrauch-geschwärzten Engländer, Schotten und Iren sowie die Deutschen, Niederländer und Belgier in den dezimierten Karrees auf Munition, die Versorgung ihrer Verwundeten und … eine Erholungs-Pause.


"Hussars um 1815" & "Light Dragoons um 1815"

Illustration(en) von Bryan Fosten für sein Uniformen-Werk »The Thin Red Line« (Windrow & Greene Ltd., London 1989).

Bildquelle(n): ► eigene Sammlung.


"10th Hussars 1811-1819"

Im Jahr 1715 befahl König Georg I. die Aufstellung einer ganzen Reihe von neuen Infanterie- und Kavallerie-Regimentern, die zur Niederschlagung des sog. Jakobiten-Aufstandes in Schottland eingesetzt werden sollten. Teil dieser Neu-Formationen war auch ein mit Order vom 22. Juli 1715 von General Humphrey Gore errichtetes Dragoner-Regiment, das im Rahmen der Cumberland-Reformen als 10tes Dragoner-Regiment gelistet und später im West Country garnisoniert wurde. Zu Ehren des zukünftigen König George IV., der 1783 den Posten des "Regimental Colonels" erhielt, bekam die Einheit den Titel "10th (Prince of Wales's Own) Regiment of (Light) Dragoons", den es auch nach der Umwandlung zum ersten Husaren-Regiment der britischen Armee im Jahr 1806 weiterführte. Zwei Jahre später – im November 1808 – landete die Einheit in Portugal und kämpfte im Halbinsel-Feldzug mit Auszeichnung. Bei Waterloo stand das Regiment unter Lieutenant-Colonel George Quentin in der 6ten (leichten) Kavallerie-Brigade.


Aquarell von Orlando Norie im externer Link »HorsePower« (Museum of The King's Royal Hussars, Winchester, UK).


Fosten - Hussars

Fosten - Light Dragoons

Norie - 10th Hussars

Lloyd - Route to Brussels

Rava - British Light Cavalry

Rava - KGL Light Cavalry

Collingwood - Counter Charge

"13th Light Dragoons on Route to Brussels, June 1815".

Gemälde von Thomas Ivester Lloyd, lt. externer Link »Artnet« im Privat-Besitz.

"British Light Cavalry 1815"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren

"KGL Light Cavalry 1815"

Illustration von Giuseppe Rava für »HäT«-Modell-Figuren.

"Counter Charge of the 12th and 13th Light Dragoons"

Gemälde von Chris Collingwood.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Chris Collingwood.

 

Simkin - Light Dragoons

Rava - British Light Dragoons

Giglioli - British Light Dragoons

Lalauze - 2e Carabiniers

"16th, 13th, 14th Light Dragoons" (1815).

Aquarell von Richard Simkin in der externer Link »Anne S. K. Brown Military Collection« (Brown University Library, Providence, Rhode Island, USA).

"British Light Dragoons - Charge of the 15th Regiment of british Dragoons"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.

"British Light Dragoons - Waterloo 1815".

Illustration von Ezio Giglioli für »esci«-Modell-Figuren.

"La charge du 2e (belges) Carabiniers" - Angriff der 2ten (belgischen) Carabiniers.

Gemälde von Alphonse Lalauze im »Musée royal de l'Armée« (Brüssel, Belgien).

Bildquelle: ► Wikipedia.

 

Gegen 17:30 Uhr hat sich die französische Kavallerie als Streit-Macht weitestgehend aufgerieben. Die Reste der Kürassier-, Dragoner- und Lancier-Regimenter, der Jäger und Grenadiere zu Pferd liefern sich zwar noch einige wütende Rückzugs-Gefechte mit den abgekämpften alliierten Infanteristen, doch insgesamt drehen die Reiter auf ihren vollkommen erschöpften Pferden zu den jeweiligen Flanken hin ab.

Auch die Männer in dem vom 33ten/69ten Regiment gestellten Karree sind nicht nur am Ende ihrer Kräfte sondern haben auch kaum noch Munition. Trommel-Wirbel klingt aus der Richtung von La Belle Alliance. Und mit einer Mischung aus Angst und Sorge, Apathie und dem Mut der Verzweiflung versuchen die Soldaten den Pulver-Qualm zu durchschauen, der sich nur langsam über dem Plateau von La Haye Sainte lichtet, doch immer wieder behindern dichte Rauch-Wolken die Sicht, die vom brennenden Hougoumont herüberziehen. Die Trommeln wechseln in den Schlag-Takt der französischen Marsch-Geschwindigkeit…


Die im Nachhinein ermittelten Opfer-Zahlen für das 33te und 69te Regiment stehen beispielhaft für die durchschnittlichen Verluste der alliierten Einheiten: In beiden Regimentern, die bei Waterloo jeweils etwa 550 Mann gestellt haben, verlor jeder zehnte Soldat und jeder sechste Offizier sein Leben. Mehr als dreißig Prozent der Soldaten und Offiziere erlitten schwere bzw. behandlungsbedürftige oder folgenreiche Verwundungen; die Quote der Vermissten fiel von anfänglich fünfzehn auf letztendlich rund zehn Prozent der Soldaten und Unteroffiziere.


"Waterloo - Quelle Affaire!"

Illustration von Peter Dennis für externer Link »River Horse (Europe) Ltd«.


"Die Schotten bei La Haye Sainte"

Gemälde von Thomas Jones Barker im »Army and Navy Club« (London, UK).

Bildquelle: ► Wikipedia.


Dennis - Waterloo

Barker - La Haye Sainte

 Anmerkung. 


In vielen Gemälden der Schlacht von Waterloo werden die von den Alliierten formierten Karrees als quadratische Aufstellungen mit lang-gestreckten Fronten dargestellt. Tatsächlich waren die Karrees wesentlich kleiner.

Ein Regiment der britischen Linien-Infanterie im Feld umfasste etat-mäßig acht Zentrums- (Füsilier-) Kompanien, die in der Regel zwei Treffen zu zwei Flügel formierten und an den Flanken der Aufstellung rechts von einer Grenadier- sowie links von einer leichten Kompanie gedeckt wurden. Die Soll-Stärke einer britischen Linien-Einheit betrug – ohne Kapelle – 665 Mann; ein Bataillon der K.G.L. zählte 520 Mann. Eine britische Kompanie stellte 48 Gefreite, dazu 4 Corporale und 3 Sergeanten (wobei der dienst-älteste Sergeant den Rang des Sergeant-Majors bekleidete). Kommandiert wurde die Kompanie vom Captain; ihm standen 2 bis 3 Junior-Offiziere in den Rängen Commander, 1st und/oder 2nd Lieutenant und ein Ensign als Offiziers-Anwärter zur Seite. Dazu 2 Drummers (Pipers bei den Grenadieren bzw. Buglers bei den Schützen; der jeweils älteste im Rang des Drum- oder Fife-Majors) und ein Pioneer, der zusammen mit seinen Kameraden aus den anderen Kompanien einem Corporal unterstand und in der Schlacht die Deckung der Fahnen in der Mitte der beiden Flügel zu stellen hatte. Im Gegensatz zu allen anderen europäischen Armeen formierte eine britische Kompanie lediglich zwei Glieder ("The thin red Line"), die jedoch im zweiten Treffen von einer weiteren Kompanie verstärkt wurde. Im Karree zu üblicherweise vier Gliedern bildeten je zwei Kompanien eine Front; die Kanten wurden von den vier Korporalschaften der Grenadiere gestellt; die Schützen als Plänkler vor -, bei der Abwehr feindlicher Kavallerie in der Front. Geschlossen Schulter an Schulter stehend, kann das Karree eines einzelnen Regiments somit nicht größer als fünfundzwanzig Meter im Quadrat gewesen sein; die auf dem Höhepunkt der Schlacht gebildeten Doppel-Karrees entsprechend doppelt so groß…

Einzig die Bataillone der britischen Garde-Infanterie – bei Waterloo mit vier Einheiten vertreten – verfügten regulär über den doppelten Etat an Mannschaften und konnten dementsprechend Karrees von etwa 50 Metern Kanten-Länge bilden.

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ca. 16:30 Uhr: VI. Akt (1) - Angriff des IV. preussischen Korps.


Etwa zu der Zeit, als die zweite Attacke der französischen Kürassiere durch den sich plötzlich auftuenden Hohl-Weg von Ohain ein überraschendes Ende findet, beginnt unterhalb des von den Nassauern besetzten Dörfchen Frichermont am östlichen Rand des Schlacht-Feldes der Auftakt der preussischen Armee: Aus dem als Wald von Paris bezeichneten Gehölz eröffnen die Wehr-Männer des 1ten und 2ten, 3ten und 4ten schlesischen Landwehr-Regiments und die Füsiliere des 3ten und 6ten Reserve-Regiments, die zusammen die 15te und 16te preussische Infanterie-Brigade bilden, das Feuer auf die rechte Flanke der zwischen Papelotte und Frichermont stehenden Infanteristen der 2ten französischen Brigade unter Général Jean-Louis Brue, der – nicht nur vollkommen überrascht, sondern bald auch entsprechend demoralisiert – kurz darauf den Rückzug einleitet. Und waren Napoleon und die Offiziere seines Stabes bis dahin noch der festen Überzeugung, dass mit der Ankunft des Marschalls Grouchy – insbesondere der ihm unterstellten 33.000 Mann samt 96 Geschützen – die Schlacht innerhalb einer Stunde gewonnen ist, so schwindet unter den Marschällen und Generälen Napoleons mit der Kenntnis, dass die blau-schwarzen Linien, die die linke (östliche) Flanke der französischen Armee und damit primär Plancenoit bedrohen, nur die Avant-Garden der preussischen Armee sind, die Sieges-Zuversicht und sämtliche damit verbundenen Hoffnungen.


"Unteroffizier und Wehrmann - Schlesische Landwehr."

Unbekannter Künstler. Hand-Colorierte Lithographie; ca. 20,5 x 13,5cm.

Beilage aus »Der Soldatenfreund« (Zeitschrift für faßliche Belehrung und Unterhaltung des Preußischen Soldaten); Hrsg. von Louis Schneider; A.W. Hayns Erben (Berlin um 1870).

Eigene Sammlung.


Schlesische Landwehr

Obwohl Stärke und Gliederung der preussischen Armee bekannt sind und Napoleon über Marsch-Richtung und jeweilige Position der einzelnen Korps regelmäßig informiert wird, scheint er von der Ankunft des IV. Korps unter General-Leutnant von Bülow für Momente gelähmt. Tatsächlich ist der preussische Aufmarsch eine logistische Meister-Leistung, die von Blüchers Stabs-Chef General-Leutnant August Neidhardt von Gneisenau geplant und koordiniert worden war. Detailliertes Karten-Werk für die schon damals durch kleine Pacht-Höfe und Dörfer zersiedelte Region der Provinz Wallonisch-Brabant war zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht -, Wege-Karten mit halbwegs zuverlässigen Maß-Stäben kaum gegeben. Zwar waren die Handels-Routen und Verkehrs-Straßen von und nach Brüssel weitestgehend gepflastert; auch war die Gegend beidseits der Straßen landwirtschaftlich erschlossen, doch über das Netz der Schleich-Wege und verschlungenen Trampel-Pfade abseits der Haupt-Straßen, die durch die – damals noch vorhandenen – dichten wallonischen Laub-Wälder zwischen Wavre und Waterloo führten, gab es nur provisorische Skizzen, die von Gneisenaus Offizieren am Vortag flott handgezeichnet worden waren und damit nur wenig Orientierung gaben.


"General-Leutnant August Wilhelm Antonius Graf Neidhardt von Gneisenau" (1760-1831).

Nach einem Motiv von Wilhelm Camphausen. Sammel-Bild Nr. 151 aus »Bilder Deutscher Geschichte« (Sammelbilder-Album No. 12, Cigaretten-Bilderdienst, Altona-Bahrenfeld, Hamburg, 1936).

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


Camphausen - Gneisenau

Am Morgen des 18. Juni hatten die Preussen die Dyle in und um Wavre überquert. Der Bach war zwar nur wenige Meter breit, jedoch von den Regen-Fällen angeschwollen, an seinen Ufern sumpfig oder in tiefen Tal-Einschnitten gebettet. Vier Routen führten 1815 von Wavre aus in östliche Richtung: Durch Wälder, über ein Gewirr von Bächen und Gerinnseln und vorbei an morastigen Senken und Tümpeln. Dem forschen Wanderer mag eine Distanz von etwa sieben Kilometern (gemessen von der Chapelle-Saint-Lambert – Stand der Preussen gegen 14:00 Uhr – hin zur Kreuzung von La Haye Sainte), die unter normalen Verhältnissen binnen Stunden-Frist zurückgelegt werden können, gering erscheinen. Doch berücksichtigt man, dass Gneisenau vor der Aufgabe stand, einen schlag-kräftigen Verband von mindestens 50.000 Mann und wenigstens 100 Geschütze in der Art geschlossen zu bewegen, dass die nach und nach eintreffenden Einheiten der preussischen Armee nicht umgehend von überlegenen feindlichen Kräften aufgerieben werden, ahnt man die Komplexität der Angriffs-Vorbereitungen. Letztendlich ist die rechtzeitige Ankunft der Preussen wohl einem Hirten-Jungen zu verdanken, der General Bülow als Führer gedient und das IV. Korps durch das Labyrinth der Wälder und vorbei an den vom Wasser der Dijle und Lane gefüllten Senken und Schluchten bei Maransart geführt hat, die für Infanterie und Kavallerie nur schwer -, für Artillerie und Tross keinesfalls zu überwinden gewesen wären. Immer wieder müssen die wenigen Pioniere für die Artillerie- und Munitions-Gespanne Breschen schlagen und die zerstampften und zerfahrenen Wege mit Unterholz befestigen. Fast zwei Stunden dauert es, bis das Gros des IV. Korps die durchschnittlich etwa einen Kilometer langen Wald-Wege in Richtung Frichermont-Plancenoit passiert hat. Und während die rund 25.000 Mann des von General-Leutnant von Thielmann geführten III. preussischen Korps die etwa 33.000 Mann des französischen Marschalls Grouchy, die Napoleon dringend auf dem Schlacht-Feld von Waterloo erwartet, im Nah- und Häuser-Kampf um und in dem etwa 15 Kilometer entfernten Städtchen Wavre verwickelt, erreichen die von Bülow persönlich begleiteten Voraus-Abteilungen des IV. preussischen Korps gegen 16:00 Uhr den östlichen Rand des Schlacht-Feldes. Doch noch ist der General gezwungen, abzuwarten, bis die Masse seiner zwölf Linien-, Landwehr- und Reserve-Infanterie-Regimenter, die zehn Kavallerie-Regimenter und die elf Batterien mit über 120 Geschützen eingetroffen sind.


"Blücher im Eilmarsch auf Waterloo."

Gemälde von Emil Hünten im ehemaligen Schlesischen Nationalmuseum von Breslau (heute »Muzeum Narodowe we Wrocławiu«, Polen).

Bildquelle: ► »Gazeta Wyborcza« (Polen).


"Blücher auf dem Weg nach Waterloo."

Post-Karte aus einer Serie zur Schlacht von Waterloo; Verlag Dr. Trenkler & Co.; Brüssel um 1910.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Die Preussen unter Blücher bei Waterloo."

Postkarte aus einer Werbe-Kartenserie zum 100-jährigen Jubiläum der Befreiungskriege und des Sieges über die napoleonischen Besatzungstruppen. Emil Uhlmann, G.m.b.H. - WEZEL & NAUMANN AG; LEIPZIG.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Blücher auf dem Schlachtfeld."

Sehr wahrscheinlich zeigt die Szene den Moment, in dem Blücher der schlesischen Landwehr den Sturm-Angriff auf Plancenoit befiehlt. Halb-rechts hinter Blücher reitet General Gneisenau, Stabs-Chef und strategisch-taktischer Kopf der preussischen Armee; zwischen den beiden ein westfälischer Stabs-Offizier.

Gemälde von Ludwig Elsholtz in der externer Link »Eremitage« (St. Petersburg; RUS).


"General-Leutnant Friedrich Wilhelm Freiherr von Bülow und Dennewitz" (1755-1816).

Nach einem Motiv von Ernst Gebauer. Sammel-Bild Nr. 131 aus »Bilder Deutscher Geschichte« (Sammelbilder-Album No. 12, Cigaretten-Bilderdienst, Altona-Bahrenfeld, Hamburg, 1936).

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


Blücher auf dem Weg nach Waterloo

Blücher auf dem Weg nach Waterloo



Blücher auf dem Schlachtfeld von Waterloo

Gebauer - Bülow

Mit General Bülow ist auch Feld-Marschall Gebhard Leberecht von Blücher am Schau-Platz eingetroffen. Obwohl der 72-jährige infolge seines bei Ligny erlittenen Sturzes unter starken Schmerzen leidet, will der (von seinen Soldaten als "Marschall Vorwärts" betitelte) Ober-Kommandierende es sich nicht nehmen lassen, den Aufmarsch seiner Armee an vorderster Front zu führen.

Erst gegen 17:00 Uhr – der Überlieferung nach von Blücher schnodderig kommentiert: "Man muss der englischen Armee Luft machen!" – treten die ersten vier preussischen Brigaden (die 15te unter Losthin auf der rechten Seite; die 16te Hiller links, gefolgt von der kurz darauf eintreffenden 13ten unter von Hacke und der 14ten von Ryssel) aus den Wäldern, schwenken parallel zur Chaussee zwischen Brüssel und Charleroi in Schlacht-Linien ein und beginnen vorbei an Frichermont mit Marsch-Richtung entlang des Weges von Lasne nach Plancenoit den Angriff auf den östlichen bzw. rechten Flügel der französischen Armee, der von den etwa 10.000 Mann des VI. französischen Reserve-Corps unter Divisions-General Lobau erst seit etwa 15:45 Uhr gedeckt wird. Einheiten der französischen Reserve-Kavallerie – drei Regimenter Jäger zu Pferd der 3ten Kavallerie-Division unter General Domon – versuchen den Aufmarsch zu stören und die sich formierenden Linien bestenfalls zu zerschlagen, doch unter Deckung der von Prinz Wilhelm von Preussen geführten Korps-Kavallerie fahren drei berittene Batterien der Landwehr-Artillerie zu Pferd mit insgesamt 36 (?) Kanonen auf und eröffnen das Feuer auf die attackierenden Reiter und bald darauf auch auf Plancenoit, wo wenig später erste Brände ausbrechen. Das 2te Schlesische Husaren-Regiment und die Neumärkische Landwehr-Kavallerie rücken durch die Infanterie-Brigaden vor und greifen die Jäger von den Seiten an; das 3te Schlesische Landwehr-Kavallerie-Regiment bildet das Zentrum. Zusammen schlagen die Schlesier Domons Jäger zurück. Zwischenzeitlich ist auch die preussische Korps-Artillerie aufgefahren: Die ersten Salven, die gegen 16:30 Uhr Wellington den Beginn der preussischen Offensive signalisieren, erreichen auch die Reihen der Garde hinter La Belle Alliance; Napoleon gerät jetzt persönlich in die Gefahr, getroffen zu werden und seine Armee steht vor der Bedrohung, rückwärtig umfasst zu werden.


In der nach den Vorschlägen des Militärreform-Komitees unter General Scharnhorst im Jahr 1808 formierten preussischen Landwehr dienten sämtliche wehrpflichtigen und verwendungsfähigen Männer im Alter zwischen 17 bis 40 Jahren, die nicht einer regulären Linien-Einheit angehörten. Wehrfähige Männer bis zu einem Alter von 60 Jahren wurden mit Edikt vom 21. April 1813 in den Landsturm eingereiht.

Die preussischen Provinzen (Brandenburg, die Kur-Mark, Ost- und West-Preussen, Pommern und Schlesien) errichteten nach der vom König am 17. März 1813 unterzeichneten Stiftungs-Urkunde rund 150 Landwehr-Bataillone, die neben der regulären Linien-Infanterie in die Befreiungs-Kriege von 1813/14 zogen. Schlesien formierte insgesamt 17 Landwehr-Infanterie-Regimenter, die gemäß A.K.O. vom 1. Dezember 1809 gelbe Kragen- und Ärmel-Aufschläge als Provinzial-Farben führten.

Entgegen den Regimentern der Linien-Infanterie zeigte die Farbe der Schulter-Klappen bei der Landwehr anfänglich die Bataillons-Zugehörigkeit an: 1tes Bataillon weiß, 2tes rot und 3tes gelb; ein 4tes (Reserve- oder Depot-) Bataillon mit blauen Stücken kam selten vor. Ziffern auf den Klappen zeigten die Regiments-Nummer an.

Im Jahr 1815 standen die 1te und 2te sowie die 3te und 4te Schlesische Landwehr in der 15ten bzw. 16ten Infanterie-Brigade des IV. AK unter General Friedrich Wilhelm Freiherr von Bülow.


"Preussen. Offizier vom 2. Schlesischen Husaren-Regiment um 1812."

Tafel 09 aus Band VII. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Preussen. Landwehr-Infanterie. Mannschaften aus Ost-Preussen und Pommern, Schlesien und Kurmark." (Infanterie des IV. Korps)

Tafel 37 aus Band XVII. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Preussen. Schlesische Landwehr-Kavallerie. 7tes und 3tes Regiment."

Tafel 3 aus Band XIV. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"The opening salvos from the artillery of the IV Korps at Plancenoit."

Illustration von Gerry Embleton für »Waterloo 1815« von John Franklin; Osprey Publishing, 2014.


"Prussian Landwehr Cavalry."

Illustration von Gerry Embleton für »Waterloo 1815« von John Franklin; Osprey Publishing, 2014.


Knötel - Uniformenkunde

Knötel - Uniformenkunde

Knötel - Uniformenkunde

Embleton - The light companies … at Hougoumont

Dennis - Landwehr

Rava - Landwehr

Shumate - Landwehr

Zgonnik - Landwehr

"Prussian Landwehr"

Illustration von Peter Dennis für »Warlord Games - Black Powder«-Miniatur-Figuren.

"Prussian Landwehr (1813-1815)"

Illustration von Giuseppe Rava für »HäT«-Miniatur-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava bei »flickr«.

"Prussian Landwehr Regiment (1813-1815)"

Illustration von Johnny Shumate für »Warlord Games - Black Powder«-Miniatur-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Johnny Shumate.

"Silesian Landwehr"

Illustration von Dmytro Zgonnik.

Bildquelle: ► Blog von Dmytro Zgonnik.

 

Mit Beginn des preussischen Angriffs hat der Kaiser seinen Kommando-Posten nahe der Farm von Rossomme zum sog. "Decoster"-Haus verlegt, das sich auf der östlichen Seite der Brüsseler Chaussee und südlich der Kreuzung nach Plancenoit befindet und den Blick über beide Schau-Plätze ermöglicht. In der Position des Angreifers hat der Kaiser keinen Grund gesehen, die rund fünfzig Garten-Höfe um die wuchtige Wehr-Kirche "Sainte-Catherine", die zusammen die Ortschaft Plancenoit bzw. die rechte Flanke seiner Aufstellung bilden, in sein strategisches Konzept einzubinden. Jetzt aber muss er erkennen, dass die Ortschaft der preussischen Armee gleich einem Tor den Weg hinter die französischen Linien eröffnet und seine Armee in diesem Fall gegen drei Fronten ankämpfen müsste. Der Rückzug in Richtung Nivelles-Charleroi oder nach Jemappes wäre damit verlegt. Mit Sorge beobachtet er, wie Lobaus acht Infanterie-Bataillone versuchen, gegen Bülows Brigaden standzuhalten; entspannt sich aber, als es der französischen Corps-Artillerie gegen 17:15 Uhr gelingt, gleich drei (andere Quellen nennen vier) Geschütze der 14ten preussischen Landwehr-Artillerie außer Gefecht zu setzen und die französische Infanterie darauf im Sturm-Schritt zum Angriff vorgeht und den Gegner gegen 17:30 Uhr sogar zurückdrängen kann.


"French Imperial General Staff"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Miniatur-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava.


Rava - French General Staff

 

ca. 17:30 Uhr: VI. Akt (2) – Das Massaker in Plancenoit.


Der unter hohen Verlusten vorangetriebene Erfolg der Franzosen ist nur von kurzer Dauer: Nicht nur, dass Lobaus rechter Flügel bald unter dem Druck steht, von den Preussen aufgerollt zu werden, eröffnet auch die preussische Artillerie ein dichtes Sperr-Feuer, dass die französischen Kolonnen mehr und mehr in Richtung Plancenoit zurück-, dort – und umgehend verfolgt von der vierfach überlegenen preussischen Infanterie – in die Vorgärten und schließlich in die Deckung der Häuser zwingt. Mit dem Bajonett eröffnen sich die nachfolgenden Wehr-Männer der 16ten Brigade den Zugang in die Ortschaft und kämpfen sich erbarmungslos in Richtung des Orientierung bietenden Kirch-Turm im Zentrum von Plancenoit vor. Turm und Kirche, der Kirch-Platz samt dem angrenzenden Friedhof liegen auf einer Anhöhe, die von einer knie- teilweise hüft-hohen Feldstein-Mauer eingefasst ist. Die Sturm-Spitzen des 15ten preussischen (3ten Reserve-) Infanterie Regiments haben sich dem Kirchen-Gelände etwa auf dreißig Schritt genähert, als hinter den Mauern die Voltigeure der leichten Kompanien des 84ten französischen Linien-Infanterie-Regiments auftauchen und ihre Musketen anlegen. Hinter den Fenster-Lichten in den umliegenden Häusern bringen die Füsiliere ihre Gewehre in den Anschlag. Im nächsten Moment geht aus nächster Nähe ein verheerender Kugel-Hagel auf die Preussen nieder. Die nachrückenden Infanteristen, die darauf gesetzt haben, die etwa zwanzig Sekunden nutzen zu können, die die französischen Schützen zum Laden ihrer Waffen benötigen, werden vom Kartätsch-Feuer zweier plötzlich unter Deckung der Grenadiere auffahrenden Kanonen "wie Herbstblätter im Sturm weggeblasen". Zwar gelingt es den Preussen, in den dann ausbrechenden Zwei-Kämpfen die Kanonen samt einer Haubitze und mehrere Munitions-Wagen zu erobern, doch kaum einer der blindwütig aufeinander einstechenden Männer nimmt im Gefechts-Lärm den Kanonen-Donner wahr, der gegen 17:45 Uhr aus westlicher Richtung herüber dröhnt: Lobaus Corps-Artillerie auf der Höhe süd-östlich von Belle Alliance hat zur Verstärkung 24 Geschütze der Garde-Artillerie bekommen. Und da Freund und Feind im Qualm der brennenden Häuser und im Durcheinander der Nahkämpfe nicht unterschieden werden können, nehmen die Kanoniere einfach die Straßen samt den dort ineinander verbissenen Soldaten unter Beschuss.

Kurz nach 18:00 Uhr erteilt der Kaiser General Guillaume Philibert Duhesme den Befehl, General Lobau mit allen acht Bataillonen der ihm unterstehenden "Jungen Garde" – zusammen über 4.000 Mann – zu Hilfe zu kommen und Plancenoit zurückzugewinnen. "Geht Plancenoit verloren, ist die Schlacht verloren", macht er ihm deutlich.

Duhesme formiert seine vier Garde-Regimenter in drei Kolonnen: Die beiden Bataillone des 1ten Tirailleur-Regiments schwärmen nördlich und südlich der Ortschaft aus; die Masse seiner Division trifft etwa um 18:30 Uhr vor der westlichen Grenze des Dorfes ein und die Garde-Bataillone vereinigen sich dort mit einigen leichten Kompanien des 5ten, 11ten und 27ten Infanterie-Regiment, die zusammen zum Gegen-Angriff übergehen und – zwar unter außerordentlich hohen Verlusten doch letztendlich gemäß Napoleons Befehl – gegen 19:00 Uhr Plancenoit zurückerobert haben. Und während Lobaus Infanteristen den preussischen Bataillonen nachrücken, besetzen nun die Tirailleure und Voltigeure der Jungen Garde das Dorf und bereiten sich auf den nächsten Sturm-Angriff der Preussen vor. Da Bülows Korps jedoch gezwungen ist, im Norden den Anschluss an die Nassauer nicht abreißen zu lassen; gleichzeitig im Süden Lobaus Gegen-Angriff abwehren und die eigene linke Flanke decken muss, hat sich die preussische Front um das Doppelte gedehnt und entsprechend an Tiefe und Schlag-Kraft verloren. Nach kurzem Widerstand ziehen sich die vollkommen durcheinander geratenen Regimenter, Bataillone und Kompanien des preussischen IV. Korps kämpfend vor den nur noch 6.500 Mann zählendem Corps Lobaus und aus der Reich-Weite der französischen Artillerie östlich von Belle Alliance zurück. Aufgefangen werden die Einheiten von der 5ten Brigade des II. preussischen Korps unter General-Leutnant Pirch, die seit etwa 18:00 Uhr nach und nach südlich des sog. Waldes von Paris eintreffen; hinter Smohain, am äußersten nord-östlichen Rand der alliierten Stellung, verstärken die ersten Verbände des III. Corps unter General-Leutnant Thielmann die Nassauer unter Prinz Karl Bernhard von Sachsen-Weimar-Eisenach.


Der erste Angriff auf Plancenoit ist gescheitert; das Gefecht entwickelt sich zum Stellungs-Kampf mit wechselndem Erfolg, und Feld-Marschall Blücher findet nach einem seiner gefürchteten Wut-Anfälle wieder zur Ruhe. Gneisenau erhält Befehl, einen Angriffs-Plan vorzubereiten, der größere Erfolgs-Aussichten hat.


Mit kaiserlichem Erlass vom 16. Januar bzw. 10. Mai 1809 befahl Napoleon die Aufstellung von zwei neuen Infanterie-Regimentern, mit denen ein Verband begründet wurde, der gleichsam als Ansporn für Soldaten der Linien-Infanterie dienen als auch den Nachwuchs des kaiserlichen Garde-Korps sicherstellen sollte: Das 1te Regiment der Tirailleurs-Grenadiere sowie 1te Regiment der Tirailleurs-Chasseurs (mit Dekret vom 30. Dezember 1810 umbenannt zum "1er régiment de Tirailleurs de la Garde impériale" bzw. "1er régiment de Voltigeurs…") bilden den Beginn der "Jungen Garde", die bei Waterloo mit insgesamt vier Regimentern vertreten ist.


"1tes Regiment Tirailleurs (Tirailleur-Grenadiere) der Jungen Garde des Kaisers"

"1tes Regiment Voltigeurs (Tirailleur-Chasseurs) der Jungen Garde des Kaisers"

"1tes Regiment Voltigeurs (Tirailleur-Chasseurs) der Jungen Garde des Kaisers"

Illustration(en) von Keith Rocco - mittig für das Cover »Napoleon's Imperial Guard - Uniforms and Equipment«;Volume 1: The Infantry (Paul L. Dawson, Verlag Pen & Sword Books)

Bildquelle(n): ► Keith Rocco auf »facebook« sowie ► Online-Präsenz von Keith Rocco.


"Plancenoit"

Illustration von Keith Rocco für das Cover »Waterloo - Napoleon´s Last Army«; Lombardy Studios (Oakland, California, USA)

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Keith Rocco.

Rocco - Tiraileurs der Jungen Garde

Rocco - Voltigeurs der Jungen Garde

Rocco - Voltigeurs der Jungen Garde

Rocco - Plancenoit
 

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ca. 17:30 Uhr: VII. Akt (1) - Kampf um La Haye Sainte.


Obwohl die Aussicht auf einen Sieg für den Kaiser mit Beginn der preussischen Offensive und jeder eintreffenden preussischen Kompanie schwindet, nimmt Marschall Ney vor der zerfetzten Front der Alliierten immer wieder neuen Anlauf, das Zentrum der Aufstellung am Kreuz-Weg vor der Anhöhe des Mont St. Jean zu spalten. Gedeckt wird die Schnitt-Stelle von dem vorgelagerten Gut von La Haye Sainte, das sich wie eine aus dem Wall einer Befestigung hervorspringende Bastion bestens dazu eignet, Angreifer im Raum vor den alliierten Linien seitlich unter Feuer nehmen zu können.

Bereits zweimal hat sich La Haye Sainte bestens bewährt, die von Ney geführten Zentral-Angriffe abzuweisen: Zwischen 14 und 15:00 Uhr scheiterten hier die beidseits geführten Sturm-Angriffe des 54ten und 55ten französischen Linien-Infanterie-Regiment der 1ten Brigade unter General Quiot (siehe dazu lokaler Link Ney führt den Angriff des I. Corps); zwischen 16 und 17:00 Uhr erfuhren Milhauds Kürassiere hier erhebliche Verluste. Hunderte französische Füsiliere, Grenadiere und Voltigeure, Kürassiere und Lanciers haben im Umfeld der Hof-Mauern inzwischen ihr Leben verloren; die die französischen Angriffe wie ein Wellen-Brecher abfangen.


Gegen 17:30 Uhr erteilt Napoleon Ney den Befehl zur Einnahme von La Haye Sainte.

Koste es, was es wolle…

Und in diesem Befehl erklärt sich auch der Trommel-Schlag, der gegen Ende der Attacken der französischen Kavallerie durch den Rauch des brennenden Chateaus von Hougomont hinüber zu den abgekämpften Karrees der Alliierten dröhnte.


Das direkt an der Chaussee nach Brüssel bzw. vor der Kreuzung des Hohl-Weges von Ohain gelegene Hof-Gut von La Haye Sainte – wesentlich kleiner als das Château d'Hougoumont – besteht aus einem Wohn- und mehreren Stall- und Scheunen-Gebäuden, die von drei Seiten einen Innen-Hof von etwa 40 mal 40 Meter einfassen. Zur Straße nach Brüssel hin wird der Hof von einer hohen Ziegelstein-Mauern abgegrenzt, in die das von einem Tauben-Schlag überdachte Haupt-Tor eingelassen ist. Südlich des Hof-Komplexes – hin zu den französischen Linien – schließt sich ein von dichten Hecken eingefasster Obst-Garten an; nördlich ein Gemüse-Garten, der zur Straße hin ebenfalls von einer Stein-Mauer abgegrenzt wird. Die exponierte Lage vor dem Zentrum der alliierten Front -, insbesondere die aus massiven Ziegel-Stein errichteten und damit Schutz und Deckung bietenden Gebäude und Mauern, eignen sich im wahrsten Sinne als hervorragende Verteidigungs-Anlage, womit der gesamte Komplex als strategisch wichtige Schlüssel-Stellung von den Alliierten provisorisch befestigt und besetzt wird. Mit der Verteidigung von La Haye Sainte sind die rund 400 Schützen des 2ten leichten (Rifles-) Bataillons der King’s German Legion unter Major Georg von Baring beauftragt, Unterstützung sollen das 1te leichte Bataillon der K.G.L. unter Major Dietrich Wilhelm Stolte -, die leichte Kompanie des 5ten Linien-Bataillons der K.G.L. und zwei leichte Kompanien des Nassauischen Infanterie-Regiments bieten.

Überwiegend mit den treff-sicheren "Baker-Rifles" bewaffnet.


"Frankreich. Leichte Infanterie unter Napoleon I (1806-1812). Voltigeure. Jäger.."

Tafel 50 aus Band XII. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Hannover. Englisch-Deutsche Legion (KGL - Kings German Legion). 1tes leichtes Bataillon. Gemeiner. Büchsenschützen. Offiziere."

Tafel 40 aus Band XIV. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Hannover (Britannien). Englisch-Deutsche Legion (KGL - Kings German Legion). Soldat der Zentrums-Kompanien. Scharfschütz. Scharfschützen-Offizier. Grenadier. Offizier."

Tafel 24 aus Band III. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


Knötel - Uniformenkunde

Knötel - Uniformenkunde

Knötel - Uniformenkunde

Nach erneuter Vorbereitung durch die Artillerie übernimmt Marschall Ney kurz nach 17:30 Uhr das Kommando über das 13te leichte Infanterie-Regiment (2te Division Donzelot; I. Corps d'Erlon). Unterstützt von mindestens einer Batterie der leichten Artillerie und begleitet von einer Kompanie Pioniere sowie gefolgt von einigen eiligst wieder formierten Einheiten von Milhauds Kürassier-Division führt Marschall Ney die Carabiniers, Tirailleurs und Chasseurs im Lauf-Schritt vor die Mauern von La Haye Sainte, in die die hannoverschen Schützen zahlreiche Schieß-Scharten eingelassen haben und die Angreifer gezielt unter Feuer nehmen. Die französischen Pioniere werfen Granaten in die Scharten und versuchen Breschen in die Mauern zu sprengen, die mit Hacken, Beilen und Äxten mühsam und verlustreich erweitert werden. Vor und hinter den Durchbrüchen liegen die Leichen von Angreifern und Verteidigern bald dicht übereinander. Der Überlieferung nach lässt Marschall Ney aus den Trümmern eines Schuppens einen-Dach-Balken herauszerren, mit dem etwa zwei Dutzend todes-mutige Infanteristen unter außerordentlich hohen Verlusten immer wieder gegen das bereits während des ersten Angriffs stark beschädigte, nunmehr notdürftig reparierte und mit Schutt und Feld-Steinen verbarrikadierte Tor anrennen.

Kurz vor 18:00 Uhr gelingt es einigen Franzosen, durch eine kleine Neben-Tür nahe der Scheune in den Hof einzudringen und die Verteidiger in blutigen Bajonett-Kämpfen zurückzudrängen. Andere überklettern die Mauern. Angeführt von Lieutenant Vieux, der das Haupt-Tor mit einer Axt zertrümmert hat, eröffnen die französischen Pioniere kurz darauf auch die Einfahrt zum Hof. Da den deutschen Verteidigern die Munition ausgeht, wird auch das Feuer aus den Fenstern des Guts-Hauses immer schwächer; die Nah-Kämpfe werden entsprechend verzweifelter und verlustreicher; die Schützen schlagen schließlich mit den Kolben ihrer Büchsen um sich.


"With the Skirmishers"

Die Carabiniers, Tirailleurs und Chasseurs der "Infanterie légère" im Sturm auf La Haye Sainte.

Gemälde von Keith Rocco.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Keith Rocco.


"French attack on the farmhouse of La Haye Sainte"

Illustration von Steve Noon für »Warlord Games - Black Powder«.

Bildquelle: ► Online-Galerie von Steve Noon..


"Die Verteidigung des Meierhofes La Haye Sainte"

Gemälde von Adolph Northen im Historischen Museum Hannover.

Bildquelle: ► »Museum Digital«.


Rocco - Skirmishers

Noon - French attack

Northen - La Haye Sainte

 

ca. 18:00 Uhr: VII. Akt (2) - Entlastungs-Angriff der K.G.L.


Hinter dem Zentrum der alliierten Stellung beobachtet der Prinz von Oranien die Entwicklung der Kämpfe. Angesichts der in lockeren Schützen-Linien vorgehenden Voltigeure und der nachrückenden französischen Infanterie befiehlt er Carl von Alten, dem Divisions-Kommandeur der K.G.L., die Karrees aufzulösen und als erstes das 5te (hannoversche) Infanterie-Bataillon der K.G.L. unter Oberst Friedrich Wilhelm von Ompteda in Linie gegen die Franzosen vor dem Guts-Hof in Marsch zu setzen. Die ernsten Warnungen und schließlich laut vorgetragenen Proteste von Oberst Ompteda, der seinen Kommandeur nicht nur auf eine Vielzahl frontal anrückender Kürassiere hinweist, sondern auch auf eine Artillerie-Batterie aufmerksam macht, die zu diesem Zeit-Punkt auf dem der alliierten Linie vor- und dem Hof gegenüber gelegenen Höhen-Kamm auffährt, weist der taktisch weitestgehend unerfahrene Prinz unter Verweis auf seinen Rang, seine Stellung als Stellvertreter Wellingtons und die damit gegebene Befehls-Hoheit erbost zurück. Zwar können die von General-Leutnant von Alten eiligst herangezogenen Scharf-Schützen vom 1ten Bataillon des 95ten Regiments einen großen Teil der Kanoniere von der Höhe herunterschießen bzw. von ihren Geschützen vertreiben, doch besteht der Prinz auf die Ausführung des von ihm erteilten Befehls: Rund 430 Soldaten und Offiziere des 5ten Bataillons marschieren kurz darauf gegen die Pallasche der französischen Kürassiere…


"French Imperial Guard Horse Artillery" (Berittene Artillerie der Kaiser-Garde; 1812-1815).

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.


"The 95th" – "Green Jackets" - "The Rifle-Brigade"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava bei »flickr«.


"La Haye Sainte" – Der Untergang des 5ten Linien-Infanterie-Bataillons der K.G.L.

Gemälde von Pamela Patrick White.

Bildquelle: ► Online-Galerie von Pamela P. & Bryant White.


Rava - Guard Horse Artillery

Rava - The 95th RoF

White - La Haye Sainte

Keyser - Prince of Orange

"Prinz Wilhelm Friedrich Georg Ludwig von Oranien-Nassau" (ab 1840 als Wilhelm II. König der Niederlande und Großherzog von Luxemburg)

Gemälde von Nicaise de Keyser in der externer Link »Royal Collection« (Windsor Castle, UK).

Prinz Wilhelm (auch William) von Oranien war der älteste Sohn von König Wilhelm I. und Wilhelmina von Preussen; damit zukünftiger König der Niederlande und bevorzugter Bundes-Genosse Britanniens auf dem Kontinent. Obwohl zwischen 1803 bis 1809 als Kadett an der Berliner Militär-Akademie erzogen und geschult, verfügte der 16-jährige Prinz zu Beginn eines Studiums in Oxford nur über wenig fundierte militärische Kenntnisse. Um praktische Erfahrungen in der Truppen-Führung zu sammeln, wurde er im Jahr 1811 dem Herzog von Wellington als Adjutant beigegeben. Schon im Jahr 1813 wurde er in den Rang eines General-Majors befördert; 1815 beanspruchte er das Kommando über das 1te (niederländisch-belgische) Korps der anglo-alliierten Armee, das er in den Schlachten von Quatre Bras und Waterloo befehligte. Zeitgenössische Biografien beschreiben ihn als tapferen, geradezu ungestümen Soldaten, der insbesondere in den südlichen Niederlanden beliebt war; militär-geschichtliche Quellen lassen erhebliche Zweifel an seinen strategisch-taktischen Talenten aufkommen und stellen seine Kompetenzen als Generalstabs-Offizier unter Verweis auf zahlreiche Beispiele seines unbeherrschten und rechthaberischen, oft anmaßenden und überheblichen Wesens mehr als nur infrage.

Wellington fasste die Persönlichkeit des ab 1840 als Wilhelm II. über die Niederlande regierenden Königs in seiner ihm eigenen prägnanten Art zusammen: "Der Prinz ist ein mutiger junger Mann, das ist auch alles… "

Paelinck - Carl von Alten

"General Carl August Graf von Alten, Kommandeur der 3ten Britischen Division auf dem Schlachtfeld von Waterloo"

Gemälde von Joseph Paelinck im externer Link »Bomann-Museum« (Celle bei Hannover, GER).

 

ca. 18:30 Uhr: VII. Akt (3) - "Either night or the Prussians will come"


Französische Tirailleure können kurz vor 18:00 Uhr das sich beidseits von La Haye Sainte erstreckende Plateau besetzen. Zwar können die Plänkler den zuvor vertriebenen Kanonieren der eigenen Artillerie keinen Feuer-Schutz gewähren, jedoch nehmen die etwa 150 -, bald 300 -, dann über 600 Mann aus der Deckung von Büschen und Hecken ein Duell mit den Schützen des 95ten auf und können von dieser Stellung aus auch das etwa 250 Meter entfernt bzw. auf der gegenüber-liegenden Höhe stehende 1te Bataillon des 27ten (Inniskilling) Regiments gezielt aufs Korn nehmen. Die rund 700 Mann des britischen Bataillons, die angesichts der ausgemachten und inzwischen auf die Hannoveraner einhauenden Kürassiere im Karree stehen, bieten in ihrer Masse für die französischen Plänkler ein unverfehlbares Ziel; jeder Schuss trifft. Verzweifelt lässt Major John Hare seine Männer Salve auf Salve in das dichte Gestrüpp schießen, das den Hohl-Weg von Ohain säumt. Doch nachdem das 5te (hannoversche) Infanterie-Bataillon westlich von La Haye Sainte zunehmend in Bedrängnis gerät und auch die Verteidiger von La Haye Sainte kaum noch nennenswerten Feuer-Widerstand leisten, sind auch die französischen Kanoniere wieder auf dem Plateau und laden "Biscaien´s" (Kartätschen).

Kurz darauf liegen mehr als zwei Drittel der Inniskillings tot oder verwundet in ihrem Blut (in einigen der später veröffentlichten Schilderungen wird die Einheit als "tot auf dem Platz liegend" beschrieben). Rechts der Mitte erleiden das 30te (Cambridgeshire) und das 73te (Perthshire) Regiment vergleichbare Verluste, die sich daraufhin zu einem gemeinsamen Karree zusammenschließen. General Colin Halkett, Kommandeur der 5ten Brigade unter Carl von Alten, befiehlt darauf all seinen Regimentern, sämtliche Fahnen einzurollen und hinter die Front in Sicherheit zu bringen.


"French Light Infantry" (1812-1815)

Illustration von Brian Palmer für »A Call To Arms«-Miniatur-Figuren.

Bildquelle: ► Prints & Paintings by Anthony Saunders.


"British Line Infantry"

Illustration von Giuseppe Rava für »HäT«-Modell-Figuren.


"Hannover. Leichtes Bataillon Lüneburg. Soldaten und Offiziere."

Tafel 55 aus Band XVII. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


Palmer - French Elite

Rava - British Line Infantry

Knötel - Uniformenkunde

Anfänglich im dritten Treffen und damit hinter Somersets Household Cavalry an der Straße nach Nivelles positioniert, waren die drei Karabinier-Regimenter der schweren (niederländisch-belgischen) Kavallerie-Brigade unter General-Major Albert Dominicus Trip van Zoudtlandt bereits während des Gegen-Angriffs der britischen Kavallerie vorgezogen worden, um einen möglichen Durchbruch süd-westlich von Mont St. Jean abwehren zu können. Im Gegen-Angriff auf die von Ney geführten Attacken der französischen Kavallerie auf die alliierten Geschütz-Stellungen hatten die Karabiniers dann hier bereits einmal die französischen Kürassiere zurückgeschlagen. Mit dem drohenden Fall von La Haye Sainte steht auch das Zentrum der alliierten Stellung unmittelbar vor der Gefahr, gesprengt -, die Linien infolge der gescheiterten Abwehr von Milhauds zwar müden aber entschlossenen Kürassieren zerrissen und aufgerollt zu werden.

Um die Niederlage abzuwenden, befiehlt General van Zoudtlandt seiner "Brigade Zware Cavalerie" den Angriff auf die französischen Kürassiere.

Mit dem Ruf: "Allons, mes camarades, sabrons ces Francais. Et la victoire est à nous" (Vorwärts, meine Kameraden, zersäbeln wir diese Franzosen! Und der Sieg ist unser!), vielleicht auch in Einsicht seines für das 5te Bataillon verhängnisvollen Befehls, setzt sich der Prinz von Oranien an die Spitze des 2ten (belgischen) Regiments. Zwar gelingt es der niederländisch-belgischen Reiterei, einen Teil der Kürassiere in östliche Richtung über die Straße nach Ohain und damit den Druck auf das Zentrum etwas abzudrängen, doch ist dieser verlustreiche Erfolg – neben den über 300 schwer oder tödlich verwundeten Kavalleristen verlieren auch die Kommandeure sowohl des 1ten (Oberst-Leutnant Coenegracht) als auch des 3ten (Oberstleutnant Lechleitner) Regiments ihr Leben – mit der übrigen Kavallerie nicht abgestimmt und im Ergebnis schnell verpufft: Etwa gegen 18:15 Uhr haben Milhauds Kürassiere ihre Ehren-Runde vollendet und reiten erneut auf das Zentrum der Alliierten zu. Gefolgt von einigen Eskadronen Kellermanns …


"Niederlande. Kavallerie. Dragoner, Karabinier, Husar."

Tafel 13 aus Band IV. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"La charge du 2ème Régiment de Carabiniers Belges" (Regiment Karabiniers No. 2).

Illustration von Patrice Courcelle.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Patrice Courcelle auf »facebook«.


Knötel - Uniformenkunde

Courcelle - 2ème Régiment de Carabiniers

Angesichts des Umstandes, dass zwischenzeitlich sämtliche Gebäude von La Haye Sainte in Flammen stehen und das zur Entlastung kommandierte 5te Bataillon der K.G.L. zur Rundum-Verteidigung gezwungen ist und selbst dringend Unterstützung benötigt – damit ohne Aussicht auf Verstärkungen und auch ohne Munition – gibt Major Baring etwa gegen 18:20 Uhr den weitestgehend zerschossenen Guts-Hof auf. Von den rund 400 Schützen seines Bataillons, die den Hof fast fünf Stunden gehalten haben, kehren nur 42 Mann zurück. Ihnen schließen sich die Reste des 5ten Bataillons an; von dieser Einheit kehren nur 19 Mann zurück; ohne Fahne, ohne ihren Kommandeur.

Gefolgt von seinem Stab reitet Wellington den abgekämpften Schützen einige Schritte entgegen und will ihnen persönlich seinen Dank und Respekt aussprechen, als hinter dem Gemäuer französische Tirailleure auftauchen, die die britischen Offiziere sofort unter gezielten Beschuss nehmen. Sprichwörtlich in letzter Sekunde können sich Wellington und sein Gefolge vor den nachsetzenden Kürassieren in ein Karree der K.G.L. retten. Doch auch hier ist Sicherheit nur relativ: Die direkt am Kreuz-Weg stehenden Brigaden Kempt (Division Picton, linkerhand) und Kielmansegg (Division Alten, rechterhand und inzwischen verstärkt durch das aus der zweiten Linie vorgezogene 1te nassauische Infanterie-Regiment unter Lieutenant-General August von Kruse) geraten Minuten später unter Beschuss der französischen Artillerie…


"Frankreich. Reitende Artillerie unter Napoleon I. (2. Blatt: 1810-1815). Kanoniere."

Tafel 53 aus Band XVI. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


Knötel - Uniformenkunde

Mit der Eroberung von La Haye Sainte haben die Franzosen nicht nur das Tor in das Zentrum der anglo-alliierten Stellung aufgestoßen, sondern auch den gefährlichen Vorteil gewonnen, die beidseitig gelegenen Höhen besetzen zu können. Und von dort aus liegt alles im Umkreis von 300 Metern in der effektiver Reich-Weite der Kanonen, von denen von den Franzosen – ohne konkreten Befehl – immer mehr Stücke nachgeführt -, in Stellung gebracht und abgefeuert werden. In dem geradezu mörderischen Feuer werden viele Offiziere aus Wellingtons Stab getötet oder verwundet - darunter u.a. die Divisions-Kommandeure Alten und Cooke, General-Quartiermeister William Howe De Lancey, die Adjutanten Major William Lloyd (Artillerie), Charles Fox Canning, Francis D'Oyly und Fitzroy Somerset (alle Garde). Wellington – im Karree der K.G.L. nicht nur von sämtlichen Informationen des um ihn tobenden Schlacht-Geschehens und den regelmäßig eintreffenden Kurieren abgeschnitten, die Wellington über die Positionen der immer näher kommenden preussischen Verbände informieren, sondern auch gleichzeitig in seiner Kommando-Gewalt ohnmächtig – bleibt in dieser entscheidenden Situation nur die Hoffnung, dass seine Flügel-, Corps- und Divisions-Kommandeure die unmittelbare Bedrohung des Zusammenbruchs des Zentrums erkennen und schnellst-möglich die Reserven mobilisieren: Bislang weitestgehend unbehelligt stehen am nord-westlichen Rand der anglo-alliierten Linien die 6.500 Mann der 3ten (niederländischen) Division unter General David Hendrik Chassé; noch weiter westlich die weit über 10.000 Mann der 1ten (niederländischen) Division unter General-Leutnant John Stedman, darunter die besonders schlag-kräftige Indische Brigade mit rund 4.000 ausgewählten Elite-Soldaten, die eigentlich für die (Wieder-) Besetzung der niederländischen Kolonial-Besitztümer Surinam und die Antillen sowie Indonesien bestimmt waren. Beide Verbände haben die Aufgabe, die Gegend in Richtung Halle vor einem von Wellington befürchteten Umfassungs-Versuch zu sichern. Der nord-östlichste Rand der anglo-alliierten Stellung wird von den etwa 1.400 Husaren der 6ten Kavallerie-Brigade von General-Major Richard Hussey Vivian geschützt. Auch diese drei Regimenter sind von den Kampf-Handlungen bisher verschont geblieben, stehen mit einer Entfernung von etwa 1.500 Metern zum Zentrum jedoch zu weit für einen schnellen Einsatz. In der Deckung der Senke vor dem Höhen-Zug des Mont St. Jean -, direkt an der Brüsseler Chaussee und damit nur rund 500 Meter vom Gemetzel entfernt, stehen drei Brigaden der niederländischen Kavallerie-Division unter General-Leutnant Jean Antoine de Collaert mit knapp 3.500 Mann, dahinter die – bis auf die vorgeschobenen "Inniskillings" – noch weitestgehend intakte 10te britische Brigade mit etwa 2.500 Mann unter General-Major John Lambert.

Alles in allem etwa 24.000 Mann Reserve; für Wellington, gefangen im Karree der K.G.L., unerreichbar…


Die Kampf-Moral wird einzig vom Mut der Verzweiflung bestimmt, und etwa zu dieser Stunde dürfte Wellington seine stoische Contenance verloren und die Fürbitte ausgesprochen haben, die in die Geschichte einging: "Either night or the Prussians will come!"


"Centre of the British Army at La Haye Sainte"

Aquarell/Aquatinta aus der Serie »Waterloo Scenes« von Thomas Sutherland nach einer Vorlage von William Heath im externer Link »National Army Museum« (London, UK).


Heath - La Haye Sainte

Auch Marschall Ney auf dem Plateau von La Haye Sainte ruft dringend nach Verstärkung. Mehrere Adjutanten sind bereits mit der Meldung der Eroberung des Hof-Gutes in Richtung Belle Alliance abgegangen. "Mit zwei Divisionen kann ich diese Engländer über den Haufen werfen", lässt "Le Lion Rouge" – wie der rot-haarige Marschall von den Veteranen der Revolutions-Kriege genannt wird – Napoleon melden. Mit größter Sorge verfolgt er den Aufzug von etwa 1.000 Dragonern und Husaren der leichten Kavallerie-Brigade des General-Majors Jean Baptiste van Merlen, die unter Führung des Prinzen von Oranien kurz darauf zur Attacke auf die französische Artillerie übergehen. Ihnen schließen sich die Füsiliere des 1ten nassauischen Infanterie-Regiments unter General von Kruse an. Von den anfänglich über 2.500 Soldaten und Offizieren der Einheit, die zu Beginn der Schlacht in der zweiten Linie direkt im Zentrum nahe der Straßen-Kreuzung platziert waren (die leichte Kompanie des 2ten Bataillons war bereits im Verlauf der Kämpfe um La Haye Sainte größtenteils untergegangen), haben im Feuer der französischen Kanonen inzwischen rund 200 Mann ihr Leben verloren; etwa 300 Mann sind mehr oder weniger schwer verwundet. Von Wut und Rache getrieben -, auch um sich nicht sinnlos zusammenschießen zu lassen und den französischen Kanonieren nicht die Zeit zum Nach-Laden zu geben, gehen die Nassauer zum Sturm-Angriff über. Doch die vor ihnen attackierende Kavallerie kommt nur langsam voran; die Pferde bewegen sich mehr stolpernd als galoppierend; die Massen von Toten und Verwundeten auf dem Plateau von La Haye Sainte behindern jeden Schritt.

Im direkten Feuer der französischen Kanonen verliert die niederländische Kavallerie-Division die Hälfte ihrer Reiter. Auch der Prinz von Oranien wird durch einen Schulter-Schuss verwundet; sein Rückzug leitet eine allgemeine Flucht-Bewegung ein, die umgehend von den Kürassieren genutzt wird.


Der französische Gegen-Angriff kann von den Karrees der anglo-alliierten Infanterie abgewehrt werden. Schon beinahe flehend sendet Ney den nächsten Boten an den Kaiser: "Mit nur einer neuen Division Infanterie kann ich die Höhe behaupten!"


"Die Nassauer (1tes Regiment) bei Mont St. Jean."

Postkarte aus der Serie »Von Breslau bis Belle-Alliance« von Adalbert von Rössler.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


Rössler - Nassauer

Lyall - Nassau-Infanterie

Lyall - Nassau-Infanterie

Lyall - Nassau-Infanterie

Lyall - Nassau-Infanterie

Nassauische Infanterie
Füsilier

Nassauische Infanterie
Jäger

Nassauische Infanterie
Grenadier (1. Regiment)

Nassauische Infanterie
Grenadier (2. Regiment)

 

Illustration(en) von Charles James Lyall, veröffentlicht von Markus Gärtner und Markus Stein in »Uniformen der Armeen von Waterloo« - Band 2: Alliierte Armeen (Zeughaus-Verlag, Berlin 2019)


Aufgrund zahlreicher Operationen gegen die mit Britannien verbündete spanische Guerilla aber auch gegen die britischen Truppen wurden die Nassauer nach ihrem Übertritt in die anti-napoleonische Allianz am 10. Dezember 1813 von Wellington anfänglich mit erheblichen Misstrauen belegt, entwaffnet und in Kriegs-Gefangenschaft genommen. Im Jahr 1814 wieder in zwei Regimentern zu je zwei Bataillone organisiert, gehörten beide Einheiten dann der alliierten Invasions- und späteren Besatzungs-Armee an, die die Restitution der Bourbonen-Monarchie sicherte. Durch die Beziehungen der nassauischen Herzöge zu Fürst Wilhelm I. (von Oranien-Nassau, ab 16. März 1815 König der Niederlande) kehrte das 1te Regiment nach Wiesbaden zurück; das 2te Regiment wurde für sechs Jahre in niederländische Dienste übernommen.

Bei Waterloo decken das 2te und 3te Bataillon des 2ten Regiments unter dem Kommando des Prinzen Bernhard von Sachsen-Weimar die Gehöfte von Papelotte und Fichermont und damit den äußersten linken (östlichen) Flügel der alliierten Stellung gegen die Angriffe der 2ten französischen Brigade unter Général Jean-Louis Brue (und bietet hier der französischen Artillerie aufgrund weißer Tschako-Überzüge weithin sichtbare Ziele); das 1te Bataillon ist Teil der Garnison des Chateaus Hougoumont. Die Füsilier- (oder Zentrums-) Kompanien der drei Bataillone des 1ten nassauischen Infanterie-Regiments unter General-Leutnant Baron August von Kruse stehen anfänglich im zweiten Treffen der alliierten Aufstellung an der Brüsseler Chaussee und damit im Zentrum der Front; die leichten Kompanien unterstützen die Schützen-Bataillone der K.G.L. bei der Verteidigung von La Haye Sainte. Nach den Angriffen der französischen Kürassiere wird die Einheit zur Verstärkung des Zentrums vorgezogen und gerät am Kreuz-Weg der Brüsseler Chaussee in das gegen 18:00 Uhr aus nächster Nähe eröffnete Feuer der französischen Artillerie.


 Anmerkung. 


In vielen britischen Beschreibungen findet man zahlreiche spöttisch-hämische Schilderungen über die Feigheit und Unzuverlässigkeit der niederländisch-belgischen Kavallerie. Tatsächlich waren es jedoch – und wiederholt – Einheiten der leichten britischen Kavallerie, die Auseinandersetzungen mit der gefürchteten französischen Schlachten-Kavallerie zu meiden suchten. Bereits am Vortag hatte Uxbridge bspw. den 7ten "Queen's Own" und bald darauf den 11ten leichten Dragonern den Angriff auf französische Ulanen bei Genappe befohlen. Beide Regimenter verweigerten die Attacke: "Diese Ehre soll die Leib-Garde haben!"

Auch den Attacken der Niederländer bei Waterloo – mehr oder weniger spontan geführt, doch unter Berücksichtigung der Situation vor Ort durchaus gerechtfertigt – schlossen sich die Briten nicht an; die Angriffe verschafften damit nur temporär Entlastung und/oder nötigen Frei-Raum, waren in der Regel von hohen Verlusten begleitet und im Ergebnis wenig effektiv.

Beispiellos blieb jedoch die Flucht der "Cumberland Hussars", die – 1813 als Freiwilligen-Einheit errichtet und dem Kommando des hannoverschen Lieutenant-Colonel Georg von Hake unterstellt – sich ausschließlich aus wohlhabenden jungen "Dandies" rekrutierte, die sich nicht nur jeder Ausbildung verweigert und somit absolut keine Erfahrung von den Realitäten eines Krieges oder der Führung von ernsthaften Gefechten hatten, sondern sich auch durch die "Heldentat" auszeichneten, erst ihren Kommandeur dann den Prinzen Ernst August, Herzog von Cumberland und fünfter Sohn des Königs Georgs III., überzeugen zu wollen, ihren Rückzug aus dem "aktiven Dienst" zu erwirken bzw. anzuweisen. Unter dem Vorwand, die Nachricht von Wellingtons Niederlage nach Brüssel bringen -, das Haupt-Quartier evakuieren und den niederländischen König eskortieren zu müssen, verließen die "jungen Herren" entgegen einer Viezahl von Befehlen gegen 18:00 Uhr das Schlacht-Feld.


Begründung findet das zaghafte Verhalten der britischen Kavallerie als auch das historische "Vergessen" der eigenen Feigheit sehr wahrscheinlich in dem Umstand, dass die große Mehrheit der britischen Offiziere in der elitären Garde und der prestige-trächtigen leichten Kavallerie ihre Patente im Rahmen des von Prinz Friedrich August, Herzog von York und Albany und zweiter Sohn von König Georg III., zur Finanzierung seiner Mätressen-Wirtschaft geradezu inflationär betriebenen Rang- und Posten-Handels erkauft und nicht verdient hatten. Im Feld erwiesen sich die mit ihren Marotten und Dünkeln -, in Arroganz und Ignoranz wetteifernden Aristokraten in strategischen Belangen häufig als vollkommen inkompetent und entsprechend überfordert; in der operativen Führung oder der taktischen Initiative entweder weitestgehend teilnahmslos oder geradezu verantwortungslos. Und so die Mannschaften der britischen Kavallerie eine hervorragende Ausbildung im Schwert-Kampf zu Pferd erhielten, waren ihre Kommandeure den Franzosen nicht nur beim Manöverieren größerer Formationen hoffnungslos unterlegen.


~



 

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ca. 18:30 Uhr: VIII. Akt (1) - Napoleons finaler Angriff


Bei Belle Alliance ist Napoleon den Beschreibungen nach in seinen Gedanken versunken; andere beschreiben ihn als zögerlich, unschlüssig, geradezu unsicher. In drei Stunden wird die Nacht hereingebrochen sein. Noch drei Stunden bleiben ihm, um die Schlacht zu gewinnen oder alles zu verlieren. Zwei Infanterie-Divisionen fordert Ney. Der Kaiser hat keine zwei Divisionen. Nicht einmal eine Brigade steht noch in Reserve.

Auf dem linken (westlichen) Flügel ist das gesamte II. Corps des Generals Honoré Charles Reille in Gefechte verwickelt: Die 6te Division seines Bruders Jérôme Bonaparte rennt noch immer gegen die Ruinen des Châteaus d'Hougoumont an. Teile der 9ten Division des Generals Maximilien Sebastien Foy unterstützen gleichzeitig die Truppen vor Hougoumont als auch die 5te Division des Generals Gilbert Bachelu, die Ney nach der Eroberung von La Haye Sainte nachgezogen hat und jetzt westlich des Guts in Kämpfe verwickelt ist. Die Reste des I. Corps des Generals d'Erlon sind zu dieser Zeit östlich von La Haye Sainte bis hin nach Papelotte-Smohain über eine Front von beinahe zwei Kilometern verteilt; über hier noch gegebene Kräfte – insbesondere über erlittene Verluste, die Zahl der Versprengten oder Gesammelten bzw. überhaupt noch vorhandene Einheiten – können Napoleon nur Schätzungen gemeldet werden. Und die Corps der Schlachten-Kavallerie der Generäle Milhaud und Kellermann als auch die leichte Garde-Kavallerie-Division Lefebvre-Desnoëttes sind nach beinahe vier Stunden Angriff und Abwehr und neuerlichem Angriff in der Art geschwächt und durcheinander geraten, dass sie bestenfalls noch zum hinhaltenden Widerstand im Fall eines alliierten Sturm-Angriffs auf das französische Zentrum geeignet sind. Darüber hinaus meldet die Artillerie, dass inzwischen mehr als ein Drittel der Geschütze ausgefallen sind, noch dienst-fähige Geschütz-Bedienungen aufgeteilt werden mussten und … die Munitions-Reserven zur Neige gehen.

Seit dem späten Nachmittag ist Napoleons Aufmerksamkeit vom Geschehen an seiner östlichen Flanke abgelenkt. Mit größter Wahrscheinlichkeit weiß der Kaiser, dass die Schlacht verloren ist, so er jetzt nicht die von Ney unter Hinnahme höchster Verluste eröffnete Chance ergreift, das alliierte Zentrum endlich zu brechen. Gleichzeitig wird er in diesen Minuten des Abwägens mit größter Wahrscheinlichkeit auch befürchten, dass ihm im Moment seines Angriffs die preussische Armee in die Flanke fallen wird.


Noch verfügt der Kaiser über rund 4.800 Grenadiere und Jäger der "Alten Garde" und etwa 3.800 Grenadiere und Jäger der "Mittleren Garde", die seit etwa 10:00 Uhr vormittags in fünfzehn Bataillons-Kolonnen beidseits der Chaussee stehen und jetzt die Entscheidung bringen müssen. Doch zwei Fronten wird auch die legendäre Kaiser-Garde nicht standhalten können.


"Emperor Napoleon and his Imperial Guard at the Battle of Waterloo."

Post-Karte nach einem Motiv von Henry Joseph Payne von »Tuck´s Post Card«.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


Payne – Napoleon and his Guard

Knötel d.J. - Garde Impériale - Grenadiers à pied

Knötel d.J. - Garde Impériale - Grenadiers à pied

Knötel d.J. - Garde Impériale - Grenadiers à pied

Knötel d.J. - Garde Impériale - Grenadiers à pied

Garde Impériale
Grenadiers à pied
Commandant de Corps (1812)

1er Régiment Grenadiers à pied de la Garde Impériale
Lieutenant, Porte Drapeau (1812)

Garde Impériale
Grenadiers à pied
Sergent-Porte-Fanion (1812)

1er Régiment Grenadiers à pied de la Garde Impériale
Grenadier (1812)

 

Knötel d.J. - Garde Impériale - Chasseurs à pied

Knötel d.J. - Garde Impériale - Chasseurs à pied

Knötel d.J. - Garde Impériale - Chasseurs à pied

Knötel d.J. - Garde Impériale - Chasseurs à pied

Garde Impériale
Chasseurs à pied
Capitaine (1812)

Garde Impériale
Chasseurs à pied
Chasseur à Waterloo (1815)

Garde Impériale
Chasseurs à pied
Tambour (1806)

Garde Impériale
Chasseurs à pied
Sergent-Major-Sapeur (1806-1812)

 

Aquarellierte Zeichnungen von Herbert Knötel (der Jüngere) für »Napoleonic Uniforms« von John R. Elting (Macmillan Publishing Company; 1993).

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


Napoleons "Alte Garde" genießt den Ruf einer Elite der Elite. Als Voraussetzung für die Aufnahme gelten die Bedingungen, die im Dekret vom 28. November 1799 zur Errichtung der "Garde des consuls" genannt werden: Anwärter und Bewerber müssen Unteroffizier oder ausgezeichnete Soldaten der Linie sein, eine tadellose Dienst-Zeit von 5 Jahren belegen können, über eine Größe von mindestens 5 Fuß und 5 Zoll (ca. 176 cm; für die Jäger genügten 170 cm) verfügen und an wenigstens zwei Feld-Zügen teilgenommen haben oder durch außerordentliche Tapferkeit aufgefallen sein. Im Fall einer Auszeichnung mit der Ehren-Medaille oder der ehrenvollen Erwähnung in vier Schlachten konnte von der Mindest-Größe abgewichen werden. Nachvollziehbar, welchen Wert Napoleon diesem über 15 Jahre hand-verlesenen Elite-Corps beimisst.

Im Jahr 1814 sah der britische Maler Benjamin Robert Haydon im Hof von Fontainbleu die Grenadiere der Alten Garde aus nächster Nähe und hinterließ einen anschaulichen Eindruck der ausgewählt großen und kräftigen Krieger und ihrer martialischen Erscheinung: "Schrecklicher aussehende Gestalten als Napoleons Garde hatte ich noch nie gesehen. Sie sahen aus wie heißblütige, altgediente, disziplinierte Banditen. Verderben, Rücksichtslosigkeit und Blutdurst waren ihnen ins Gesicht gebrannt … Schwarze Schnurrbärte, riesige Bärenfelle und ein von Grausamkeit geprägter Gesichtsausdruck waren ihre Merkmale." (³)



 

Strittig ist, ob Marschall Ney gegen 18:45 Uhr persönlich auf der Anhöhe von Belle Alliance erscheint und den Kaiser zum Angriff der Garde überredet oder Napoleon die Garde freigibt, da die Lage an der rechten Flanke relativ gesichert scheint (etwa zu dieser Zeit ist es General Guillaume Philibert Duhesme mit den acht Bataillonen der "Jungen Garde" gelungen, die Preussen aus Plancenoit zurückzuschlagen und die Ortschaft zu besetzen). Auch ist fraglich, ob Ney informiert ist, dass etwa gegen 18:00 Uhr am äußersten nord-östlichen Rand der alliierten Aufstellung die ersten Einheiten des I. Korps unter General-Leutnant Zieten eintreffen und etwa ab 18:30 Uhr an der Seite der Nassauer unter Prinz Karl Bernhard von Sachsen-Weimar-Eisenach in die Kämpfe eingreifen oder genau diese Entwicklung der Auslöser ist, die Garde zu mobilisieren.


Kurz vor 19:00 Uhr erhält General Antoine Drouot, Adjutant von Marschall Édouard Mortier und stellvertretender Kommandeur der Garde Impériale, den Befehl, die insgesamt acht Regimenter der Mittleren und der Alten Garde am Rand der Höhe von Belle Alliance in Karrees zum Angriff zu formieren. Ney erhält die Order, sämtliche noch kampffähigen Truppen der Linie zu sammeln und sich dem Angriff der Garde anzuschließen.


"The Pride of Napoleon"

Druck nach einem Gemälde von David Cartwright, lt. externer Link »Invaluable« im Privat-Besitz.


Cartwright - Pride of Napoleon

 

ca. 19:15 Uhr: VIII. Akt (2) – "Avance de la Garde Impérial"


Jedes der insgesamt fünfzehn noch zur Verfügung stehenden Garde-Bataillone, die in drei Treffen zum finalen Angriff vorgesehen sind, wird von einem General kommandiert: Östlich der Brüsseler Chaussee das 1te Bataillon des 3ten Regiments Grenadiere der Mittleren Garde, westlich der Chaussee das Karree der 4ten Grenadiere (infolge der bei Ligny erlittenen Verluste noch nur mit einem Bataillon vertreten); zwischen den Karrees die Generale Louis Friant, Jean-Martin Petit und Poret de Morvan und Louis Harlet. Weiter westlich das 1te Bataillon des 3ten Jäger-Regiments, links daneben das 2te Bataillon, zwischen beiden Einheiten General Claude-Étienne Michel und Colonel Pierre Antoine Anselme Malet. Die linke Flanke wird vom 4ten Jäger-Regiment unter General Christophe Henrion gedeckt, dessen zwei Bataillone ein gemeinsames Karree bilden.

Sechs Bataillone der Alten Garde – östlich der Chaussee das 1te Bataillon des 2ten Regiments Grenadiere, rechts daneben das 1te Bataillon des 2ten Jäger-Regiments -, westlich der Chaussee das 2te Bataillon des 2ten Regiments Grenadiere, links daneben das 2te Bataillon der 2ten Jäger, daran anschließend das 2te Bataillon des 1ten Regiments Jäger – bilden die zweite Linie, die von den Jäger-Generälen Charles Antoine Morand und Pierre Cambronne sowie General Charles-Joseph Christiani geführt werden. Auch hier wird die linke Flanke gegen mögliche Kavallerie-Attacken gedeckt; das 2te Bataillon des 3ten Regiments Grenadiere bekommt diese Aufgabe. Eine Batterie der Garde-Artillerie zu Pferd fährt auf; paar-weise verteilen sich die Geschütz-Gespanne in den Frei-Räumen zwischen den Karrees.

Die letzte und nunmehr einzige Reserve bilden die beiden Bataillone des 1ten Regiments Grenadiere und das 1te Bataillon des 1ten Jäger-Regiments, die als drittes Treffen auf der Höhe von La Belle Alliance (und wahrscheinlich unter General François Roguet) stehen bleiben.


Etwa um 19:15 Uhr beginnen die Tambours der versammelten Garden den "Pas de Charge" – den Takt für den schnellen Marsch – zu schlagen. Napoleon verlässt seine Position nahe dem "Decoster"-Haus und begibt sich zum Entsetzen seiner Stabs-Offiziere vor die Karrees der Alten Garde, die hinter der Mittleren Garde aufmarschiert ist; der Rede nach hallen die hier aufkommenden Vivat-Rufe bis zu den Alliierten hinüber. Der Kaiser hebt seine Hand, wendet sich in Richtung Mont St. Jean und weist auf die Richtung des alliierten Zentrums. Marschall Mortier in Front des ersten Treffens gibt daraufhin den offiziellen Angriffs-Befehl, der von sämtlichen Generälen der elf Karrees (Clausewitz beschreibt zwölf) wiederholt wird. Gefolgt von einer überschaubaren Zahl von Kürassieren setzt sich der gesamte Verband in Bewegung.

Zwischen den beiden Karrees des 2ten Regiments Grenadiere marschiert der Kaiser über die Brüsseler Chaussee von Belle-Alliance hinunter in die Niederung der Felder vor La Haye Sainte. Nach etwa eintausend Metern – auf halber Weg-Strecke zwischen Belle Alliance und dem Gut – verlassen die fünf Karrees der vor ihm marschierenden Mittleren Garde (wohl überraschend) die Chaussee, schwenken in Richtung Nord-Westen und damit links-seitig vorbei am Hof La Haye Sainte auf die 5te Brigade unter General Colin Halkett und die 1te britische Brigade der Garde unter General Peregrine Maitland.

Napoleon befiehlt der Alten Garde den Halt.

Entgegen seinem Befehl, den Angriff der Garde mit der Linien-Infanterie zu unterstützen, hat Marschall Ney – wahrscheinlich getrieben vom Gedanken, persönlich den Sieg über Wellington erringen zu müssen – das Kommando über die Karrees der Mittleren Garde übernommen. Und offensichtlich plant der Marschall ein direktes Kräfte-Messen mit der britischen Garde. Mit jeweils etwa 60 Mann in jeder Front eines Karrees und trotz des immer heftiger werdenden Feuers der alliierten Artillerie marschieren die Grenadiere und Jäger mit wehenden Fahnen und in bester Ordnung auf das Plateau westlich von La Haye Sainte zu. Dass dieses Manöver nicht von Napoleon abgesegnet ist, wird durch die Order des Kaisers belegt, mit deren Überbringung Colonel Jean-Louis de Crabbé, einer der beiden Aides-de-camp des Marschalls, beauftragt wird: "Passen Sie sich an!" lässt Napoleon dem allein ihm unterstehenden "Commandant de Campagne" ausrichten. "Greifen Sie direkt in der Mitte an!"

Ob Crabbé den Marschall noch erreichen kann (und Ney sich damit dem Befehl des Kaisers widersetzt) oder bereits auf dem Weg zu ihm schwer verwundet wird oder Ney bereits dabei ist, die Linien-Infanterie heranzuführen, ist ebenso fraglich, wie der Umstand, ob Napoleon im zunehmenden Lärm der eigenen Artillerie und inzwischen einige Hundert Meter hang-abwärts bemerkt, dass etwa zu gleichen Zeit seine schlimmsten Befürchtungen in Erfüllung gehen: Auch von dem rund zwei Kilometer entfernten Schau-Platz Plancenoit schallt Geschütz-Donner herüber. General Jean-Jacques Germain Pelet-Clozeau, Kommandeur des 2ten Jäger-Regiments, erhält von General Morand die Order, mit seinem 1ten Bataillon sowie dem 1ten Bataillon der 2ten Garde-Grenadiere unter Major Juste Golzio in östliche Richtung abzuschwenken und die Flanke zu verstärken: "Helfen Sie der Jungen Garde und den Linien-Bataillonen, das Dorf fest zu sichern!" weist er ihn an.


Infolge des nunmehr französisch besetzten Guts-Hofes erreichen die rund 3.000 Gardisten der ersten Welle den sanft ansteigenden Hang hinauf zum Plateau von La Haye Sainte und beginnen mit dem Aufstieg. Die westlich auf der Anhöhe stehenden Batterien der britisch-niederländisch Artillerie – darunter auch die lokaler Link Batterie Krahmer – eröffnen ein mörderisches Kartätsch-Feuer in die Flanke des 1ten Bataillons des 3ten Regiments der Garde-Grenadiere, die ihren Vormarsch unter Führung von General Morvan auf die direkt hinter dem Kreuz-Weg stehenden Nassauer trotz der immer größer klaffenden Risse in ihrer Formation fortsetzen. Ebenso zerfetzt wird das Bataillons-Karree des 4ten Grenadier-Regiments; ebenso unbeirrt stampfen die Soldaten weiter den Höhen-Kamm hinauf; der hinter dem Hohl-Weg stehenden britisch-deutschen Brigade General Halketts entgegen. Die Bedienungen beider Batterien der 3ten (deutsch-britischen) Division des Generals Carl von Alten (Cleeve und Lloyd) fliehen; aber auch diese Geschütze werden weder vernagelt noch gewendet. Unter noch höheren Verlusten marschieren links von den 4ten Grenadieren die drei Karrees der Garde-Jäger in das Feuer der britischen Artillerie; u.a. steht hier die lokaler Link Batterie von Kapitän Alexander Mercer, der in den vorangegangenen Kämpfen etwa siebzig Pferde seiner Protzen-Bespannungen verloren hat und damit nicht mehr beweglich ist.

Auf der Höhe angekommen, finden die Jäger das Plateau mit unzähligen Toten bedeckt, augenscheinlich verlassen und aufgegeben.


"Napoléon et ses grognards" - Napoleon beobachtet vor dem Gast-Hof La Belle Alliance den Aufmarsch seiner Garde.

Gemälde von Albert Bligny, lt. externer Link »Auktionshaus Drouot« im privaten Besitz.


"Napoleon's last grand attack at Waterloo" - Napoleon addresses the Old Guard as it prepares to attack the Anglo-Allied center at Waterloo.

Gemälde von Ernest Crofts im externer Link »The Montreal Museum of fine Arts’« (Montreal, CA).


"Napoleonic French Imperial Old Guards 1804-1815"

Illustration von Alexander Yuryevich Awerjanow für »Zvezda«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Alexander Yuryevich Awerjanow auf »varvar« (russische Künstler-Community).


"The advance of the French Imperial Guard at Waterloo"

Illustration von Giuseppe Rava für das Cover »Le Dernier carré« von Jean-Christophe Buisson & Jean Sévillia; Éditeur ‏Perrin, Paris, 2021.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Giuseppe Rava bei »flickr«.


"Attaque de la Vieille Garde sur le plateau de Mont St. Jean" - Das 3te Regiment Jäger der Garde.

Illustration von Jean Auge in "Le Champ de Bataille de Waterloo", limitierte Auflage von 200 Exemplaren von Louis Garros; Editions Beaudart, Paris 1952.


Bligny - Napoléon et ses grognards

Crofts - Napoleon's last grand attack

Awerjanow - Old Guards

Rava - Advance of the Guard

Auge - … la Vieille Garde

Allen - The Battle of Waterloo

"The Battle of Waterloo"

Gemälde von Sir William Allen in »The Wellington Collection« (Apsley House, London).

Bildquelle: ► »art uk« (public art collection in the UK).


"Das Bild zeigt [in Zusammenfassung des damals vor Ort tatsächlich nacheinander stattgefundenen Geschehens] den letzten verzweifelten Versuch Napoleons, den linken [von Napoleon aus gesehen; gemeint ist der westliche] Flügel der alliierten Armee anzugreifen und zur Flucht zu zwingen. In der Mitte … befinden sich mehrere Bataillone der kaiserlichen Garde, die – von Marschall Ney angeführt – zu einer massiven Kolonne formiert sind und … von Captain Boltons Batterie (im Hintergrund) empfangen werden, während General Maitlands Garde-Brigade ihre rechte und General Adams Brigade ihre linke Flanke angreift. Dieser kombinierte Angriff bringt die Ordnung der voran marschierenden Kolonnen vollkommen durcheinander. Der Herzog von Wellington, der sich mit seinem Stab unmittelbar hinter der Batterie von Kapitän Bolton befindet und die Verwirrung erkennt, erteilt darauf der gesamten alliierten Armee den Befehl zum allgemeinen Vormarsch, die durch die rechts und links von der Position des Herzogs stehenden Batterien gedeckt wird. Zur Linken des Herzogs das Dorf Mont St. Jean und Waterloo, von denen nur die Kirchturm-Spitzen zu sehen sind. In der Ferne liegt der Wald von Soignies. Der Bauernhof von La Haye Sainte ist am Fuße des Hangs zu sehen, nahe der Straße von Brüssel nach Genappe. In der Nähe der Farm und entlang der Linie nach Plancenoit sieht man die Franzosen bereits in vollem Rückzug. Am äußersten linken Rand vom Betrachter aus gesehen, dort wo der Rauch über dem brennenden Schloss aufsteigt, treiben die 23. leichten Dragoner die französischen Kürassiere von ihrem letzten Versuch zurück, die Geschütze am nordöstlichen Winkel von Hougoumont zum Schweigen zu bringen. Jenseits des Rauchs befindet sich das 71. Regiment, hinter dem die Straße von Nivelles und die Kirche von Braine La Leude in äußerster Ferne zu sehen sind. Napoleon und sein Stab bilden die Haupt-Gruppe im Vordergrund."

Frei nach der Beschreibung des Künstlers, die auf der Rückseite des Gemäldes aufgebracht ist.


 

ca. 19:30 Uhr: VIII. Akt (3) – Ney


Das Agieren des von Napoleon zum "Commandant de campagne" (Oberster bzw. kommandierender [Feld-] Marschall der Schlacht) in der Schlacht von Waterloo ist in der militär-geschichtlichen Betrachtung in vielerlei Hinsicht mehr als fragwürdig: Zweifellos führte Ney erst die Infanterie des rechten Flügels -, dann die gesamte Kavallerie -, schließlich den Sturm-Angriff auf La Haye Sainte und gegen 19:30 Uhr auch noch die Mittlere Garde heldenhaft persönlich und den Truppen beispielhaft immer voran; doch im Ergebnis alle ins Verderben. Die auf seinen Befehl zu gigantischen Schlacht-Haufen formierten Divisionen des I. Corps des Marschalls Drouet d’Erlon boten der alliierten Artillerie Ziele, die nicht zu verfehlen waren. Nur mit Mühe konnte die hinter der Infanterie platzierte Kavallerie die Attacke der britischen Household- und Union-Cavalry abwehren; viele Quellen beschreiben, dass große Teile der französischen Infanterie von den eigenen Kürassieren niedergeritten wurden. Die dann folgenden Massen-Attacken der französischen Kavallerie haben sicher ein eindrucksvolles Schauspiel geboten, doch waren sie ohne ausreichende Vorbereitung und Unterstützung durch die Artillerie -, ohne nachgeführte Infanterie -, dazu auf feuchter Erde schwer-fällig einen Hang von deutlicher Steigung hinauf und letztendlich gegen die feuer-speienden Karrees sämtlich zum Scheitern verurteilt; der dann wiederum mit zu schwachen Kräften geführte Sturm-Angriff auf La Haye Sainte verlief unorganisiert und verdankt seinen Erfolg einer Reihe von Eigenmächtigkeiten und Zufällen. Und dass Ney trotz des mit der Eroberung von La Haye Sainte gewonnenen Vorteils die kampf-erfahrensten und -entschlossensten Einheiten der französischen Armee gegen 19:30 Uhr nicht erneut gegen das bereits schwer angeschlagene Zentrum der Alliierten lenkt und den anfänglichen Plan, die britisch-niederländisch-deutsche Armee zu spalten, zum Ende bringt, könnte den Eindruck erwecken, dass der Marschall entweder den Untergang der französischen Armee so schnell wie möglich herbeiführen wollte oder selbst den Tod suchte.

Tatsächlich gab es für Marschall Michel Ney nur Sieg oder Tod: Nach der Restitution der Monarchie waren einzig Ney und Jacques Alexandre MacDonald aus dem Kreis der ehemaligen Marschälle des Kaisers heraus- und in den Dienst des Königs übergetreten. Nach der Landung Napoleons hatte Ney Ludwig XVIII. versprochen, den Usurpator in einem eisernen Käfig nach Paris zu schaffen. Im Fall einer Niederlage des Kaisers und der dann erneut zu erwartenden Restitution der Monarchie würde der Hoch-Verrat am König mit der Todes-Strafe geahndet werden.

Im Ergebnis haben seine verlustreichen Angriffe Wellingtons Truppen jedoch in der Art geschwächt, dass es zweifelhaft ist, ob die abgekämpften Alliierten einem General-Angriff der französischen Infanterie noch standhalten werden können…


Gemäß dem Befehl des Marschalls haben auch die Generäle Drouet d'Erlon und Honoré Charles Reille gegen 19:15 Uhr die Reste ihrer Corps zum General-Angriff auf die Alliierten gesammelt. Die Zahl erfahrener Stabs- und entschlossener Truppen-Offiziere ist überschaubar. Strukturen von Divisionen und Brigaden existieren nicht mehr; Gliederungen der Regimenter und Bataillone sind zerfallen, und so steht Ney, inzwischen auf seinem fünften Pferd, vor einigen eiligst zusammengerafften Kompanien, die nur noch improvisierte Kolonnen formieren können.

"Kommt und seht, wie ein Marschall von Frankreich stirbt!" ruft er der Legende nach den Soldaten in ihren zerrissenen, schlamm- und blut-bespritzten Uniformen zu, die sich vollkommen erschöpft auf ihre Musketen stützen. Nur noch wenige haben eine Handvoll Patronen, die sie mit ihren Kameraden teilen. Als jedoch General Jean-François-Aimé Dejean, einer der bekanntesten persönlichen Adjutanten des Kaisers, auftaucht, kommt Bewegung in die Masse. "Marschall Grouchy ist eingetroffen!" verkündet er den Soldaten. "Grouchy ist da!"

Jubel und Hoch-Rufe auf Marschall Grouchy kommen auf. Ney setzt sich an der Spitze des 95ten Linien-Infanterie-Regiments, dass infolge seines zurückhaltenden Einsatzes gegen die Nassauer am äußersten linken (östlichen) Rand der alliierten Linie bislang nur knapp ein Dutzend Offiziere verloren hat und noch in bester Verfassung ist. Und obwohl sein Degen bereits zerbrochen -, sein Hut verloren gegangen und eine Epaulette beinahe komplett gespalten ist, motiviert der Anblick des "Tapfersten der Tapferen", wie Napoleon seinen Marschall oftmals betitelte, die abgekämpften Soldaten in der Art, dass sie sich unter schon fanatischen "Vivat"-Rufen noch einmal umwenden und sich dem letzten entscheidenden Angriff der Garde anschließen.

Ney führt die zusammengewürfelten Kompanien und Bataillone der Linie gegen das Zentrum der Alliierten. Links der Chaussee die verbliebenen sieben Bataillone von Reilles Corps, die nicht in die Kämpfe um Hougoumont verwickelt sind; rechterhand D'Érlons Corps, das nur noch die Hälfte seiner anfänglichen Mannschafts-Stärke aufbringen kann.

Gegen 19:30 Uhr gelingt den Tirailleurs der 13ten und 17ten leichten französischen Infanterie und der 1ten Brigade des Generals Jean-Gaudens-Claude Pegot nord-westlich hinter La Haye Sainte der Einbruch in den von der 1sten Hannoverschen Brigade unter General Friedrich von Kielmansegg gedeckten Abschnitt der K.G.L., jedoch werden die von Ney – inzwischen wurde ihm auch sein fünftes Pferd weggeschossen – nachgeführten Verstärkungen von den sechs Infanterie-Bataillonen des braunschweigischen Korps abgewehrt, die Oberst Johann Elias Olfermann -, infolge dessen Verwundung kurz darauf Oberst Friedrich August von Herzberg auf Wellingtons Befehl kurz nach dem Fall von La Haye Sainte aus der Reserve-Stellung an der westlichen Flanke herangeführt und zwischen das 1te nassauische Infanterie-Regiment und die aus vier britischen Regimentern bestehende Brigade des Generals Colin Halkett positioniert hat. Die zweite Linie der Hannoveraner kann mit Unterstützung von drei Bataillonen der Braunschweiger den Durchbruch abriegeln (das 1te leichte als auch das Avant-Garde- und das Leib-Bataillon waren gegen 19:00 Uhr bereits zur Verstärkung der Besatzung von Hougoumont abkommandiert worden).

Die Braunschweiger sind es auch, die zusammen mit den etwa 150 noch kampf-fähigen Männern des 73ten (Perthshire) Regiment der Brigade Halketts die erste Salve auf das 1te Bataillon des 3ten französischen Garde-Grenadier-Regiments abfeuern. Die kurz darauf folgende Salve beider Grenadier-Bataillone reißt erhebliche Löcher in die vorderen Reihen der deutschen Bataillone, die sich daraufhin auf ihre zweite Linie zurückziehen. Angesichts der damit offenen Flanke weichen daraufhin auch Infanteristen des 73ten und des rechts daneben anschließenden 30ten (Cambridgeshire) Regiments auf ihre zweite Linie zurück, in der das 33te (1st Yorkshire West Riding) und 69te (South Lincolnshire) Regiment stehen. Nachdem Brigade-Kommandeur Halkett von einem Schuss im Gesicht getroffen wird, weicht auch die zweite Linie mit zunehmender Panik vor den französischen Grenadieren zurück.

Des Sieges sicher macht sich General Friant, Kommandant der Grenadiere der Alten Garde und inzwischen verwundet, auf den Weg zurück zum Kaiser.


"L'Empereur et son Maréchal" – Napoleon und Marschall Ney

Gemälde von Paul Emile Léon Perboyre, lt. externer Link »Artnet« im privaten Besitz (USA).


"Courage - Le maréchal Ney ralliant les troupes à Waterloo"

Gemälde von Eugene Chaperon, lt. externer Link »ArtPrice« im privaten Besitz (USA).


Tambour vom 1ten Linien- und Hornist vom 2ten lt. (Jäger-) Bataillon

Illustration von Adolf Beyer-Pegau aus »Braunschweigische Uniformbilder« (Archiv Verlag Braunschweig).

Bildquelle(n): ► eigene Sammlung.


"Braunschweigisches Truppenkorps um 1815"

Illustration von Adolf Beyer-Pegau in »Geschichte des Herzoglich Braunschweigischen Infanterie-Regiments und seiner Stammtruppen« von Gustav von Kortzfleisch; Band 2: 1809-1869; Verlag von Albert Limbach, Braunschweig 1898.

(digitale Komplett-Ausgabe in der ► Online-Bibliothek der »TU Braunschweig«)

Perboyre - Napoleon und Ney

Chaperon - Courage

Beyer-Pegau - Tambour vom 1ten Linien-Bataillon

Beyer-Pegau - Hornist vom 2ten leichten Bataillon

Beyer-Pegau - Braunschweigisches Truppenkorps um 1815

 

Knötel d.J. - Infanterie Légère - Capitaine

Knötel d.J. - Infanterie Légère - Chasseur

Knötel d.J. - Infanterie Légère - Carabinier

Knötel d.J. - Infanterie Légère - Voltigeur

Infanterie Légère
Capitaine (1812)

Infanterie Légère
Chasseur (1812)

Infanterie Légère
Carabinier (1812)

Infanterie Légère
Voltigeur (1812)

 

Aquarellierte Zeichnungen von Herbert Knötel (der Jüngere) für »Napoleonic Uniforms« von John R. Elting (Macmillan Publishing Company; 1993).

Bildquelle: ► eigene Sammlung.



 

ca. 19:30 Uhr: VIII. Akt (4) - "Now Maitland! Now's your time!"


In einer Mischung aus Sorge und Unverständnis beobachtet Wellington hinter dem Hohl-Weg nach Nivelles und Hougoumont den Anmarsch der französischen Garde. Scheinbar unbeeindruckt von den Kanonen der Batterien Bolton und Ramsay und unerschüttert von den immer größeren Verlusten führen die französischen Generäle ihre Offiziere, diese wieder ihre Soldaten näher und näher. Die blutigen Schneisen, die die Kartätschen in die dicht gedrängten Reihen der Grenadiere und Jäger reißen, werden von den Nachfolgenden umgehend geschlossen.

Auch die anglo-alliierten Verbände haben inzwischen erhebliche Verluste erlitten. Um ihre Schlag-Kraft halbwegs aufrechterhalten zu können, sind die Regimenter der britischen Garde- und Linien-Kavallerie gezwungen, einzelne Schwadronen zusammenzuführen; so besteht die gesamte Brigade der Union-Kavallerie nur noch aus drei Schwadronen. Bei der Infanterie sind den Schätzungen etwa die Hälfte der Soldaten und Offiziere tot oder verwundet; einige Kompanien bestehen nur noch aus ein paar Dutzend Männern (tatsächlich sind die Verluste weitaus geringer, nur können sich die Truppen-Offiziere im allgemeinen Chaos keinen genaueren Überblick verschaffen). Die Artillerie verfügt zwar noch über rund 70 feuer-bereite Geschütze, doch auch hier haben die Bedienungen mehr als Viertel ihrer Mannschaften verloren; Feuer-Kraft und -Geschwindigkeit sind deutlich gesungen.


Nach dem Abflauen der von Ney geführten Angriffe auf La Haye Saint hat Wellington seine letzten Reserven mobilisiert. Vom äußersten Rand seiner linken (westlichen) Flanke wurden die Niederländer und Belgier der 3ten Infanterie-Division des Generals David Hendrik Chassé herangezogen; von der rechten Flanke die Kavallerie-Reserven unter den Generälen John Ormsby Vandeleur und Richard Hussey Vivian mit je drei leichten Kavallerie-Regimentern zur Verstärkung des Zentrums befohlen. Möglich wurden diese Verlegungen durch die Ankunft der 1ten preussischen Brigade unter General Karl Friedrich Franciscus von Steinmetz, der mit seinen drei Infanterie-Regimentern die Avant-Garde des I. preussischen Korps Zieten bildet und die alliierte Front etwa ab 18:30 Uhr am östlichsten Rand verstärken kann (nur mit Mühe konnten in letzter Sekunde ernsthafte Auseinandersetzungen zwischen den Preussen und der englisch-schottischen bzw. hannoverschen Infanterie der 9ten Brigade unter General Dennis Pack und der 4ten (hannoverschen) Brigade unter Colonel Carl [Charles] Best verhindert werden; im dichten Pulver-Qualm hatten Packs Soldaten die im Eil-Marsch anrückenden preussischen Truppen irrtümlich als französische Kolonnen gedeutet, denen eine Umfassung der Hannoveraner gelungen sein musste).

Mit dem Eintreffen weiterer Einheiten der preussischen Armee war es Wellington möglich, den inzwischen gefährlich geschwächten linken (östlichen) Flügel seiner Armee zum Zentrum hin wieder zu verdichten, Schwach-Stellen zu schließen und die ramponierten Bataillone der 1ten niederländischen Brigade des Generals Bylandt aus der ersten Linie zu ziehen. Auf dem rechten Flügel sind die Braunschweiger, Hannoveraner und insbesondere die Gardisten der beiden von Major-General Peregrine Maitland geführten Bataillone des 1ten Regiments der britischen Fuß-Garde (im Juli 1815 mit dem Titel "Grenadier Guards" ausgezeichnet und mit den erbeuteten Bärenfell-Mützen der Jäger der Alten Garde ausstaffiert) zur Abwehr des finalen Angriffs bereit. Mit dem Ruf "Vive le Roi! Vive le Roi!" war ein einzelner Kürassier-Offizier (andere Quellen nennen einen Offizier vom 1ten Règiment de Carabiniers) kurz nach 19:00 Uhr zu den Alliierten übergegangen und hatte vor dem bevorstehenden Angriff gewarnt…


"Wellington at the Close of Day"

Grund zum Jubel gab es für die anglo-alliierten Einheiten während der Schlacht wenig. Somit zeigt die Darstellung sehr wahrscheinlich den Moment der Ankunft der preussischen Armee. Der am rechten Bild-Rand dargestellte Husar des Schwarzen Herzogs macht den Stabs-Offizier mit Fern-Rohr auf ein Geschehen in Richtung des linken Flügels aufmerksam. Dort trafen nach 19:00 Uhr immer mehr Brigaden der preussischen Haupt-Armee ein.

Gemälde von Robert Alexander Hillingford (Aufenthalt bzw. Standort unbekannt).

Bildquelle: ► »Wikigallery«.


Hillingford - The Close of Day

Die Jäger des 3ten Regiments der Mittleren Garde haben sich etwa auf sechzig Schritt genähert, als Wellington sich – endlich – seinem Garde-General zuwendet und ihm zunickt: "Jetzt Maitland! Jetzt ist es Zeit!" (Diese Szene wird jedoch später von Wellington bestritten.)

Hinter den Hecken, die auch den nord-westlichen Rand des Hohl-Weges säumen, erheben sich die etwa 1.600 verbliebenen Gardisten des 1ten Regiments, das bei Waterloo mit seinem 2ten und 3ten Bataillon vertreten ist. die etwa eine Front von 250 Metern stellen. Die in der ersten Reihe stehenden Männer legen an, feuern und knien sich – die Gewehre mit aufgepflanzten Bajonetten in Vorhalte – nieder; die zweite Reihe legt an und feuert. Hinter diesen beiden Reihen geht die nächste Linie in Anschlag. Über 250 Garde-Jäger werden bereits von der ersten Salve getroffen. Unter ihnen General Michel und Colonel Mallet sowie beide Bataillons-Kommandeure. Die aus nächster Nähe geschossene zweite Salve ist ähnlich verheerend; führungslos beginnt der Angriff zu stocken; die Adler über den durchlöcherten Fanions schwanken. Und kaum hat sich der Pulver-Qualm etwas gelichtet, stürzen sich die britischen Gardisten auf die noch Stehenden. Zwischen den beiden gegnerischen Garde-Bataillonen entwickelt sich ein erbarmungslos geführter Bajonett-Kampf, in dessen Verlauf es Maitlands Bataillonen zwar gelingt, die Franzosen den Hang hinunter und bis zu den Obst-Gärten von Hougoumont zurückzuwerfen, doch sind die schnell und bald ohne jede Ordnung nachsetzenden Briten so nah am Feind, dass die eigene Artillerie zur Einstellung des Abwehr-Feuers gezwungen ist, was wiederum dem an der äußersten linken Position vorgehenden Karree des 4ten französischen Garde-Jäger-Regiments die Möglichkeit eröffnet, weitestgehend ungehindert voranzukommen und gleichzeitig nicht nur die Bedienungen der vor ihnen stehenden Kanonen sondern auch die an ihrer Flanke vorbei-stürmenden Gardisten unter Beschuss zu nehmen. Jetzt sind es die Briten, die im Salven-Feuer schwere Verluste erleiden. Erst das Eingreifen einiger herbei-eilender Schützen des 95ten und des 52ten (Oxfordshire Light Infantry) Regiments unter Colonel John Colborne stört den weiteren Vormarsch der 4ten Garde-Jäger empfindlich.

Augenblicke später versuchen die französischen Jäger aus der Reichweite der britischen Schützen zu entkommen. Doch anstatt sich dem Rückzug anzuschließen wenden sich die Jäger in einer Viertel-Drehung nach rechts, und das Karree – nunmehr in drei Richtungen feuernd – geht auf Maitlands Truppe vor, dessen Gardisten damit vor der unmittelbaren Gefahr stehen, von den weichenden Franzosen eingeschlossen zu werden. Eilends gibt Maitland seinen Männern den Befehl zum Rückzug. Um das Salven-Feuer wirkungsvoller erwidern zu können, entfalten die Garde-Jäger ihre Karrees zur Linie.


"Now, Maitland!"

Aquarell von Clive Uptton, lt. externer Link »art.com« im privaten Besitz.


Rückzug der Mittleren Garde.

"Repulse of the Guard - The Rout of the French Imperial Guard"

Gemälde von Jason Askew im externer Link »Royal Green Jackets (Rifles) Museum« (Peninsula Barracks, Winchester, Hampshire, UK).

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Jason Askew.


"Attack of the 52nd Light Infantry on the Imperial Guard"

Gemälde von Laslett J. Pott im externer Link »The Waterloo Archive« - Wrexham County Borough Museum (Wales, UK).

Uptton - Maitland

Askew - Retread of the Guard

Pott - 52nd Light Infantry

 

Zeit zur Erholung – zur Neuordnung der Einheit oder gar zur Bergung der Verwundeten – ist Maitlands Gardisten nicht gegeben: Nachdem das 1te Regiment der britischen Fuß-Garde den Angriff des 3ten Jäger-Regiments der Kaiser-Garde abwehren konnte, muss es sich infolge der hierbei erfahrenen Verluste vor dem überraschend ausgeführten Flanken-Angriff des nachrückenden 4ten Garde-Jäger-Regiments zurückziehen. An seine Stelle tritt das 52te (Oxfordshire Light Infantry) Regiment unter Colonel Colborne, der seine Kompanien (mit 1.130 Mann stärkste Einheit auf britischer Seite und in der Front etwa mittig zwischen Hougoumont und La Haye Sainte positioniert) vom Hohl-Weg hinter Hougoumont auf die linke Flanke der französischen Kolonnen einschwenken und Salve auf Salve feuern lässt, die jedoch Salve auf Salve von den Garde-Jägern erwidert werden. Das 3te britische Garde-Regiment – die "Scots Guards" unter Major Francis Hepburn –, das bislang als Reserve hinter Hougoumont stand, marschiert zur Unterstützung heran; auch hier feuern sämtliche Kompanien mindestens eine Salve. Der dann folgende Bajonett-Angriff – überraschend unterstützt von dem in zweiter Linie schräg dahinter stehenden 13ten Regiment Light Dragoons unter Lieutenant-Colonel Shapland Boyse – wirft die Garde-Jäger zwar wieder von der beinahe gewonnenen Anhöhe von La Haye Sainte, doch sind die Gardisten von den plötzlich hinter -, zwischen und seitlich auftauchenden Dragonern derart überrascht, dass die Reihen nicht nur vollkommen durcheinander geraten, sondern Mannschaften der linken Flank-Company voller Panik auch auf die eigene Kavallerie feuern.

Durcheinander entsteht. Nur in dem Colborne sein Regiment weiter vorrücken lässt, kann er die Ordnung und das Salven-Feuer aufrechterhalten und verhindern, dass sich die französischen Karrees wieder formieren. Und obwohl es seinen Schützen sogar gelingt, eine komplette Batterie der leichten französischen Artillerie zu Pferd, die den Alliierten bis zum letzten Moment schwere Verluste zugefügt - dabei aber den rechtzeitigen Moment zum Rückzug verpasst hat, zu erbeuten, verliert der Gegen-Angriff des 52ten ohne Unterstützung der gesamten Linie an Kraft und Entschlossenheit.


"The 52nd at Waterloo – Colborne and the Imerial Guard"

Gemälde von William Barns Wollen in externer Link »The Waterloo Association« (London, UK).


"Das 3te Regiment der Fuß-Garde in der Schlacht von Waterloo"

Aquarell/Aquatinto von Richard Simkin im externer Link »National Army Museum« (London).


"The Capture of a French Battery by the 52nd Regiment at Waterloo"

Gemälde von Ernest Crofts im externer Link »The Royal Green Jackets (Rifles) Museum« (Peninsula Barracks, Winchester, Hampshire, UK).


"Lord Hill ordering the 13th Light Dragoons to attack at the Battle of Waterloo" - General Arthur Hill befiehlt dem 13ten leichten Dragoner-Regiment die Attacke.

Das Regiment, das von Oberst-Leutnant Shapland Boyse kommandiert wurde und der 7ten Kavallerie-Brigade zugehörte, operativ jedoch der 5ten Kavallerie-Brigade angegliedert worden war, hatte sich im Laufe des Tages bereits an einigen Attacken beteiligt. Der Regiments-Geschichte nach schlug die Einheit im Rahmen des alliierten Gegen-Angriffs ein Karree französischer Garde-Infanterie vollständig in die Flucht. Ein Offizier des 13ten schrieb: Unser letzter und brillantester Angriff erfolgte in dem Moment, als Lord Hill, der die Bewegung der preussischen Armee bemerkte und die französische kaiserliche Garde im Begriff war, einen Teil der britischen Stellung zu erzwingen, ausrief: "Schlagt sie zurück, 13te!" Ein solcher Befehl von einem solchen Mann konnte nicht missverstanden werden und wurde pünktlich befolgt.

Aquarell von Harry Payne, lt. externer Link »Art UK« in der ehem. "Regimental Collection", übernommen vom externer Link »Discovery Museum« (Newcastle upon Tyne, UK).

Wollen - The 52nd at Waterloo

Simkin - Scots Guards

Crofts - The 52nd at Waterloo

Payne - 13th Light Dragoons

 

Beidseits von La Haye Saint haben die von Ney und d'Erlon geführten Sturm-Spitzen die britische, nassauische und braunschweigische Infanterie einige hundert Schritt gegen den Kamm von Mont St. Jean zurückgeworfen. Hier beobachten General-Leutnant David Hendrik Chassé und Oberst Hendrik Detmers den Rückzug der Verbündeten, die mehr und mehr ihre Ordnung verlieren. Hinter der Deckung der Höhe, parallel zum Hohl-Weg von Ohain, stehen die rund 6.500 Mann der 3ten (niederländischen) Division, deren 1te Brigade jetzt den Befehl zum Gegen-Angriff erhält. Mit einer Front von etwa 300 Metern Länge – wahrscheinlich nach Vorbild der französischen Bataillons-Kolonne zwei Bataillone in der Breite und drei Bataillone tief – marschiert die Brigade im Sturm-Schritt über den Kamm und mit gefällten Bajonetten hinunter in den Riss zwischen den Braunschweigern und Halketts 5ter Brigade, den Karrees der französischen Garde-Grenadiere entgegen, die zusammen jetzt nur noch etwa 650 Mann zählen und den Zusammenschluss suchen. Der dann folgende Bajonett-Angriff (Napoleon hatte General Chassé während des fast 5-jährigen Spanien-Feldzuges anerkennend den Ehren-Titel "Général Baionette" verpasst; eine Bekanntschaft, die wiederum Wellingtons anfängliches Misstrauen gegenüber dem holländischen General begründet) wird derart energisch geführt, dass die beiden Karrees binnen kürzester Zeit ihren Zusammenhalt verlieren und sich in mehrere Gruppen von einigen Dutzend Grenadieren auflösen, die – Rücken an Rücken in der Rundum-Verteidigung – versuchen, sich halbwegs geordnet auf die zweite Linie zurückzuziehen. Angesichts der geradezu blind-wütig und ohne Rücksicht auf eigene Verwundungen zustechenden Milizionäre und der mit geladenen Kanonen zwischen der nachfolgenden 2ten Brigade des Generals Alexander d'Aubremé vorrollenden niederländischen Divisions-Artillerie geben jedoch mehr und mehr Gardisten ihre Widerwehr auf und suchen ihr Heil in der Flucht, andere suchen in den Gärten von La Haye Sainte Schutz; nur wenige überleben hier die blutigen Kämpfe mit den Milizionären des 17ten und 19ten National-Bataillons. Mit Hoch-Rufen auf das Haus Oranien und den König der Niederlande überqueren die Soldaten der Brigade Detmers kurz darauf die Brüsseler Chaussee und sichern die französischen Batterien, die während Neys Angriff auf La Haye Sainte auf dem vorderen Kamm von Mont St. Jean aufgefahren waren und die britische Infanterie unter Beschuss genommen haben.

Den Resten der beiden Garde-Jäger-Bataillone gelingt etwa auf der Höhe zwischen Hougoumont und La Haye Sainte der Zusammenschluss, doch bietet dieses Karree der Batterie Krahmer ein unverfehlbares Ziel. Unter den Jägern des 35ten (belgischen) leichten Bataillons unter Luitenant-Kolonel Desire P.J. Arnould – überwiegend französisch sprechend – kommt Jubel auf: "La garde recule! …


"Chasse`s counterattack by the Dutch-Belgian 3rd Division" - Angriff von General Chassé mit der Brigade Detmers auf die Mittlere Garde.

Im Vordergrund das Linien-Infanterie-Bataillon Nr. 2, dessen Kommandeur, Lieutenant Colonel Speelman, von General Chassé den Befehl zum Angriff erhält.

Gemälde von Jan Hoynck van Papendrecht im externer Link »Rijksmuseum« (Amsterdam). Eine zweite Version befindet sich im externer Link »Nationaal Militair Museum« (Soest, NDL).


Niederländische Infanterie. Flanqueurs der (belgischen) Linien-Bataillone und der National-Miliz um 1815.

Aquarellierte Zeichnung von Herbert Knötel (der Jüngere) für »Napoleonic Uniforms« von John R. Elting (Macmillan Publishing Company; 1993).

Bildquelle(n): ► eigene Sammlung.


Papendrecht - Division Chassé

Knötel d.J. - Linien-Bataillon

Knötel d.J. - National-Miliz

 

ca. 20:00 Uhr: VIII. Akt (5) - … Sauve qui peut!"


"Die Garde zieht sich zurück!" Der Sieges-Ruf der belgischen Jäger verbreitet auf Seiten der französischen Linien-Infanterie Entsetzen. Das kurz darauf umgehende Gerücht, dass die Preussen Plancenoit gestürmt haben und mit stetig nachrückenden Verstärkungen auf La Belle Alliance vorstoßen – der Armee damit den direkten Rückzugs-Weg in Richtung Charleroi abschneiden –, lässt Panik aufkommen. Erste Soldaten verlassen die Linie; einige werfen bereits ihre Waffen und Teile der Ausrüstung fort und rennen davon, andere folgen nach kurzem Zögern ihrem Beispiel. Die Rufe "Rette sich, wer kann! Lauf um dein Leben!" werden unter den einfachen Soldaten unmissverständlicher Befehl. Die Starken überrennen die Schwachen, fallen im nächsten Moment die Hänge des Plateaus von La Haye Sainte hinunter und werden dort wiederum von den Nachfolgenden zusammengetrampelt. Binnen Minuten verliert die Linien-Infanterie jede Ordnung; Befehle verhallen ungehört oder werden nicht mehr gehört; auch die Offiziere verlieren schließlich ihren Glauben und damit jede Hoffnung; das gesamte Corps d'Erlons ist in Auflösung.

Vor dem Hof von La Haye Sainte – dem Ziel all seiner Angriffe nah wie nie zuvor doch nur noch von einer Handvoll Offizieren und unzähligen Toten umgeben – steht Marschall Ney an der Seite von General Drouet d'Erlon. Der Legende nach ist der große Orden-Stern auf seiner Brust verbogen; von einer Kugel getroffen.

"Gibt es denn keine Kugel für mich?" brüllt er wohl todessehnsüchtig zu den Alliierten hinüber. General d'Erlon will ihn in die Sicherheit der letzten noch stehenden Karrees geleiten. Aufgebracht fährt er ihn an: "Willst du etwa weiterleben?"


"Le vieux Chasseur de la vieille Garde" (Im Hintergrund das Château d'Hougoumont)

Gemälde von Hippolyte Bellangé im externer Link »Art Institute« (Chicago, USA).


"Waterloo - a Glorious Victory"

Illustration von Peter Jackson für »Through the Ages« (Book Palace Publishing, London 2021).

Bildquelle: ► »Illustration Art Gallery«.


Bellange - Le vieux Chasseur

Jackson - Victory

 

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ca. 20:00 Uhr: IX. Akt (1) - "… the Prussians are coming!"


War der Anblick der weichenden Garde für die Soldaten der französischen Linien-Infanterie schon demoralisierend, so ist der brennende und in der aufkommenden Abend-Dämmerung weithin sichtbare Kirch-Turm von Plancenoit der Auslöser für die schnell um sich greifende Panik: Wenn die Preussen Plancenoit erobert haben, ist jede Aussicht auf Rückzug oder Rettung bedroht und – da die Preussen nach fester Überzeugung der einfachen französischen Soldaten keine Gefangenen machen – auch alle Hoffnung auf die Rückkehr in die Heimat verloren. Erst einmal gilt es, die etwa zwei Kilometer nahe und doch so ferne Höhe von La Belle Alliance zu erreichen, bevor die Preussen die Kreuzung der Brüsseler Chaussee bei Maison du Roi in Richtung Charleroi bzw. die Straße nach Nivelles abriegeln.


Bereits kurz nach Beginn des finalen Angriffs war im stetig zunehmenden Donner der alliierten Artillerie auch aus süd-östlicher Richtung erneut das Grollen von Kanonen zu hören gewesen. Und so sich der Überlieferung nach viele der jungen Rekruten in der Sorge vor den anrückenden Preussen mit den lautstarken Rufen "Laissez-les venir! Tant mieux! Nous les écraserons tous ensemble!" (Lass sie kommen! Umso besser! Wir werden sie alle zusammen vernichten!) Mut zu machen suchten, so wurde die dann verbreitete Meldung vom Eintreffen Marschall Grouchys mit euphorischer Erleichterung bejubelt -, von den erfahrenen Veteranen jedoch mit gehöriger Skepsis bedacht. Die "Grau-Bärte" hatten nicht Austerlitz oder Eylau, Wagram, Talavera oder Albuera, Smolensk, Borodino oder Leipzig überlebt, um jetzt auf einem namenlosen Feld in der Brabanter Provinz zu sterben. Zu oft hatten die inzwischen altgedienten Sergeanten ansehen müssen, dass die "Unsterblichen" (wie die Soldaten der Linie die von Napoleon geschonten Garden sarkastisch betitelt hatten) nach gewonnener Schlacht den Sieg und den Ruhm zugesprochen bekommen hatten, den Tausende von "Muschkoten" (nieder-ländisch bzw. -sächsisch abwertend für Musketiere; von franz.: Mousquet, die Muskete) zuvor mit ihrem Leben erkämpft hatten. Noch vier Karrees der Alten Garde standen im Feld; drei weitere auf der Höhe von La Belle Alliance. Hinter ihnen – abgeschirmt von den Jägern zu Pferd – die Kutsche des Kaisers; bereit zur Abfahrt…


Gegen 16:30 Uhr und damit auf dem Höhe-Punkt der von Ney geführten Kavallerie-Attacken waren nord-östlich der Siedlung Smohain die ersten Voraus-Abteilungen des I. preussischen Korps unter General-Leutnant Hans Ernst von Zieten angekommen. Der anfängliche Plan, das gesamte Korps zu sammeln um dann in voller Stärke von Frichermont aus und in Kooperation mit dem etwa zu dieser Zeit weiter südlich am sog. Wald von Paris aufmarschierenden IV. preussischen Korps unter General-Leutnant Friedrich Wilhelm von Bülow gemeinsam zum Angriff auf die rechte (östliche) Flanke der französischen Armee vorzugehen, war durch das Geschehen vor Ort vereitelt worden: Um Wellington zu entlasten, hatte Bülow gegen 17:00 Uhr von Blücher den Befehl erhalten, zum Angriff auf die vom VI. französischen Reserve-Corps unter Divisions-General Lobau gedeckte Ortschaft Plancenois vorzugehen. Angesichts des von Lobau energisch geführten Gegen-Angriffs erging noch gegen 17:30 Uhr an Zieten die direkte Order, nach Süden einzuschwenken und Bülows Angriff schnellst-möglich zu unterstützen. Dem daraufhin von Wellington entsandten General-Major Karl von Müffling, General-Quartiermeister der preussischen Armee und seit Beginn des Feld-Zuges Verbindungs-Offizier im Haupt-Quartier der britischen Armee, gelang es, den preussischen General-Stab umzustimmen und die 30.000 Mann des I. preussischen Korps wieder in Richtung Norden zu lenken und an Wellingtons linker (östlicher) Flanke aufmarschieren zu lassen: "Die Schlacht ist verloren, wenn das Korps nicht in Bewegung bleibt und die englische Armee nicht sofort unterstützt!" hatte der General eindringlich gewarnt.

Tatsächlich stand Wellington infolge der von Marschall Ney zu dieser Zeit geführten Angriffe auf La Haye Sainte erheblich unter Druck. Das Zentrum drohte zu brechen. Vor Hougoumont stürmten neben Jeromes 6ter Infanterie-Division inzwischen auch große Teile der 5ten (Bachelu) und der 9ten Division (Foy) gegen die inzwischen auf über 5.500 Mann verstärkte Besatzung an; auf dem linken (westlichen) Flügel hatte die 1te französische Brigade der 4ten französischen Division (Durutte) das 2te und 3te Bataillon des 2ten (nassauischen) Infanterie-Regiments aus den befestigten Gütern La Haie und Papelotte herausgedrängt; die anglo-niederländisch-deutschen Verbände unter den Generälen Thomas Picton, Lowry Cole und Hendrik George de Perponcher Sedlnitzki waren dem Feuer der zwischenzeitlich auf dem Plateau aufgefahrenen französischen Artillerie weitestgehend wehrlos ausgesetzt.


Mit dem Schlesischen Schützen-Bataillon unter Major August von Neumann und dem 3ten (Füsilier-) Bataillon des 2ten Brandenburgischen Infanterie-Regiments Nr. 12 griffen gegen 18:30 Uhr die ersten Einheiten der 1ten preussischen Brigade des Generals Karl Friedrich Franciscus von Steinmetz in das bei Smohain währende Gefecht ein. Begleitet wurde die Avant-Garde von der 7ten Batterie zu Pferd und der 7ten Batterie zu Fuß, deren 6- und 12-pfündige Geschütze beidseits vor Smohain in Stellung gebracht wurden und den von der 1ten französischen Brigade unter General Jean-Gaudens-Claude Pegot mit Front nach Norden und Osten gestellten linken Flügel der Division Durutte unter Feuer nahmen. Zwar gerieten die nachfolgenden Einheiten der 1ten preussischen Brigade kurzzeitig unter relativ heftigen Beschuss der englisch-schottischen bzw. hannoverschen Infanterie der 9ten Brigade unter General Dennis Pack, dessen Soldaten die überraschend aufmarschierenden preussischen Kolonnen im dichten Pulver-Qualm irrtümlich mit den aus Richtung Wavre drohenden Truppen des Marschalls Grouchy verwechselt hatten, doch konnten die beiderseits ausgesandten Offiziere bald für Aufklärung sorgen.

Gegen 18:45 Uhr hatte dann Hauptmann Borowski von der 2ten preussischen Batterie zu Pferd von General Zieten den Befehl erhalten, auf der Höhe hinter dem Hohl-Weg nach Wavre in Stellung zu gehen, von wo aus seine Kanoniere einerseits das Feuer auf die französische Artillerie -, andererseits auf die linke Flanke der Division Durutte eröffneten. Duruttes Verband geriet damit ins Kreuz-Feuer der preussischen Artillerie und war nach kurzem aber heftigem Gefecht mit dem 4ten Brandenburgischen Infanterie-Regiment Nr. 24 -, bald verstärkt durch das 1te Westfälischen Landwehr-Regiment Nr. 13 und von Osten her unterstützt von der 15ten Brigade, gezwungen, erst den Rückzug und im Anblick der auf dem Höhen-Kamm aufreitenden Landwehr-Ulanen schließlich den Abzug vom Schlachtfeld auf La Belle Alliance einzuleiten (wo sämtliche Reste von den Corps-Kommandeuren Drouet d'Erlon und Honoré Charles Reille auf Neys Befehl kurz nach 19:00 Uhr gesammelt, zusammengeworfen und zum erneuten Angriff vorgeführt wurden). Sehr wahrscheinlich werden die abrückenden französischen Infanteristen noch das schallende "Hurray!" der englisch-schottischen Soldaten gehört und als Triumph verstanden haben. Tatsächlich hat der Jubel der Briten jedoch den Soldaten der beiden Musketier-Bataillone des 2ten Brandenburgischen Infanterie-Regiments Nr. 12 unter Oberst-Leutnant Karl Thomas von Othegraven gegolten, die etwa zu dieser Zeit auf dem Höhen-Kamm hinter Papelotte angekommen und an der Seite des 92ten (Gordon Highlanders) Regiments aufmarschiert und von den Schotten mit Begeisterung empfangen worden waren.

Die nach und nach aufrückenden Infanterie- und Kavallerie-Regimenter des I. Korps hatten Wellington zwar die Möglichkeit verschafft, seinen angeschlagenen linken (östlichen) Flügel wieder zu festigen, die Aufstellung zur Mitte hin zu verdichten und sein Zentrum erheblich zu verstärken, doch hatte etwa in diesem Moment bei Plancenoit der Gegen-Angriff der von General Guillaume Philibert Duhesme kommandierten Jungen Garde auf das IV. preussischen Korps begonnen, in dessen Folge General Bülow nach 18:45 Uhr schließlich gezwungen war, seine Verbände unter hohen Verlusten aus der halb gewonnenen Ortschaft heraus- und wieder auf die Ausgangs-Linie zurückzuziehen, dort eine – ausgehend von Frichermont bis hin zum Gut Pajeau – zwei Kilometer lange und entsprechend dünne Defensiv-Stellung zu formieren und zu hoffen, die nachstoßenden Kolonnen des VI. französischen Reserve-Corps bis zum Eingreifen des ebenfalls etwa 30.000 Mann starken II. preussischen Korps unter General Georg Dubislav Ludwig von Pirch abwehren zu können.


"Preussen. Schlesisches Schützen-Bataillon. Schützen, Offizier, Hornist zwischen 1809 und 1814."

Tafel 31 aus Band XIII. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Preussen. 1. und 2. Schlesisches Infanterie-Regiment. Musketiere, Füsiliere, Unteroffiziere um 1812."

Tafel 43 aus Band XV. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


Knötel - Uniformenkunde

Knötel - Uniformenkunde

Im Rahmen des von Ney gegen 19:15 Uhr eingeleiteten General-Angriffs wehrte die 13te Brigade (von Hacke; andere Quellen nennen die 15te) dann zusammen mit der Westfälischen Landwehr den letzten – strategisch nunmehr sinnlosen – Versuch der Division Durutte zurück, Frichermont-Papelotte einzunehmen ab. An der östlichen Front schlugen sich die Regimenter der 15ten Brigade des IV. Korps in einer Reihe von kleineren Gefechten und Scharmützeln mit General Lobaus Infanterie; den Raum hin zur 14ten und der 16ten Brigade vor Plancenoit und damit zum linken (südlichen) preussischen Flügel sicherte die von Prinz Wilhelm von Preussen kommandierte Korps-Kavallerie gegen die von den beiden Kavallerie-Divisionen der Generäle Subervie und Domon geführten Attacken; auf ganzer Linie wurden die Angriffe von den Geschützen der elf inzwischen aufgefahrenen preussischen Batterien abgefangen. Vor Plancenoit waren die 16te und die 5te preussische Brigade von General-Major Ernst Ludwig von Tippelskirch, die dem II. Korps unterstand, zum erneuten Sturm-Angriff formiert.


Die ersten Einheiten des II. preussischen Korps unter General-Leutnant Georg Dubislav Ludwig von Pirch waren etwa gegen 18:00 Uhr hinter dem Wald von Paris eingetroffen. Auch General Pirch sah in Plancenoit das Einfalls-Tor, das den Weg hinter Napoleons Stellung öffnen würde, nur ergänzte er die Vorbereitungen für den Angriff mit dem Plan, Verbände seines Korps auch auf dem Feld-Weg südlich der Ortschaft (Rue d'Anogrune - Rue La Haut) vorgehen zu lassen: Bestenfalls würde es seinen Brigaden gelingen, die Besatzung von Plancenoit von Osten und Süden her anzugreifen, den Rückzugs-Weg westlich von Plancenoit zu bedrohen und gleichzeitig weiter in Richtung Maison du Roi vorzustoßen und damit die Brüsseler Chaussee zu gewinnen.

Gegen 19:15 Uhr begann die preussische Artillerie Plancenoit sturmreif zu schießen. Minuten später brannten die ersten Höfe. Minuten später und auf halben Weg zwischen La Belle Alliance und La Haye Sainte erhielt General Jean-Jacques Germain Pelet-Clozeau die Order, der Jungen Garde in Plancenoit mit zwei Bataillonen der Alten Garde zur Seite zu stehen und – sollte dies nicht gelingen jedoch mit gleichhoher Priorität – zusammen mit den drei Bataillonen der Alten Garde auf der Höhe von Belle Alliance die Chaussee zu halten.


Ohne den Aufmarsch der 5ten Brigade des II. Korps abzuwarten, gingen kurz vor 19:30 Uhr die Kolonnen der 16ten Brigade des IV. Korps wieder zur Offensive über. Erneut traten das 1te und 2te Schlesische Landwehr- sowie das 15te Infanterie-Regiment zum Sturm. Erneut eröffnete die Garde-Artillerie auf der Höhe süd-östlich von Belle Alliance das Feuer, doch entweder boten die Preussen im schnellen Sturm- oder Lauf-Schritt schlecht zu treffende Ziele oder auch hier wirkte sich bereits der überall vermeldete Mangel an Pulver und Kartätsch-Ladungen aus. Hingegen waren die Tirailleurs und Voltigeurs der Jungen Garde hinter Hecken und Mauern am Orts-Rand in Stellung gegangen und hatten die Zeit genutzt: Die Gehöfte waren provisorisch befestigt, Türen und Tore vernagelt und verbarrikadiert, Fenster und Gauben mit Mobiliar und Matratzen verschanzt und zu Schieß-Scharten umfunktioniert. Nahezu ohne jede Deckung entwickelte sich der Sturm-Angriff in der Reichweite der französischen Musketen zu einem außerordentlich verlustreichen Unternehmen. Im Ort angekommen, wurden die Landwehr-Männer von allen Seiten aus nächster Nähe beschossen. Kaum in der Lage, sich effektiv wehren zu können, kostete jeder Straßen-Meter bald ein halbes Dutzend Tote oder Verwundete, wobei die Nachfolgenden von den vor ihnen gefallenen Kameraden im Voran-Kommen behindert und selbst getroffen wurden, ohne Hilfe bieten oder selbst erwarten zu können. Jeder Hof musste in blutigen Nah-Kämpfen einzeln erobert werden; jedes Haus glich einer Festung; auf jeder Treppen-Stiege lagen Angreifer und Verteidiger zu Hauf. Um nicht länger wertvolle Zeit mit langwierigen Häuser- und Einzel-Kämpfen zu vergeuden -, vor allem aber um nicht noch höhere Verluste hinnehmen zu müssen, gingen die Landwehr-Männer schließlich in mehr und mehr Gebäuden dazu über, unter den hölzernen Decken der unzugänglichen Etagen Feuer zu legen.

Die ersten französischen Soldaten ergriffen die Flucht in Richtung Chaussee, andere verließen die schwelenden Häuser und ergaben sich den Preussen. Beide kamen nicht weit. Die einen liefen genau vor die Bajonette einer Kompanie Jäger der Alten Garde, die General Pelet im Lauf-Schritt voraus-gesandt hatte, um weitere Absetz-Bewegungen französischer Soldaten zu vereiteln, den anderen wurde von den preussischen Soldaten kein Pardon gewährt.

Kurz vor 19:45 Uhr drangen die Gardisten des 1ten Bataillons des 2ten Jäger- sowie des 1ten Bataillons des 2ten Grenadier-Regiments in das von dichten Rauch-Wolken verhangene Dorf. Nachdem die Jäger Beschreibungen nach einige tote Kameraden entdeckt hatten, die von den Preussen kurzerhand aufgeknüpft worden waren, entwickelte sich der Gegen-Angriff zu einem mörderischen Gemetzel. Von Rache erfüllt, wurden jetzt auch die preussischen Verwundeten entlang der Einfalls-Straßen abgestochen. Mit blutigen Bajonetten trieben die Gardisten die abgekämpften Landwehr-Männer wieder aus dem Dorf, verfolgten sie dann mit Unterstützung der Jungen Garde etwa eine halbe Meile weiter gegen die Stellungen der preussischen Artillerie, deren Kanonen angesichts der eigenen Truppen vor den Rohren wieder zu Untätigkeit verdammt waren und die vielleicht sogar verloren gegangen wären, so nicht Oberst Theodor Ernst von Eicke die 4te Eskadron des 2ten Schlesischen Husaren-Regiments Nr. 6 unter Rittmeister von Wolf gegen die vorangehenden Tirailleurs geschickt hätte. Zusammen mit dem erst im März aus Abgaben der Schlesischen Husaren errichteten 1ten Westfälischen Husaren-Regiments Nr. 8 wehrten die 6ten Husaren die parallel mit der angreifenden Infanterie attackierenden Lanciers der französischen Kavallerie-Divisionen Subervie und Domon ab.

Einheiten der 5ten Brigade fingen die fliehende Landwehr auf und stabilisierten die Linie. Kurz vor 20:00 Uhr war die Situation wieder überschaubar, und die preussische Artillerie nahm die inzwischen an allen Ecken brennende Ortschaft – von französischer Seite später als "Granaten-Nest" bezeichnet – erneut unter Beschuss.


"Blüchers Ankunft bei Waterloo"

Gemälde von Friedrich Kaiser im Museum am Burghof (Lörrach, GER)

Bildquelle: ► Sammlung Dreiländermuseum Lörrach.


"Generalfeldmarschall Blücher in der Schlacht von Belle Alliance"

Gemälde von Georg Bleibtreu im Militärhistorisches Museum der Bundeswehr (Dresden, GER)

Bildquelle: ► MHM auf »facebook«.


"Intervention der Alten Garde"

Gegen-Angriff der Grenadiere der Kaiserlichen Garde zur Rückeroberung von Plancenoit.

Illustration von Alexander Yezhov für »Zvezda«-Modell-Figuren.

Bildquelle: ► Blog von Alexander Yezhov auf »tumgir«.


Kaiser - Blücher bei Waterloo

Bleibtreu - Blücher bei Belle Alliance

Yezhov - Alte Garde

 

ca. 20:30 Uhr: IX. Akt (2) – Eroberung von Plancenoit


Von General-Leutnant Neidhardt von Gneisenau persönlich geführt, beginnt gegen 20:00 Uhr die 5te preussische Brigade von General Tippelskirch den dritten Versuch, Plancenoit zu erobern. Pirchs Vorschlag folgend, führt Major von Witzleben die Füsiliere und Freiwilligen Jäger des 25ten Infanterie-Regiments (vormals die Infanterie des Lützower Frei-Korps) im Lauf-Schritt über die Rue d'Anogrune gegen den südlichen Rand von Plancenoit; ihm folgen die beiden Musketier-Bataillone unter den Majoren von Helmenstreit und von Seydlitz. Die noch einsatz- und kampf-fähigen Landwehr-Männer der 16ten Brigade (Hiller) marschieren noch weiter südlich – vorbei am Wald von Virère, dem Lauf der Lasne folgend und durch den Wald von Chantelet – direkt auf Maison de Roi an der Brüsseler Chaussee; ihnen voraus die Füsiliere und Freiwilligen Jäger des 15ten (3ten Reserve-) Infanterie Regiment unter Major Keller. Nördlich von Plancenoit geht das 5te Westfälische Landwehr-Regiment unter Major Christian Adolf von Roebel vor; die Einheit hat die Order, mit beiden Musketier-Bataillonen unter den Kapitainen von Bülow und von Kalnassy Plancenoit von Norden her anzugreifen und die Stellungen der französischen Garde-Artillerie auf der Höhe süd-östlich von Belle Alliance zu nehmen; das 3te (Füsilier-) Bataillon unter Kapitain von Caveczinsky sichert zusammen mit der Westfälischen Abteilung Freiwillige Jäger die Flanke des Verbandes gegen mögliche Angriffe der französischen Kavallerie. Mit dem zentralen Sturm-Angriff in die Ortschaft hinein wird das 1te Pommersche Infanterie-Regiment Nr. 2 unter Oberst-Leutnant Friedrich Philipp von Cardell beauftragt.

Ausgehend von den Höfen Pajeau, Hubermont und Hanotelet legen die preussischen Kolonnen die rund zwei Kilometer bis zu den Orts-Rändern von Plancenoit in etwa zehn Minuten zurück. Trotz des heftigen Abwehr-Feuers dringen die Bataillone des 25ten Infanterie-Regiments kurz nach 20:15 Uhr von Süden her in die Ortschaft ein, stürmen die wieder besetzten Höfe und drängen die beiden Bataillone des 3ten Régiment de Tirailleurs gegen die weiter am westlichen Orts-Rand stehenden beiden Bataillone des 3ten Régiment de Voltigeurs, die nach kurzem Widerstand ebenfalls weichen. Auch der Widerstand der beiden Bataillone des 1ten Régiment de Tirailleurs im Norden bricht infolge des energisch und rücksichtslos geführten Angriffs der 5ten Westfälische Landwehr zusammen; auch hier können die beiden westlich dahinter stehenden Bataillone des 1ten Régiment de Voltigeurs nur kurzzeitig Unterstützung bieten. Nachdem General Duhesme von einem Kopf-Schuss getroffen und gefährlich verwundet in Richtung La Belle Alliance abtransportiert wird, weichen auch hier die Gardisten der Übermacht. Hingegen treffen die in das Zentrum der Ortschaft stürmenden Füsiliere des 3ten Bataillons vom 1ten Pommerschen Infanterie-Regiment unter Major von Dobschütz auf das 1te Bataillon des 2ten Jäger-Regiments der Alten Garde, die jetzt hinter der umlaufenden Friedhofs-Mauer der "Sainte-Catherine"-Kirche in Deckung gegangen sind und erbitterten Widerstand leisten. Selbst aus den Fenstern in der Apsis der in Flammen stehenden Kirche wird geschossen. Das Gewehr-Feuer endet erst, als die pommerschen Musketier-Bataillone unter den Majoren von Donap und von Reitzenstein den Kirch-Platz von der nördlichen und südlichen Seite abgeriegelt haben und die Verteidiger hinter der Mauer mit dem Bajonett angreifen.

Nur wenige Garde-Jäger überleben den erbarmungslos geführten Sturm-Angriff.

Mit etwa 250 Jägern, Tirailleuren und Voltigeuren der Garde leitet General Pelet kurz nach 20:30 Uhr schließlich den Rückzug ein. Doch entgegen der inzwischen an allen Fronten um sich greifenden Panik ist hier einzig der Ruf "Sauvez nos aigles!" (Rettet unsere Adler!) zu hören. Da auch die aus Plancenoit führende Verbindung zum Weg nach Maison de Roi (heute Rue al' Gatte) inzwischen von den Musketieren des 25ten Infanterie-Regiments abgeriegelt ist, bleibt den Gardisten nur der nördliche Rückzugs-Weg nach Belle Alliance und damit die Aussicht, sich den Weg in Richtung Heimat freikämpfen zu müssen. Aber auch den Musketieren des 25ten Infanterie- und den weiter südlich über die Rue Là-Haut vorgehenden Landwehr-Männern des 1ten und 2ten Schlesischen Regiments wird der Weg zur Brüsseler Chaussee versperrt: Entschlossen, den Rückzugs-Weg des Kaisers bis zum letzten Moment offen zu halten, haben die Grenadiere des 1ten Bataillons des 2ten Regiments der Alten Garde unter Major Juste Golzio auf dem Weg nach Maison de Roi – westlich hinter der Gabelung nach Plancenoit bzw. Hubermont-Hanotelet – zwischenzeitlich ein Karree formiert, das Angriffe aus beiden Richtungen abwehren bzw. den Vormarsch der preussischen Truppen aufhalten soll. Bald nach drei Seiten um sich schießend, werden die Grenadiere von der immer größeren Übermacht zwar mehr und mehr zurückgedrängt, doch hält das Bataillon seine Ordnung, bis es kurz vor der Chaussee in den Sog der dort in Massen fliehenden Truppen gerät…


Das über drei-stündige Gemetzel um und in Plancenoit weißt Kriterien einer Schlacht innerhalb der Schlacht auf: Im Rahmen der drei zwischen 17 und 20:00 Uhr eingeleiteten Angriffe rannten auf preussischer Seite insgesamt rund 35.000 Soldaten gegen die kleine Ortschaft an; auf französischer Seite waren in drei Wellen knapp 16.000 Mann zur Verteidigung mobilisiert worden. Und so die angreifende Partei im Sturm über das freie Feld auf eine befestigte Stellung bereits erheblich im Nachteil ist; bei der Erstürmung verwinkelter Straßen und enger Gassen bzw. der Eroberung festungs-artiger Gehöfte und verbarrikadierter Häuser nur kleine Stoß- oder Kommando-Trupps zum Einsatz kommen – dementsprechend beträchtliche Verluste zu erwarten sind –, ist das Verhältnis der im Nachhinein ermittelten bzw. geschätzten Opfer-Zahlen erstaunlich: So meldete die 5te Brigade (II. Korps Pirch) nach der Eroberung von Plancenoit rund 350 Tote; die 16te Brigade (IV. Korps Bülow) im Ergebnis der drei Sturm-Angriffe rund 1.800 Tote und Schwerst-Verwundete; die im zweiten Treffen nachfolgende 14te Brigade verzeichnete 1.400 Mann. Auf dem rechten Flügel verlor die 15te Brigade in den Kämpfen zwischen 18 und 20:00 Uhr gegen Lobaus VI. Corps bzw. Duruttes 4te Division bei Frichermont knapp 1.800 Mann; die 13te Brigade hatte Verluste von rund 1.000 Mann.

Auf französischer Seite gingen den Schätzungen nach in und um Plancenoit rund 6.000 Mann verloren, wobei diese Zahl im Ergebnis der bis zum 26. Juni wieder gesammelten Soldaten ermittelt wurde und sehr zweifelhaft ist: Angaben über eine genauere Menge der Toten -, der tödlich oder schwer Verwundeten -, der Gefangenen, Übergegangenen bzw. Desertierten konnten angesichts der chaotischen Zustände und des schnell einsetzenden Zerfalls der Armée du Nord nicht erfasst werden.


"Die Schlacht bei Belle-Alliance - Das zweite Regiment (1tes Pommersches) erstürmt den von der französischen Garde besetzten Kirchhof von Plancenoit."

Illustration von Carl Röchling aus der Serie »Unser Vaterland in Waffen«.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Erstürmung des Dorfes Planchenois" (Plancenoit)

Gemälde von Ludwig Elsholtz in der Galerie externer Link »Alte Kunst« - Leon Wilnitsky (Wien, AUT).


"Die Preussen erstürmen Plancenoit"

Die Brigaden Hiller, Ryssel and Tippelskirch des IV. preussischen Armee-Korps unter Bülow zwingen das 6te französische Armee-Corps und die Junge Garde zum Rückzug.

Gemälde von Adolph Northen in der »Hamburger Kunsthalle« (Hamburg, GER).

Bildquelle: ► »BildIndex der Kunst & Architektur« (Amsterdam, NL).


"Prussian Line Infantry 1813-1815"

Die Darstellung zeigt das 2te Schlesische Infanterie-Regiment (ab 1. Juli 1813 Nr. 11); errichtet am 21. November 1808; im Jahr 1815 im IV. Korps unter General Bülow und dort in der 14ten Infanterie-Brigade unter General-Major von Ryssel.

Illustration von Peter Dennis für »Warlord Games - Black Powder« und »Perry Miniatures«.


"Prussian Infantry 1809-1815"

Die Darstellung zeigt das mit A.K.O. vom 7. Juni 1808 aus Abgaben und Zusammenlegungen vor Ort noch vorhandener Einheiten errichtete und mit A.K.O. vom 26. August 1808 als 2tes Pommersches betitelte Infanterie-Regiment (ab 1. Juli 1813 Nr. 9).

Illustration von Giuseppe Rava für »Waterloo 1815«-Miniatur-Figuren.


"Prussian Line Infantry 1813-1815"

Das 2te Pommersche Infanterie-Regiment Nr. 9 war im Jahr 1815 im II. Korps unter General Pirch, dort in der 6ten Infanterie-Brigade unter General-Major Karl August Adolf von Krafft, und war bei Waterloo in die gegen 20:00 Uhr geführten Kämpfe um Plancenoit beteiligt.

Illustration von Enzo Maio für »Revell«-Miniatur-Figuren.


"Old Guard at Plancenoit"

Gemälde von Dan HorseChief.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Dan HorseChief bei »facebook«.


"Guard Grenadiers at Plancenoit"

Illustration von Dan HorseChief für »Victrix«-Modell-Figuren.


"Die letzen der Alten Garde in Plancenoit"

Illustration von Dmytro Zgonnik.

Bildquelle: ► Internet-Präsenz von Dmytro Zgonnik.


Roechling - Plancenoit

Elsholtz - Planchenois

Northen - Plancenoit

Dennis - Prussian Line Infantry

Rava - Prussian Infantry

Maio - Prussian Infantry

HorseChief - Plancenoit

HorseChief - Plancenoit

Zgonnik - Plancenoit


Füsilier vom 1. Brandenburgischen Infanterie-Regiment Nr. 12 (am 1. Juli 1813 aus Reserve-Formationen aufgestellt).

Musketier, 12. Reserve-Infanterie-Regiment (ab 1815 Infanterie-Regiment Nr. 24).

Offizier des Schlesischen Schützen Bataillons, Stammtruppe der späteren schlesischen Jäger-Bataillone Nr. 5 und 6.

Husar des 1. Schlesischen Husaren-Regiments Nr. 4.

Wehrreiter eines Kurmärkischen Landwehr-Kavallerie-Regiments.

Kanonier der Schlesischen Artillerie-Brigade.


Sammel-Bilder nach Vorlagen von Herbert Knötel (der Jüngere) aus »Deutsche Uniformen« (Band II: Freiheitskriege).

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

 

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ca. 20:30 Uhr: X. Akt (1) - "The Whole Line Will Advance"


Gleichzeitig mit dem von General Gneisenau gegen 20:00 Uhr begonnenen Angriff auf Plancenoit waren auch die gegen General Lobaus VI. Corps stehenden Brigaden des IV. preussischen Korps unter General Bülow und die bei Frichermont am linken (östlichen) Flügel der Alliierten anschließenden Verbände des I. preussischen Korps unter General Zieten in die Offensive gegen die von Ney zum General-Angriff befohlene Linien-Infanterie gegangen. Bei Papelotte hatten sich das 2te und 3te Bataillon des 2ten (nassauischen) Infanterie-Regiments den Preussen angeschlossen. Hier gelang der preussischen Kavallerie unter General Friedrich Erhard von Röder etwa gegen 20:15 Uhr der Durchbruch; erschüttert und demoralisiert vom Rückzug der Garde ergaben sich mehr und mehr Soldaten der Division Durutte der nachrückenden preussischen Infanterie. General Durutte bot schließlich die Kapitulation an. Der darauf von den Kavallerie-Verbänden des I. Korps unter General Röder und des IV. Korps unter Prinz Wilhelm von Preussen aus nördlicher und östlicher Richtung eingeleitete Angriff auf die beiden schon in den Kämpfen um Plancenoit zerschossenen Divisionen Lobaus an der östlichen Flanke -, die nur noch hinhaltenden Versuche der beiden Reserve-Kavallerie-Divisionen der Generäle Subervie und Domon -, vor allem aber die Flucht der Jungen Garde um Plancenoit, führten auch hier zum Zusammenbruch; im Wett-Lauf mit Duruttes Soldaten rannten bald auch Lobaus Männer in Richtung der rettenden Chaussee nach Charleroi. Westlich vor La Haye Sainte hatte die 1te (niederländische) Brigade unter Colonel Detmers die von den Generälen Poret de Morvan und Harlet kommandierten Grenadiere der Mittleren Garde von der Höhe gejagt. Viele Grenadiere haben sich in die nahen Gärten von La Haye Sainte geflüchtet, den sie jetzt verbissen gegen die ebenso entschlossen anstürmenden Milizionäre des 17ten und 19ten (belgischen) National-Bataillons verteidigen. Die Chasseurs, Carabiniers und Voltigeurs des 13ten leichten Infanterie-Regiments, die den Hof von La Haye Sainte gegen 18:00 Uhr im geradezu selbst-mörderischen Einsatz erobert und über zwei Stunden verteidigt haben, erkennen die Sinnlosigkeit ihres Widerstands und die Gefahr, bald auf einer von allen Seiten sturm-umbrandeten Insel festzusitzen. Sie entkommen im letzten Moment. Detmers Bataillone auf dem vorderen Kamm von Mont St. Jean formieren sich neu und beginnen in bester Ordnung die Verfolgung der fliehenden französischen Infanterie in Richtung des Feld-Weges Papelotte-Smohain und damit auf die dort stehende "Grande Batterie".


Vor der Höhe von Mont St. Jean ist der Angriff der französischen Garde gescheitert; die abgeschlagenen Grenadiere und Jäger weichen in Richtung der letzten vier geschlossenen Karrees in der Mitte des Schlacht-Feldes. Ein letzter Versuch der französischen Garde-Kavallerie, der Infanterie Gelegenheit zu geben, sich zu sammeln, wird durch die vollkommen überraschend auftauchenden preussischen Husaren vereitelt; nach kurzem Geplänkel sind die Jäger und Lanciers samt einigen Karabiniers zerstreut; die Reiter ziehen sich erst hinter die Karrees und dann in einem weiten Bogen in süd-westliche Richtung ebenfalls auf Belle Alliance zurück, wobei die Reiter-Trupps einigen Beschreibungen nach keinerlei Rücksicht auf die Infanteristen nehmen, die sich bereits vor ihnen zur Flucht gewandt haben.

Um zu verhindern, dass die zurückweichenden Truppen von Ney noch einmal gegen die kurz vor dem Zusammenbruch stehenden britischen Linien getrieben werden – wohl auch um zu verhindern, dass die entscheidenden Initiativen zur endgültigen Niederlage Napoleons in der historischen Bewertung allein der preussischen Armee zugesprochen werden –, motiviert und mobilisiert "Old Hookey" (einer der vielen Spitz-Namen Wellingtons, der auf seine Nase anspielt) die Reste der alliierten Streit-Kräfte zum allumfassenden Angriff. Bis die einzelnen Regimenter und Einheiten formiert sind, erhalten die sechs Regimenter der beiden (leichten) Kavallerie-Brigaden unter den General-Majoren Richard Hussey Vivian und John Ormsby Vandeleur, zusammen etwa 2.500 Husaren und Dragoner, den Befehl, die französische Linien-Infanterie stetig zu beunruhigen, Stör-Versuche der gegnerischen Kavallerie abzuwehren und die Reste der Garde-Bataillone nach Möglichkeit zu zerstreuen.

Mit dem Schwenken seines Hutes – Thema zahlreicher Darstellungen – gibt Wellington das Signal zum Angriff.


"Preussen. 1. Schlesisches Husaren-Regiment. Husar um 1813."

Tafel 29 aus Band II. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"The Battle of Waterloo"

Gemälde von Thomas Jones Barker, lt. externer Link »Bonhams« im Privat-Besitz.


"Wellington's Finest Hour"

Druck nach einem Gemälde von David Cartwright im externer Link Auktionshaus »Bonhams« (London, UK).


"The Line Will Advance"

Chromo-Lithographie von William Barnes Wollen, lt. externer Link »Invaluable« im privaten Besitz.


"The Whole Line Will Advance"

Colorierte Lithografie von Edgar Alfred Holloway, lt. externer Link »Invaluable« im privaten Besitz.


"Duke of Wellington ordering the entire British line to advance at the Battle of Waterloo."

Ausschnitt aus einem Gemälde von William Barnes Wollen; unbekannter Aufenthalt.

Bildquelle: ► Wikipedia.


"The Duke of Wellington at La Haye Sainte."

Gemälde von William Sadler, lt. externer Link »Sothebys« im privaten Besitz.


"The Battle of Waterloo at the Close of the Day"

Gemälde von Robert Alexander Hillingford in »The Wellington Collection« (Apsley House, London).

Bildquelle: ► »BiographyUK«


Knötel - Uniformenkunde

Barker - Waterloo

Cartwright - Wellington's Hour

Wollen - The Line Will Advance

Holloway - The Whole Line

Wollen - The Whole Line

Sadler - Wellington at La Haye Sainte

Hillingford - At the Close of the Day

Stadler - 14th light Dragoons

Stadler - 10th Royal Hussars

Stadler - 15th light Dragoons

Stadler - 18th light Dragoons

"A Private of the 7th or Queens Own light Dragoons" (c. 1815)

"A Corporal of the 10th or Prince of Wales Own Royal Hussars" (c. 1815)

"A Private of the 15th or Kings light Dragoons" (c. 1815)

"A Private of the 18th or King's Irish light Dragoons" (c. 1815)

Handcolorierte Gravur(en) von Joseph C. Stadler aus »Costumes of the Army of the British Empire« by Charles Hamilton Smith; Colnaghi & Co. (London, 1812-1815).

Bildquelle: ► eigene Sammlung.

 

Den leichten Reitern Vivians und Vandeleurs schließen sich auch die 3te und 5te Kavallerie-Brigade unter den General-Majoren Wilhelm von Dörnberg mit der leichten Reiterei der K.G.L. und Colquhoun Grant mit drei weiteren Husaren-Regimentern an, die Wellington zur Deckung des rechten (westlichen) Flügels gegen mögliche Umfassungen von Hougoumont aus in Reserve gehalten hat. Der Anblick der etwa 2.500 Reiter, die von zwei Batterien der berittenen Artillerie begleitet werden, liefert jetzt auch den Divisionen des II. französischen Corps unter General Reille ausreichend Anlass zum Rückzug. Beschreibungen nach kehren sich ganze Einheiten der französischen Linien-Infanterie einfach um und fliehen. Einige heben die Hände und versuchen sich mit dem Ruf "Vive le Roi! - Vive le Roi!" zu ergeben; andere versuchen in einzelnen kleinen Gruppen die leichten Reiter auf Abstand zu halten oder aus nächster Nähe mit dem Bajonett abzuwehren, doch ohne Ordnung und ohne Rücken-Deckung sind diese Trupps eine noch leichtere Beute als die gedrängte Masse der davon-rennenden Soldaten.

Hunderte werden nieder-gesäbelt – Tausende verbluten mit schwersten Wunden oder werden von den Pferden zertrampelt.

Zusammen mit den Schützen des gegen 19:00 Uhr zur Verstärkung nach Hougoumont entsandten Avant-Garde- und des Leib-Bataillons des Braunschweiger Korps rücken kurz nach 20:30 Uhr die Wehr-Männer des hannoverschen Bataillons "Salzgitter" (vormals "Goslar") in das zerschossene Erlen-Wäldchen vor dem Château und beginnen mit der Bergung der Verwundeten und Toten. Von ihren Kameraden, den Schützen der leichten Bataillone "Lüneburg" und "Gubenhagen" sowie den Jägern der beiden leichten Kompanien des 2ten (nassauischen) Infanterie-Regiments sind nur noch wenige Männer zu retten.

Die versprengten Grenadiere und Jäger der Garde, die sich erst vor wenigen Minuten in die Ruinen von La Haye Sainte gerettet haben und entschlossen sind, die wichtige Schlüssel-Stellung im fanatischen Kampf bis zum Gegen-Angriff der zweiten Linie der Garde zu halten, werden von den hass-erfüllten Mannschaften des 27ten (Inniskilling) und des 40ten (2tes Somersetshire) Regiments, die über eine Stunde dem direkten Feuer der französischen Artillerie ausgesetzt waren, gnadenlos niedergemacht.


"Hannover (Britannien). Englisch-Deutsche Legion (KGL - Kings German Legion). Dragoner und Offiziere vom 1. und 2. Leichten Dragoner-Regiment um 1814."

Tafel 30 aus Band III. der »Uniformenkunde« von Prof. Richard Knötel.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"General Advance of the British Lines" - (Viviene's Brigade).

In den letzten Phasen der Schlacht von Waterloo führt Lord Uxbridge einen Kavallerie-Angriff, der schließlich die französischen Reihen brach und sie in einen ungeordneten Rückzug versetzte.

Gemälde von Denis Dighton in der externer Link »Royal Collection« (Windsor Castle, UK), sowie in der externer Link »National Trust Collection« (Plas Newyd, Anglesey Castle, Wales, UK).


"The Battle of Waterloo" - The Earl of Uxbridge (later 1st Marquess of Anglesey) is shown front right hand side with his staff and the Duke of Wellington and his staff are on the left hand side whilst Napoleon is in the background.

Gemälde von Denis Dighton in der externer Link »National Trust Collection« (Plas Newyd, Anglesey Castle, Wales, UK).


"British Hussars 1808-1815" (10th (Prince of Wales's Own) Regiment Hussars)

Illustration von Peter Dennis für »Warlord Games - Black Powder«-Modell-Figuren.


Knötel - Uniformenkunde

Dighton - Advance of the British Lines

Dighton - Advance of the British Lines

Dennis - British Hussars

27th RoF

40th RoF

95th RoF - Private

95th RoF - Officer

27th (Inniskilling) Regiment of Foot. Light Company. Private und Junior-Officer um 1815.

Illustration von Percival William Reynolds für »The Royal Inniskilling Fusiliers - being the history of the regiment from December 1688 to July 1914« (Constable-Publishing, London, 1928)

40th (2nd Somersetshire) Regiment of Foot. Center Company. Private und Junior-Officer um 1815.

Illustration von Percival William Reynolds für »Historical Records of the 40th Regiment«

Digitale Komplett-Ausgabe bei externer Link »archive.org«.

95th (Rifles) Regiment of Foot. Rifle-Man um 1814 und Junior-Officer um 1808.

Illustration(en) von Richard Simkin für »Uniforms of the British Army« - Infantry, Royal Artillery, Royal Engineers and other corps (Ausschnite aus Tafel 93 "Rifle Brigade").

Digitale Komplett-Ausgabe bei externer Link »archive.org«.

 


Knötel d.J. - Bataillon Salzgitter

Knötel d.J. - Bataillon Lüneburg

Knötel d.J. - Avantgarde-Bataillon

Knötel d.J. - Leib-Bataillon

V.l.n.r.:

Hannover: Landwehr-Bataillon "Salzgitter", Private um 1815 und leichtes Bataillon "Lüneburg", Private um 1815.

Braunschweig: Gelernter Jäger der Jäger-Kompanie im Avant-Garde-Bataillon und Sergeant-Major vom Leib-Bataillon um 1815.

Aquarellierte Zeichnungen von Herbert Knötel (der Jüngere) für »Napoleonic Uniforms« von John R. Elting (Macmillan Publishing Company; 1993).

Bildquelle(n): ► eigene Sammlung.

 


ca. 20:45 Uhr: X. Akt (2) - "Merde!"


Etwa fünfhundert Meter süd-westlich von La Haye Sainte – umgeben von den zurück-flutenden Massen der eigenen Infanterie – stehen die vier Karrees der Alten Garde, die bei Neys Angriff auf Wellingtons rechten (westlichen) Flügel in zweiter Linie als Reserve zurückgehaltenen worden waren: Östlich der Chaussee das 2te Bataillon des 2ten Regiments Grenadiere, links daneben das 2te Bataillon der 2ten Jäger, daran anschließend das 2te Bataillon des 1ten Jäger-Regiments und mit etwas Abstand bzw. fünfhundert Meter süd-östlich von Hougoumont das 2te Bataillon des 3ten Regiments Grenadiere. Unter ihnen die Generäle Charles Antoine Morand, Pierre Cambronne, Charles-Joseph Christiani, Paul-Jean-Baptiste Poret de Morvan und … noch immer der Kaiser.

Sämtliche Versuche, die Flucht seiner Soldaten abzuwenden, sind gescheitert; die von der französischen Armee gelieferten Kämpfe haben mehr und mehr den Charakter von Rückzugs-Gefechten. Somit bleibt Napoleon nur noch die Option, den Untergang des Gros seiner Armee zu verhindern, indem er seinen Soldaten die Flucht ermöglicht bzw. den Vormarsch der Alliierten aufhält. Salve auf Salve feuern die fest geschlossenen Karrees seiner Alten Garde auf die Husaren des 10ten (Prince of Wales' Own) Regiments, die die beweglichen Festungen wie ein Wolfs-Rudel umkreisen, sich aber angesichts der erfahrenen Veteranen, die vollkommen ruhig und diszipliniert wieder und wieder ihre Gewehre laden, in respektvollen Abstand halten. Die nach allen Richtungen drohenden Bajonette öffnen sich nur für Generäle und die Kameraden der ersten Welle; selbst hohen Stabs-Offizieren und verdienten Adler-Trägern der Linie wird der Einlass in die – scheinbar sicheren – Karrees verwehrt.


Im Kreis seiner Stabs-Offiziere verfolgt Wellington die Bewegungen der preussischen und französischen Truppen und den Beginn des Angriffs der eigenen Verbände. Neben ihm in der Uniform der britischen Husaren ist Lord Uxbridge aufgeritten, der als Ober-Kommandierender der alliierten Kavallerie mehrere Attacken gegen die französische Reiterei geführt hat (den Überlieferungen nach wurden dem General im Rahmen der Kämpfe mindestens acht Pferde weggeschossen; er selbst blieb dabei vollkommen unverletzt). Umso erstaunter reagieren die um Wellington versammelten Offiziere, als Uxbridge den nahen Einschlag einer der letzten französischen Kanonen-Kugeln mit den Worten kommentiert: "Oh! Schließlich hat es mich wohl doch noch erwischt!"

Wellington wendet sich ihm zu, mustert ihn kurz und bemerkt, dass das rechte Bein des Generals augenscheinlich nur noch vom Stoff der Hose gehalten wird. "Bei Gott, tatsächlich!" stimmt er Uxbridge in der ihm zugeschriebenen Gelassenheit zu (das kurz darauf amputierte Bein des Generals wurde gleich einer Reliquie noch Jahrzehnte in Waterloo zur Schau gestellt, was bis 1934 erhebliche diplomatische Verwicklungen zwischen Belgien und Britannien zur Folge hatte).


"De Slag bij Waterloo"

Gemälde von Jan Willem Pieneman im externer Link »Rijksmuseum« (Amsterdam, NL).


"The Battle of Waterloo"

Gemälde von George Jones im »Royal Hospital Chelsea«.

Bildquelle: ► »art uk« (public art collection in the UK).


Das Gemälde von George Jones, im Jahr 1820 vollendet, hat einen besonderen zeit- und militär-historischen Wert: Als Offizier der Miliz trat der Absolvent der Royal Academy 1808 als Freiwilliger im Rang eines Captains der regulären Armee bei und kämpfte in Spanien, Portugal und schließlich auch bei Waterloo.


"The field at Waterloo" - Lord Uxbridge, later Marquess of Anglesey, struck by the last French cannonball, with the Duke of Wellington in the distance.

Gemälde von Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link »artnet« im privaten Besitz.


Pieneman - Waterloo

Jones - Waterloo

Hillingford - At the field at Waterloo

Dawe - General Rowland Hill

Lieutenant-General Rowland Hill, 1st Viscount Hill of Almaraz (um 1819).

Gemälde von George Dawe im externer Link »National Army Museum« (London, UK).


Baron Hill, ab 1828 Ober-Befehlshaber der britischen Armee, zeichnete sich in den Feld-Zügen in Spanien und Portugal aus, wurde hier erst zum Brigade-General -, 1811 dann zum General-Leutnant befördert und erhielt das Kommando über ein Armee-Korps. Hill galt als Vertrauter und Stellvertreter Wellingtons. Bei Waterloo befehligte er das 2te Korps der alliierten Armee. Entgegen vielen anderen britischen Offizieren war Hill außerordentlich um das Wohl seiner Soldaten und die Versorgung der Verwundeten beliebt, was ihn in der Truppe sehr beliebt machte. Im Jahr 1815 wurde er zweiter Befehlshaber der Besatzungs-Armee in Frankreich.


Lord Paget avancierte 1801 zum Kommandeur des 7ten ("Queen's Own") leichten Dragoner-Regiments, wurde 1802 zum General-Major -, 1808 dann zum General-Leutnant befördert. Seine Karriere als Ober-Befehlshaber der britischen Kavallerie in Portugal und Spanien hatte ein jähes Ende, nachdem er mit Wellingtons Schwägerin eine Affäre begonnen hatte und mit der Dame "durchgebrannt" war. Wellington, der Pagets militärischen Talente kannte und schätzte, verzieh ihm. Während der "100-Tage-Kampagne" berief er ihn zum Kommandeur der gesamten britischen und niederländischen Kavallerie.


Stroehling - General Henry Paget

Lieutenant-General Henry William Paget, 2nd Earl of Uxbridge and Marquess of Anglesey (um 1815).

Gemälde von Peter Edward Stroehling im externer Link »National Army Museum« (London, UK).


Zwischenzeitlich haben sich die Regimenter der 3ten und 5ten (britischen) Brigade unter den Generälen Frederick Adam und Colin Halkett neu formiert. An der Spitze der Brigade Adam, vor der Front des 52ten (Oxfordshire Light Infantry) Regiments unter Colonel John Colborne, gibt General-Leutnant Rowland Hill, Kommandeur des II. (alliierten) Korps, gegen 20:30 Uhr den Befehl zum Angriff auf die letzten Karrees der französischen Garde. Den etwa 3.500 noch kampf-fähigen Soldaten der beiden britischen Brigaden folgt die 3te (hannoversche) Brigade unter Colonel Hugh Halkett (jüngerer Bruder von Colin Halkett). Beschreibungen nach rücken schließlich Engländer, Schotten und Iren, Hannoveraner und Braunschweiger, Niederländer und Belgier auf ganzer Linie vor; alle, die noch ein Gewehr halten können und zum Marschieren in der Lage sind, versuchen mit den Voran-Stürmenden Schritt zu halten.

Ununterbrochen feuernd, dabei selbst massiven Beschuss der britischen Infanterie ausgesetzt, versuchen die Karrees der französischen Garde der gigantischen Welle stand-, die Ordnung aufrecht- und der französischen Armee den Rücken frei-zuhalten. Trotz schwerster Verluste schlagen die Gardisten mindestens noch zwei Attacken der leichten Kavallerie-Brigaden unter Vivian und Vandeleur zurück, doch befiehlt Napoleon erst angesichts der nachfolgenden alliierten Artillerie den Rückzug in Richtung der Höhen von Belle Alliance.

Und während die Soldaten und Offiziere der Linie Waffen und Ausrüstungen von sich werfen und in einem chaotischen Durcheinander die Chaussee entlang und in Richtung Süden fliehen – die Armee in vollständige Auflösung verfällt –, sammeln die langsam weichenden Gardisten Patronen aus den fortgeworfenen Munitions-Taschen der Geflohenen, stoppen etwa alle 50 Meter ihren Marsch und feuern eine Salve, richten die Reihen neu aus und laden ihre Gewehre während der nächsten Schritte. Das 2te Bataillon des 3ten Regiments Grenadiere nord-östlich von Hougoumont hat infolge des intensiven Feuers der 5ten (britischen) Brigade bald so hohe Verluste, dass es nach etwa 300 Metern Rückzug nur noch zwei Reihen in einer Dreiecks-Formation stellen kann, die letztendlich von Vivians Kavallerie zusammen-geritten und anschließend von den aus den Ruinen von Hougoumont heraus-stürmenden Schützen zusammen-geschossen und –gehauen werden. Das der 3ten Brigade zugehörige 71te (Highland Light Infantry) Regiment unter Colonel Thomas Reynell nimmt die vor der Höhe von Mont St. Jean stehende Geschütze der französischen Garde-Artillerie in Besitz. Die Schotten wenden die verlassenen 6-Pfünder und verfeuern die letzten Ladungen in Richtung der übrigen drei Karrees.

Berichten nach sind dies die letzten Kanonen-Schüsse, die auf dem Schlacht-Feld abgefeuert werden.


"The 71st Highland Light Infantry at Waterloo"

Aquarell/Aquatinta von Richard Simkin in der externer Link »HLI (City of Glasgow Highland Regiment) Association« im privaten Besitz.


Britannien: Einheiten der 3ten (leichten) Brigade.

"71st Highland Light Infantry, Hornist um 1815."

"Britannien. 95th Regiment of Foot, Private um 1813."

Aquarellierte Zeichnungen von Herbert Knötel (der Jüngere) für »Napoleonic Uniforms« von John R. Elting (Macmillan Publishing Company; 1993).

Bildquellen: ► eigene Sammlung.


Simkin - 71st Highland Light Infantry

Knötel d.J. - 71st Regiment of foot

Knötel d.J. - 95th Regiment of foot

Die drei oder vier aus einer Distanz von etwa 150 Metern Entfernung abgefeuerten Kartätsch-Ladungen haben eine verheerende Wirkung. Das 2te Bataillon des 1ten Jäger-Regiments unter General Pierre Cambronne wird nahezu zerfetzt; kaum einer der jetzt noch stehenden Gardisten ist nicht verwundet. Obwohl es für das dann folgende Geschehen in vielen Details abweichende Darstellungen gibt, geht eine Szene in die Geschichte ein: Cambronne – den Degen gezückt und zum letzten Kampf entschlossen – steht vor einer kleinen Schar seiner Jäger. Um sie herum und die Gewehre im Anschlag die Schützen des 52ten Regiments und die vier Bataillone der hannoverschen Landwehr unter Colonel Hugh Halkett; am nächsten die Wehr-Männer des Osnabrücker Bataillons. … Da rief in höchster Erregung ein englischer General (nach einigen Colville, nach andern Maitland), die letzte über dem Haupte der Helden schwebende Minute aufhaltend: "Ergebt Euch, tapfere Franzosen!" Cambronnes Antwort lautete: "Merde!" (¹)

General Cambronne und Colonel Hugh Halkett, später eng miteinander befreundet, beschreiben das Ende des Garde-Jäger-Bataillons weniger theatralisch: Halkett, zu Pferd, verfolgt vor der Front seiner Osnabrücker Landwehr die fliehenden französischen Jäger. Cambronne, ebenfalls zu Pferd, versucht seine Gardisten aufzuhalten, doch wird sein Pferd von einem Schrapnell-Splitter getroffen und stürzt; der General selbst wird von einer Kugel am Kopf verwundet und ist für eine ganze Weile besinnungs-, orientierungs- und hilflos. Halkett erkennt, dass ein sehr hochrangiger französischer Offizier unmittelbar in der Gefahr schwebt, im allgemeinen Durcheinander abgestochen, erschossen oder einfach niedergetrampelt werden zu können. Kurzentschlossen gibt er seinem Pferd die Sporen – das im nächsten Moment ebenfalls niedergeschossen wird –, rettet Cambronne und übergibt ihn der Obhut von Sergeant Führing, einem Unteroffizier der Osnabrücker Landwehr, der den Gefangenen zu Wellington eskortiert (lt. General Poret de Morvan, der sich nach dem Untergang des von ihm kommandierten 3ten Regiments der Grenadier-Garde in das nächst-stehende Karree der Jäger gerettet hat, wird Cambronne tatsächlich von Sergeant Führing gerettet und gefangen genommen; Cambronne erklärt später, dem Unteroffizier als Dank für seine Rettung seine Geld-Börse geschenkt zu haben; auch die pathetische Erwiderung "La Garde meurt, elle ne se rend pas!" (Die Garde stirbt, [aber] sie ergibt sich nicht), die Cambronne zugesprochen wurde, ist bei Waterloo nicht gefallen; sie ziert Cambronnes Grab-Stein in Nantes).


"Resistance of the old Guards at Waterloo"

Gemälde von Robert Alexander Hillingford im externer Link Auktions-Haus »Dorotheum« (Wien, AUT).


"Cambronne à Waterloo"

Gemälde von Charles Édouard Armand-Dumaresq in der »Villa Mauresque« (Bureau Napoléon, Hendaye, Bayonne, FR)«

Bildquelle: ► Wikipedia.


"The Last Stand of the old Guard"

Druck nach einem Gemälde von Robert Alexander Hillingford im externer Link »National Army Museum« (London).


"Der englische Oberst Hugh Halkett nimmt an der Spitze des Landwehr-Bataillons Osnabrück den französischen General Cambronne gefangen"

Illustration von Prof. Richard Knötel aus der Serie »Unser Vaterland in Waffen«

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Die Gefangennahme des französischen Generals Cambronne durch den hannoverschen General Hugh Halkett"

Gemälde von Adolph Northen im externer Link »Bomann-Museum« (Celle, D).


Hillingford - Resistance of the old Guards

Armand-Dumaresq - Cambronne

Hillingford - Das letzte Gefecht

Knoetel - Cambronne

Northen - Cambronne

Der weitere Rückzug der letzten beiden Garde-Bataillone verläuft dann über die Chaussee hinauf nach Belle-Alliance. Erst in zwei Karrees hintereinander; infolge des ununterbrochen und aus allen Richtungen einwirkenden Dauer-Feuers schließlich ineinander aufgehend, halten sich die Gardisten noch immer aufrecht, wehren die Angriffe schon mechanisch ab und sind scheinbar fest entschlossen, die – inzwischen wohl sechs – kaiserlichen Adler in ihrer Mitte bis zum letzten Mann zu verteidigen. Doch auch der Rückzug dieses Karrees gerät infolge der zigtausend Soldaten, die sich vor und auf der Höhe von Belle Alliace drängen, ins Stocken, schließlich in Unordnung, und die Gardisten versuchen sich in kleinen Gruppen zu den letzten drei intakten Karrees zwischen dem Gast-Hof von Belle Alliance und dem Pacht-Hof Rossomme durchzuschlagen. Sehr wahrscheinlich wird Napoleon spätestens mit Beginn des Artillerie-Feuers dem Drängen seiner Generäle nachgegeben und sein Pferd "Marengo" bestiegen haben; einen damals 22-jährigen weißen Araber-Hengst, den Napoleon seit dem Ägypten-Feldzug ritt. Unter Bedeckung der gesamten vor Ort noch vorhandenen Garde-Kavallerie, die der Kavalkade unter Verwendung ihrer blanken Klingen eine Passage durch die Masse der eigenen Soldaten bahnen, sucht nun auch Napoleon sein Heil in der Flucht; erst einmal in Richtung des Pacht-Hofes Rossomme, wo seine (erste) Kutsche auf ihn wartet. Doch noch vor Belle Alliance muss Napoleon sein Pferd wechseln. Auf den wenigen hundert Metern bis zur Anhöhe war "Marengo" fünf Mal getroffen worden und lahmt (Napoleons Pferd wurde am Abend der Schlacht von den Briten "gefangen genommen", gepflegt und später als Jahrmarkts-Attraktion in England herumgeführt; die Gebeine sind heute im "National Army Museum" der "Royal Military Academy" in Sandhurst ausgestellt) ).

"Chacun pour soi!" - Alles flüchtet; alles ist verloren …


"Napoleon leaving the Field of Waterloo"

Gemälde von George Jones im »Nottingham City Museums and Galleries« (Nottingham Castle, UK).

Bildquelle: ► Alexander Yuryevich Awerjanow auf »art uk« (public art collection in the UK).


"Napoleon auf der Flucht bei Waterloo".

Nach einem Motiv von Georg Bleibtreu. Sammel-Bild Nr. 148 aus »Bilder Deutscher Geschichte« (Sammelbilder-Album No. 12, Cigaretten-Bilderdienst, Altona-Bahrenfeld, Hamburg, 1936).

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Napoleon's retreat after the Battle of Waterloo"

Gemälde von Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link »Bonhams« im privaten Besitz.


"La Garde meurt mais ne se rend pas"

Gemälde von Alexander Yuryevich Awerjanow.

Bildquelle: ► Alexander Yuryevich Awerjanow auf »varvar« (russische Künstler-Community).


Jones - Napoleon leaving Waterloo

Bleibtreu - Napoleon

Hillingford - Napoleon's retreat

Awerjanow - La Garde meurt…

 

ca. 20:45 Uhr: X. Akt (3) – Untergang


Obwohl viele Gemälde mit Darstellungen von Napoleons Untergang bei Waterloo in düsteren Farben gehalten sind, beschreiben Schilderungen beider Seiten, dass der wolken-verhangene Himmel über dem westlichen Horizont etwa gegen 20:30 Uhr – und so mit Beginn des alliierten General-Angriffs bzw. der an allen Fronten einsetzenden Flucht der französischen Armee – aufzureißen beginnt und das Licht der tief-stehenden Abend-Sonne eine apokalyptische Stimmung aufkommen lässt. Der Aufgang der "Sonne von Austerlitz" hat einen der glanzvollsten Siege des Kaisers eingeleitet; die "Abend-Sonne von Waterloo" wird zur Metapher des Untergangs der Napoleonischen Epoche.


Beidseits der Chaussee in Richtung Charleroi – etwa auf Höhe des Gast-Hofes La Belle Alliance – stehen die beiden Bataillone des 1ten Regiments der Grenadier-Garde; knapp fünfhundert Meter weiter südlich in Richtung des Pacht-Hofes Rossomme – bereit den Feld-Weg von Maison de Roi in Richtung Plancenoit gegen die preussische Armee abzuriegeln – das 1te Bataillon Jäger der Garde. Einige Pioniere und Marine-Infanteristen der Garde unterstützten die Artilleristen der letzten Batterie auf dem Hügel vor Rossomme (dem ersten Beobachtungs-Punkt Napoleons zu Beginn der Schlacht) als Hilfs-Kanoniere. Von den Truppen der Linie leistet keine Einheit mehr organisierten Widerstand; die "Armée du Nord" flieht in völliger Unordnung und lässt den größten Teil ihrer Geschütze, Munitions- und Bagage-Wagen zurück.

Der Trommel-Schlag des "Marché des Grenadiers", der im Feld nicht nur Orientierung für das Schritt-Tempo sondern auch verirrten oder versprengten Kameraden das Signal zum Sammeln gibt, dröhnt über die Höhe.

Nachdem der Kaiser die Passage zwischen den beiden Karrees durchquert hat, gehen die Grenadiere auf Befehl von General Petit von der Karree- in die Linien-Formation und schließen die Straße. An der Seite des 1ten Bataillons des 1ten Regiments westlich der Chaussee sammeln sich die wenigen Gardisten vom 2ten Bataillon des 3ten Grenadier-Regiments unter General Roguet, die während ihres Rückzugs ununterbrochen Angriffe der britischen Kavallerie abwehren mussten. Östlich der Chaussee bilden die inzwischen zu einem einzigen Schlacht-Haufen verschmolzenen Grenadiere und Jäger der übrigen Bataillone eine Auffang-Linie für die knapp 4 bis 500 Jäger, Tirailleure und Voltigeure der Alten und Jungen Garde, mit denen General Pelet die gut 4 bis 5.000 aus Plancenoit nachstürmenden Preussen aufzuhalten versucht.

Östlich von Belle Alliance haben die voraus-geeilten Bataillone der Brigade Detmers die entlang des Feld-Weges nach Papelotte-Smohain aufgereihten Geschütze der "Grande Batterie" samt den zugehörigen Protzen und weitestgehend leeren Munitions-Karren der französischen Armee "erobert" und aus Wellingtons Befehl gesichert (nach seinen Worten ist jedes französische Geschütz, das sich in britischen Händen befindet, ein Geschütz, das Napoleon in einem späteren Feld-Zug gegen die britische Armee fehlen wird). Bis auf einige Zivilisten, die von der französischen Armee als Fuhr-Männer angeheuert worden waren, sind die Stellungen verlassen; Artilleristen und Train-Soldaten haben die Zug-Pferde kurzerhand vom Geschirr befreit, zu Reit-Pferden erklärt und die Flucht ergriffen. Die Sieges-Freude der niederländischen Soldaten und Milizionäre wird jedoch schon Momente später gestört: In einer Entfernung von etwa einer halben englischen Meile -, in den süd-östlich hinter den französischen Artillerie-Stellungen gelegenen Niederungen, bewegen sich Massen von Soldaten in blau-schwarzen Uniformen in Richtung der Chaussee. Und im dichten Rauch, der aus den Ruinen des nun an allen Ecken brennenden Örtchens Plancenoit herüber zieht, ist nicht zu erkennen, ob die Verbände den preussischen Verbündeten oder den nach wie vor drohenden Corps des Marschalls Grouchy angehören. Nach kurzer Rast und Abstimmung mit seinen Bataillons-Kommandeuren befiehlt Detmers seiner Brigade, in einer Parallel-Bewegung über den Feld-Weg in Richtung Belle Alliance vorzurücken; spätestens dort wird sich die "Freund oder Feind"-Frage beantworten.


Hinter den Reihen des 1ten Bataillons seiner Garde-Grenadiere beobachtet Napoleon im Kreis seiner verbliebenen General-Stabsoffiziere und Adjutanten die sich langsam heranwälzende rot-blaue Front, die sich beidseits der Brüsseler Chaussee über je einen Kilometer erstreckt. Die Stimmung unter den Generälen ist niedergeschlagen und besorgt; bislang hat der Kaiser sämtliche Mahnungen der Marschälle Ney und Bertrand und der Generäle Drouot, Morand und Friant zum baldigen Aufbruch ignoriert. Und obwohl Prinz Jérôme Bonaparte bis auf weiteres bereits das Kommando über die Armee und den Befehl erhalten hat, die fliehenden Truppen bei Genappe zu sammeln, steht zu befürchten, dass Napoleon seine Niederlage noch immer nicht akzeptieren will. Mit leisen Worten erteilt er Marschall Soult eine ganze Reihe von Anweisungen, die dieser hastig notiert.

Sprichwörtlich in letzter Minute gibt Napoleon dann den Grenadieren seiner Garde den Befehl zum Rückzug und besteigt seine bereit-stehende Kutsche. Eskortiert von der dienst-habenden Schwadron der Garde-Jäger zu Pferd und begleitet von den höchsten Offizieren seines Stabes verlässt er gegen 21:00 Uhr das Schlacht-Feld.


"French Grenadiers"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.


"The last Square"

Illustration von Giuseppe Rava.

Bildquelle: ► Giuseppe Rava auf »facebook«.


"Napoleon at Waterloo"

Gemälde von Thomas Jones Barker (mit einigen mehr als zweifelhaften Uniform-Darstellungen) in der »Royal Military School of Music« (Richmond upon Thames, UK).

Bildquelle: ► »art uk« (public art collection in the UK).


Rava - French Grenadiers

Rava - The last Square

Barker - Napoleon at Waterloo

 

ca. 21:00 Uhr: X. Akt (4) – "Les Deux derniers Carrés à Waterloo" - Die letzten beiden Karrees bei Waterloo.


Kurz darauf, und infolge der Scharmützel gegen die weichenden Einheiten der französischen Armee mehr oder weniger aufgelöst, treffen die Regimenter der leichten britischen Kavallerie vor der Höhe von Belle Alliance ein. Wahrscheinlich mit dem Vorsatz, den Kaiser noch auf dem Schlacht-Feld gefangen zu nehmen, reiten die Husaren und leichten Dragoner im Übermut zu einer Attacke auf die Elite des Kaisers an, erleiden jedoch in den schnell hintereinander geschossenen Salven schwere Verluste. Major Frederick Howard, Kommandeur einer Schwadron des 10ten (Prince of Wales' Own) Regiments leichte Dragoner, der infolge der Verwundung seines Regiments-Kommandeurs, Colonel George Quentin, den Befehl über die britische Husaren-Einheit übernommen hat, wird von einer Kugel getroffen und stürzt direkt vor den Grenadieren vom Pferd. Mit dem Kolben seiner Muskete zertrümmert ein Veteran Howards Schädel; andere Verwundete werden mit dem Bajonett abgestochen. Auch Colonel John Dawson, Kommandeur des 23ten leichten Dragoner-Regiments und bereits bei Quatre Bras verwundet, wird aus dem Sattel geschossen, jedoch kurz bevor auch er massakriert von den Husaren des 18ten (King's Irish) leichten Dragoner-Regiments gerettet. Vor den Grenadieren liegen binnen kurzer Zeit und kurz vor dem Ende der Schlacht tote und verwundete britische Reiter zu Hauf. Die nachfolgenden Regimenter der Brigaden Vivians und Vandeleurs versuchen zwar unmittelbar vor der Anhöhe in östliche und westliche Richtung abschwenken, doch werden noch eine ganze Reihe Kavalleristen von den nachgesandten Salven getroffen. Die Dragoner machen in den verlassenen Geschütz-Batterien der französischen Artillerie leichtere Beute aus; die Ältesten der Alten Garde, die stoisch ihre Musketen laden, bleiben der heran-rückenden alliierten Infanterie überlassen.

Wenige Minuten später erreichen Soldaten des 52ten (Oxfordshire light) und Schützen des 95ten (Rifles) Regiments aus der Brigade Adam die sanfte Steigung hinauf zum Kamm von Belle Alliance. Oben angekommen, stoppt der weitere Vormarsch etwa auf der Linie der beidseits der Chaussee gelegenen Gebäude des Gast-Hofes: Zwar außerhalb der effektiven Schussweite der Musketen -, jedoch in der Dämmerung immer noch deutlich erkennbar, stehen ihnen in einer Entfernung von rund fünfhundert Metern zwei Karrees der letzten beiden Bataillone der Alten Grenadier-Garde gegenüber, die in Erwartung der preussischen Kavallerie ihre Bajonette jetzt drohend gegen die britischen Einheiten richten und in perfekter Ordnung und in langsamen Schritt-Tempo in Richtung der Höhe vor dem Pacht-Hof von Rossomme zurückweichen.

Nach wie vor ist strittig, ob die dann überraschend vor und auf der Höhe von Belle Alliance einschlagenden Kanonen-Kugeln von der letzten noch vorhandenen sechs 6-Pfündern der französischen Garde oder von der preussischen Artillerie abgefeuert wurden; die von Wellington ausgesandten Offiziere kehren mit General Bülows Versicherung zurück, dass die preussischen Kanonen mit Beginn des alliierten Angriffs das Feuer eingestellt haben. Ebenso fraglich ist, ob die Grenadiere der Alten Garde das plötzliche Sperr-Feuer genutzt haben, um sich über die Felder östlich der Chaussee weiter in Richtung Süden zurückzuziehen oder ob Napoleons Elite die Marsch-Geschwindigkeit ihres Rückzugs angesichts der gefürchteten Bajonette der niederländisch-belgischen Infanterie unter Kolonel Hendrik Detmers gesteigert hat, denn Fakt ist, dass sich die Garde der Gefangennahme durch die Briten bzw. der Verfolgung durch die Preussen entziehen kann. Auch muss es Detmers Bataillonen irgendwie gelungen sein, ohne größere Kampf-Handlungen die etwa drei Kilometer vom östlich gelegenen Feld-Weg Papelotte-Smohain nach Belle Alliance – hier zwischen den Fronten der britischen Schützen und der französischen Garde hindurch – und weiter über die Felder westlich der mit zurückgelassenen Kanonen und Gespannen aller Art verstopften Chaussee hin zur Weg-Kreuzung bei Maison du Roi zurückzulegen, wo die Soldaten verschiedenen Quellen nach den verlassenen Fuhr-Park der französischen Armee samt den Bagage-Wagen Napoleons und seiner Generäle und Marschälle kassieren.

Wie auch immer…

Gelegenheit, ihre Beute genauer in Augenschein zu nehmen, bleibt den Niederländern auch hier nicht. Aus der Richtung des bei Maison du Roi beginnenden Feld-Weges nach Plancenoit erschallt der Gesang tausender Männer: Sehr wahrscheinlich um in der Dunkelheit weitere Verwechslungen bzw. Geplänkel unter den verbündeten Truppen zu vermeiden, hat General Gneisenau (andere Quellen nennen Bülow) den preussischen Verbänden befohlen, durch den Gesang des Chorals "Großer Gott wir loben Dich" lauthals auf sich aufmerksam zu machen.

Gegen 21:30 Uhr fallen sich Preussen und Niederländer auf der Kreuzung in die Arme.


"Les Deux derniers Carrés à Waterloo" - Die letzten beiden Karrees bei Waterloo.

Post-Karte nach einem Gemälde von Henri Paul Motte (1846-1922) zur Sonder-Ausstellung »Napoleon« im Salon de 1905 der externer Link »Société du Salon d’Automne« (Paris).

Bildquelle: ► Wikipedia.


"Ontmoeting van Nederlandse en Pruisische troepen nabij Maison du Roi op de avond van 18 juni 1815" - Zusammentreffen niederländischer und preussischer Truppen bei Maison du Roi.

Gemälde von Jan Hoynck van Papendrecht im externer Link »Nationaal Militair Museum« (Soest, NDL).


Hillingford - Les derniers Carrés

Papendrecht - Maison du Roi

 

ca. 22:00 Uhr: X. Akt (5) – Schluss-Akkord


Was auch immer Wellington im Jahr 1816 zu der Erklärung bewogen haben mag, seine Begegnung mit Feld-Marschall Blücher hätte gegen 23:00 Uhr und in dem etwa acht Kilometer entfernten Städtchen Genappe stattgefunden, wird für immer sein Geheimnis bleiben, denn einerseits beschrieb der britische Feld-Herr seine Sorge um das rechtzeitige Eintreffen der preussischen Armee später in der ihm eigenen Art als "the nearest run thing you ever saw in your life" (den knappsten Ausgang eines Rennens, das Sie in Ihrem Leben jemals gesehen haben); andererseits gab es schon wenige Tage nach der Schlacht und dem Bekanntwerden der Opfer-Zahlen – insbesondere der vielen toten und schwerst-verwundeten Söhne prominenter Adels-Häuser – Meldungen der britischen Presse, die das Engagement der Alliierten kleinzureden suchten und dabei Wellington zitierten.

"Arthur Wellesley, 1st Duke of Wellington, at the Battle of Waterloo"

Aquarell von William Barnes Wollen im externer Link »National Army Museum« (London, UK).


"Allied General Staff - Wellington and Blucher at Waterloo"

Illustration von Giuseppe Rava für »Italeri«-Modell-Figuren.


Wollen - Wellesley, the Duke of Wellington

Rava - General Staff

Stocks - Wellington und Blücher

"Das Treffen von Wellington und Blücher am Abend der Schlacht."

Gemälde von Arthur Stocks nach dem Original von Daniel Maclise im externer Link Auktions-Haus »Bonhams« (UK).


In der zunehmenden Dunkelheit der aufkommenden Nacht -, und inmitten des Durcheinanders auf der Brüsseler Chaussee wahrscheinlich nur zufällig, treffen Wellington und Blücher wohl direkt hinter dem Gast-Hof "La Belle Alliance" aufeinander. Der Überlieferung nach begrüßt der bodenständige preussische Kavallerie-General den britischen Aristokraten vor Freude strahlend, mit einem kräftigen Hand-Schlag und im unbeholfenen Französisch: "Mon cher camarade! Quelle affaire!" (Mein lieber Kamerad! Was für eine Leistung!). Zwischen den Generalstabs-Offizieren wird vereinbart, dass die Preussen die weitere Verfolgung der "Armée du Nord" übernehmen, Wellingtons Truppen erhalten die Order, in der Nacht zwischen La Belle Alliance und La Maison du Roi zu biwakieren; nach dem Morgen-Appell werden die anglo-alliierten Verbände über die Route Nivelles und Binche direkt in Frankreich einmarschieren. Die meisten Soldaten und Truppen-Offiziere sind jedoch derart erschöpft und übermüdet, dass sie – obwohl durstig und vollkommen ausgehungert – selbst die bald eintreffenden Branntwein-, Bier- und Zwieback-Rationen nicht mehr annehmen und noch an Ort und Stelle in tiefen Schlaf fallen. Auch der britischen National-Hymne "God save the King", die die Musik-Kapellen der preussischen Kavallerie gegen 22:00 Uhr zur Feier des Tages aufspielen, erweisen nur noch wenige britische Stabs-Offiziere die üblichen Ehre; viele der anwesenden Offiziere sind auf ihren Pferden eingeschlafen. Als der Herzog von Wellington das Schlacht-Feld verlässt und sich auf den Weg zu seinem provisorischen Haupt-Quartier im Gast-Hof von Waterloo macht, ist es völlig dunkel.


"Meeting of Wellington and Bloucher on the Eve of Waterloo" - Das Treffen von Wellington und Blücher am Abend der Schlacht von Waterloo.

Gemälde von Thomas Jones Barker im externer Link »Deutschen Historischen Museum«, (Berlin; GER).


"Begegnung Wellingtons mit Blücher bei Waterloo (Belle-Alliance)".

Nach einem Motiv von Richard Knötel. Sammel-Bild Nr. 149 aus »Bilder Deutscher Geschichte« (Sammelbilder-Album No. 12, Cigaretten-Bilderdienst, Altona-Bahrenfeld, Hamburg, 1936).

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"The Duke of Wellington after the battle of Waterloo"

Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link »artnet« im privaten Besitz.


Barker - Wellington and Bloucher

Knötel - Wellington und Blücher

Hillingford - Wellington after Waterloo

Angetrieben von Feld-Marschall "Vorwärts!" Blücher (ein Bei-Name, den der volkstümliche General im Jahr 1813 von den Soldaten der verbündeten Russischen Armee erhalten hatte) und unter Führung des General-Leutnants Neidhardt von Gneisenau setzt sich die preussische Armee noch vor Mitternacht mit Richtung Genappe auf Frasnes-lez-Gosselies in Marsch. Um die mit Geschützen, Karren und Wagen vollkommen verstopften Straßen für das Voran-Kommen größerer Kavallerie-Einheiten freizumachen, werden die Füsilier-Bataillone des 15ten, 18ten und 25ten Infanterie-Regiments, die bereits in den Kämpfen in und um Plancenoit beteiligt waren, in die Avant-Garde befohlen. Von den überall am Rand des Weges lagernden Franzosen geht keine Gefahr mehr aus; die hier noch Lebenden schlafen an der Seite ihrer toten oder sterbenden Kameraden.


"Belle Alliance im Jahre 1815 - Blücher bei Waterloo"

Lithografie nach dem Wand-Gemälde von Georg Bleibtreu in der Ruhmeshalle des Zeughauses Berlin (1944 zerstört)

Am Abend der Schlacht. Die Abbildung zeigt den Moment, in dem die Alliierten die Verfolgung des geschlagenen Gegner mit der verfügbaren Kavallerie aufnehmen (links im Hintergrund preussische Garde-Kosaken; rechts hinter Blücher der Prinz von Preussen, neben ihm Gneisenau).

Bildquelle: lt. ► »Art UK« in der Sammlung The Royal United Services Institute for Defence and Security Studies (Westminster, London, UK).


"Frisch auf zum fröhlichen Jagen" - Gneisenau leitet die Verfolgung Napoleons nach der Schlacht von Belle-Alliance.

General Gneisenau, Chef des General-Stabs der preussischen Armee, gönnte den fliehenden französischen Truppen keine Ruhe: Auf seinen Befehl hatten die Trommler der preussischen Infanterie auf erbeutete Pferde aufzusitzen und beim Anblick des Feindes den Alarm zu schlagen, was in den Kolonnen der sich zurückziehenden Franzosen Schrecken und Panik auslöste.

Post-Karte nach einem Gemälde von Richard Knötel für die Serie »Verein für das Deutschtum im Ausland«.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Die Siegesnacht von Belle-Alliance. 18./19. Juni 1815. - Die Verfolgung des französischen Heeres durch die Preussen."

Illustration von Prof. Richard Knötel aus der Serie »Unser Vaterland in Waffen«

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


Hillingford - Les derniers Carrés

Knötel - Gneisenau leitet die Verfolgung Napoleons

Knoetel - Verfolgung

Knapp sieben Kilometer von Belle Alliance entfernt -, vor der nördlichen Orts-Einfahrt von Genappe, steht Napoleon vor dem gleichen Problem. Mehr und mehr zurückgelassene Fuhr-Werke seiner Armee versperren seinen Flucht-Weg in Richtung Quatre Bras, zu deren Sicherung der Kaiser die 7te Infanterie-Division unter (dem bei Ligny schwer verwundeten) General Jean Baptiste Girard zurückgelassen hat. Und so die Jäger seiner Eskorte in Anbetracht zahlreicher toter französischer Soldaten, die mit frischen Wunden entlang der zurückliegenden Etappe verblutet waren, bereits den Verdacht hatten, dass sich die Veteranen der Garde ihren Weg durch die Masse der Fliehenden gebahnt haben, indem sie Verwundete, Lahme oder Entkräftete – kurz alles, was den Marsch ihrer Einheiten behindert – rücksichtslos bajonettiert haben, so wird aus der Vermutung vor der schmalen Brücke von Genappe Gewissheit: Erbarmungslos hauen und stechen Franzosen mit Säbeln und Bajonetten an der einzigen Passage über den Ausläufer der Dyle aufeinander ein und massakrieren sich gegenseitig. Das Gedränge ist so dicht, dass auch die Garde-Jäger feststecken und den Weg für die sechs-spännige Kutsche des Kaisers nicht mehr räumen können, ohne selbst in die Gefahr zu geraten, von den von Panik erfüllten Soldaten der Linien-Truppen von den Pferden gerissen zu werden. Selbst Napoleon, der sicher erwartet hat, hier gemäß seiner erst vor zwei Stunden erteilten Befehle eine von seinem Bruder gesammelte Streit-Macht vorzufinden, gelingt es nicht einmal ansatzweise, seine Soldaten zur Disziplin zu rufen oder die Ordnung wieder herzustellen; offensichtlich hat auch er jede Autorität verloren.

Napoleon gibt seine Kutsche auf und besteigt ein Pferd. Die Garde-Jäger seiner Eskorte ziehen ihre Säbel…


Noch vor Mitternacht und wohl ohne auf nennenswerten Widerstand gestoßen zu sein, erreichen die Füsiliere des 15ten Infanterie-Regiments unter Major Heinrich Eugen Freiherr von Keller Genappe. Die Preussen werden bereits von General Lobau erwartet, der noch sechs Stunden das VI. französischen (Reserve-) Corps in den Kämpfen um Plancenoit kommandiert hat. Der General überreicht seinen Degen und kapituliert im Namen von über 2.000 französischen Soldaten, die mehr oder weniger schwer verwundet in und um Genappe lagern und auf die Gnade der preussischen Soldaten hoffen (müssen). Kellers Aufmerksamkeit wird kurz darauf von seinen Füsilieren beansprucht, die in einem Straßen-Graben Napoleons sechs-spännige Kutsche gefunden haben. Neben einem aufgeschlagenen Manuskript von Machiavellis "Der Prinz" mit handschriftlichen Anmerkungen Napoleons sowie Mantel und Hut und einer Zweit-Uniform (Napoleon trug entweder den blauen Rock seiner Garde-Grenadiere oder den grünen Rock der Garde-Jäger zu Pferd) auf der Rück-Bank requirieren die preussischen Offiziere im Ergebnis einer akribischen "Perquisition" Napoleons Degen, sein Teleskop und zwei Paar Pistolen, verschiedenste Orden und Medaillen und – eingenäht in das Futter eines schweren Regen-Mantels – ungeschliffene Diamanten und Gold-Münzen im damaligen Gesamt-Wert von etwa einer Million Francs (eine 20-Francs Gold-Münze von 1815 wird gegenwärtig ab 1.000 €uro gehandelt; der reine Gold-Wert beträgt heute rund 300 €uro).

Hut, Degen und Orden werden noch in der Nacht Feld-Marschall Blücher ausgehändigt, der gegen Mitternacht in Genappe eingetroffen ist und im Gast-Haus "Le Roi d'Espagne" Quartier nimmt. Auf seine Veranlassung gehen sämtliche Gegenstände aus Napoleons Besitz als Kriegs-Beute an den preussischen König, der aus den Diamanten und Gold-Stücken die Königs-Krone samt Kron-Juwelen für seinen Sohn, Prinz Wilhelm von Preussen, fertigen lässt (Keller, der die Kutsche kassiert, wird für die Fund-Stücke später vom preussischen König mit dem Pour le Mérite mit Eichenlaub ausgezeichnet).

Schon am nächsten Tag erbeutet die preussische Kavallerie in dem Dörfchen Villiers Napoleons Zweit-Wagen, der das Tafel-Silber enthält.

Für die preussische Armee sind die 78 bis dahin erbeuteten Kanonen weitaus wertvoller.


Napoleon erreicht gegen 5:00 Uhr morgens Charleroi. Noch auf der Etappe zwischen Philippeville und Laon erlässt er Befehle zur Mobilisierung der National-Garde, zur Aushebung neuer Rekruten und zur Vorbereitung eines Defensiv-Krieges gegen die Alliierten. Er ahnt nicht, dass das französische Parlament drei Tage später beschließen wird, ihm eine neue Abdankungs-Urkunde vorzulegen.


"On the Evening of the Battle of Waterloo"

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit sind sämtliche Straßen in Richtung Süden von den fliehenden Soldaten der sich in Auflösung befindlichen französischen Armee verstopft, die die Karosse des Kaisers behindern. Um seiner Gefangennahme durch die nahe preussische Armee zu verhindern, ist Napoleon gezwungen, wieder auf sein Pferd zu steigen.

Gemälde von Ernest Crofts in der externer Link »Walker Art Gallery, National Museums Liverpool« (UK).


"Napoleon's retreat"

Gemälde von Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link »MutualArt« im privaten Besitz.


"Blücher empfängt Orden und Hut Napoleons nach der Schlacht bei Waterloo".

Nach einem Motiv von Rudolf Eichstaedt. Sammel-Bild Nr. 150 aus »Bilder Deutscher Geschichte« (Sammelbilder-Album No. 12, Cigaretten-Bilderdienst, Altona-Bahrenfeld, Hamburg, 1936).

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"Blücher empfängt bei Genappe Orden, Hut und Degen Napoleons."

Postkarte aus der Serie »Aus grosser Zeit«.

Bildquelle: ► eigene Sammlung.


"On the Road from Waterloo to Paris".

Gemälde von Marcus C. Stone in der »Guildhall Art Gallery«.

Bildquelle: ► »art uk« (public art collection in the UK).


Crofts - ... Evening of the Battle

Hillingford - Napoleon's retreat

Eichstaedt - Orden und Hut Napoleons

Blücher empfängt Napoleons Hut

Stone - From Waterloo to Paris

Napoleons "KdoW" (Kommando-Wagen).

Es waren nicht nur Gründe der Bequemlichkeit, die Napoleon bewegt hatten, die Pariser Kutschen-Fabrikanten Jean Pierre Binder oder Jean-Ernest-Auguste Getting beinahe jährlich mit dem Bau von vier- bzw. sechs-spännigen Karossen zu beauftragen, die speziell nach den persönlichen Wünschen, Anforderungen und Plänen des Kaisers gefertigt wurden. In der Regel waren Napoleons Feld-Kutschen eine Mischung aus Jeep und Cabrio. Gefedert, wie die damals beliebten "Berlinen", und konvertibel, wie die für Reisen und Überland-Fahrten bevorzugten "Landauer" hatten Napoleons Kutschen alles an Bord, was der Feld-Heer im Feld benötigte: Neben einer kleinen Bibliothek ausgewählter Klassiker der Kriegs-Geschichte waren die Wagen mit Sekretär und Mini-Bar, Tresor, Toiletten-Artikel und Kleider-Truhe ausgestattet. Um während der Fahrt die Umgebung beobachten oder sich mit Offizieren zu Pferd unterhalten zu können, ließ sich das Verdeck herunter klappen. Und obwohl über Napoleons Schieß-Künste nichts bekannt ist, steckten im Wagen mindestens ein halbes Dutzend Pistolen.

Die hier gezeigte Kutsche hat eine lange Reise hinter sich: 1812 für den Russland-Feldzug gefertigt, brachte die Karosse Napoleon 1814 nach Paris und wurde 1815 von den Preussen erbeutet. Bis 1945 stand der Wagen als Trophäe im Berliner Zeughaus, wurde dann von der russischen Armee in das Moskauer Historische Museum verbracht, das die Kutsche im Jahr 2012 – zweihundert Jahre nach dem "Vaterländischen Krieg" – an das Pariser Museum der Ehrenlegion verlieh.

Bildquelle: ► »centerblog« (Berline Napoleon à Waterloo).


Trophäen.

Schuh-Größe 36 - Die leicht und fein gearbeiteten Stiefel trug Kaiser Napoleon I. am 27. August 1813 in der Schlacht auf der Räcknitzhöhe bei Dresden, heute in der Rüst-Kammer ausgestellt. Der Hut ist das originale Stück, das Blücher am Abend der Schlacht von Waterloo erhielt und heute im Deutschen Historischen Museum ausgestellt wird, der Verbleib von Degen, Mantel und Orden ist unklar; als Vergleich können jedoch die Stücke im Pariser »Musée de l'Armée« in Augenschein genommen werden (Montage).

Bildquellen: Stiefel: ► »Rüstkammer« (Dresden); Waffen: ► »Musée de l'Armée« (Paris); Hut: ► »Deutschen Historischen Museum« (Berlin).


Kalesche Napoleons

Hut Stiefel Degen Napoleons

 

 

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Epilog


19. Juni 1815, ca. 05:00 Uhr: Das Feld von Waterloo am Morgen nach der Schlacht.


Im zunehmenden Licht der Sonne zeigt sich am Morgen des 19. Oktober ein apokalyptisches Bild: Auf dem gut zehn Quadrat-Kilometer großen Feld zwischen den Höhen-Kämmen von La Belle Alliance und Mont St. Jean liegen etwa 50.000 verwundete, sterbende und tote Soldaten. Dazu über 10.000 verletzte oder elendig krepierte Pferde. Entlang der umliegenden Feld-Wege warten die leichter Verletzten - beider Parteien -; die Schwer-Verletzten sind auf requirierten Ernte-Wagen und anderen Fuhr-Werken aufgepackt, die sich im langsamen Schritt-Tempo wie ein endloser Trauer-Zug hin zu den Dörfern der Umgebung bewegen. Dort sind die kleinen Gemeinde-Kapellen -, die Scheunen und Höfe bereits überfüllt mit Fiebernden, denen man mit einigen schnellen Schnitten bestenfalls nur Kugeln oder Granat-Splitter entfernt hat; mit Ohnmächtigen zwischen Leben und Tod, denen die wenigen Chirurgen Arme oder Beine amputiert haben; mit vor Schrecken gezeichneten oder von Schmerzen gequälten Irrsinnigen. Leichen stapeln sich samt den erst zerfetzten und nun abgetrennten Gliedern in Massen vor den Kirchen-Portalen, und die aus ihren Verstecken zurückgekehrten Einwohner haben alle Mühe, in dem noch immer nassen und entsprechend schweren Acker-Boden Gräber für die unzähligen Toten auzuheben. Die Zeit drängt: Pest und Cholera drohen…

Zu allem Übel war das medizinische Personal – die mühsam während des sechs-jährigen Halbinsel-Feldzuges geworbenen Regiments- und Bataillons-Ärzte, die ihre chirurgische Ausbildung in der Regel vor Ort und in der "learning by doing"-Praxis erfahren haben – entlassen worden oder im Übersee-Dienst; praktisch kurzfristig nicht verfügbar. Zwar verfügten die Musiker der Regiments-Kapellen, die häufig vor und während einer Schlacht aufspielten und danach als Kranken-Träger eingesetzt wurden, über eine provisorische Ersthilfe-Ausbildung, doch waren diese Erfahrungen in keiner Weise mit den Fähigkeiten eines lang-gedienten Sanitäts- oder Lazarett-Gehilfen vergleichbar (die häufig talentierter als die Ärzte waren). Oft blieb den Verwundeten nichts weiter übrig, als für sich selbst zu sorgen oder darauf zu hoffen, von den Kameraden zeitnah in die Pflege einer Kloster-Gemeinde verbracht zu werden. Immerhin trugen die Feld-Züge und Schlachten des insgesamt 23-jährigen Krieges gegen das revolutionäre, dann republikanische und schließlich napoleonische Frankreich grundsätzlich dazu bei, dass sich europaweit ein Sanitäts-Truppendienst samt Garnisons- und/oder Divisions-Lazarett-Einrichtungen mit festangestelltem Personal etablieren konnte (aus denen später häufig namhafte Universitäts-Kliniken hervorgingen).


"Soir de Waterloo"

Gemälde von Paul-Alexandre Protais im externer Link »Musée d'Arts de Nantes« (FRA).


"Am Morgen nach der Schlacht von Waterloo"

Gemälde von John Heaviside Clark im externer Link »Deutschen Historischen Museum« (Berlin, GER).


"The Field of Waterloo as it appeared the Morning after the Memorable Battle."

Hand-Colorierte Lithographie nach John H. Clark im externer Link »National Army Museum« (London, UK).

Bildquelle: ► »Christie's Daily«.

Protais - Soir de Waterloo

Clark - Am Morgen nach der Schlacht

Clark - the Morning after
 

Résumé


"Hätte Bonaparte am Morgen angegriffen, so war die Schlacht um diese Stunde (beim Eintreffen der Preussen) wahrscheinlich schon entschieden und dann wäre ein Angriff von Seiten Blüchers, wenn auch nicht unmöglich oder unnütz, aber doch weniger gesichert gewesen."

Diese, von dem für seine militär-wissenschaftlichen Werke über Strategie, Taktik und Philosophie bekannten preussischen General und Reformer Carl von Clausewitz in seiner Studie über den Feld-Zug von 1815 formulierte These mag unter Berücksichtigung einer ganzen Reihe von Aspekten fragwürdig sein, rückt aber den oft vernachlässigten Faktor "Zufall" in die Betrachtung und eröffnet die Analyse über Ursachen und die sich hieraus ergebenden Folgen und Möglichkeiten: Angefangen vom Dauer-Regen, der nicht nur das Schwarz-Pulver und damit die Feuer-Waffen unbrauchbar machte sondern auch den Lehm-Boden aufgeweicht hatte und damit Angriffe der Infanterie bzw. Attacken der Kavallerie beeinträchtigte; über die miserable Versorgungs- und Verpflegungs-Lage der französischen Armee; bis hin zur äußerst vorteilhaften Defensiv-Position Wellingtons, dessen Stellung durch die befestigten Höfe von Hougoumont und Papelotte an den Flanken relativ gut gesichert war und dessen Truppen hinter der Höhe von La Haye Sainte vor der Wirkung der französischen Artillerie weitest-gehend gedeckt standen, blieb Napoleon auf dem Feld von Waterloo einzig seine (wenn auch nur leichte) zahlenmäßige Überlegenheit, doch waren seine Truppen abgekämpft und von den Eil-Märschen erschöpft. Beschreibungen nach war auch Napoleon selbst alles andere als in guter Verfassung: Die dauernde Übermüdung hatte ihn reizbar und unkonzentriert gemacht; sein Gesundheits-Zustand – insbesondere sein Magen-Leiden – beeinträchtigte seine allgemeine Konstitution; und entgegen seiner früheren Aura der Sieges-Zuversicht soll er auf seine Stabs-Offiziere einen nervösen und unsicheren Eindruck gemacht haben und während der Schlacht mehr mit dem Verbleib seines Marschalls Grouchy und den Bewegungen der sich langsam aber stetig nähernden preussischen Truppen als mit dem Geschehen vor Ort beschäftigt gewesen sein. Selbst bei den von Ney frontal vorgetragenen Massen-Angriffen, die taktisch einfach nur dilettantisch begonnen -; in der operativen Ausführung mörderisch forciert worden waren und sämtlich scheiterten, sah Napoleon offenbar keinen Grund zum Eingreifen…

Trotzdem war Wellingtons Zentrum am frühen Abend dem Zusammenbruch nahe. Die Artillerie verzeichnete erhebliche Ausfälle an Geschützen und Bedienungen; bis auf wenige Ausnahmen hatten alle Regimenter schwere Verluste erlitten; beinahe sämtliche Reserven waren mobilisiert, und auch die Munition ging zur Neige.

In vielen von Napoleon geführten Schlachten hatte allein der Aufmarsch der Kaiserlichen Garde genügt, einen wankenden Gegner zum flucht-artigen Rückzug zu zwingen. Dass Napoleon die über Jahre gesammelte Elite der Elite nicht leicht-fertig zum Einsatz befahl, ist verständlich. Ebenso verständlich, dass in einer alles entscheidenden und fast gewonnenen Schlacht die prestige-trächtige Garde (zumal als letztes noch intaktes und komplett erhaltenes Korps) den Sieg herbeiführen muss. Aus welchen Gründen Napoleon aber vier seiner neun bereits in Bewegung gesetzten Garde-Bataillone – mitten im Angriff, auf freiem Feld, kurz vor den zerfetzten Divisionen der Alliierten, dem Feuer der gegnerischen Kanonen ausgesetzt – den Halt befahl, wird für immer sein Geheimnis bleiben.


"Es war der Wille des Schicksals, denn trotz allem hätte ich die Schlacht gewinnen müssen."

Napoleon auf St. Helena.


"An historical map & plan of the Campaign in Belgium, A. D. 1815"

Karte von Sydney Hall in der Sammlung der externer Link »Gallica - Bibliothèque nationale de France« (Paris, FRA).


Hall - … the Campaign in Belgium


Empfehlenswerte Karten:

Anonym - … the battle of Waterloo

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"A sketch of the battle of Waterloo, fought Sunday 18th June 1815"

Unbekannter Zeichner, Karte in der Sammlung der externer Link »Gallica - Bibliothèque nationale de France« (Paris, FRA).


"Plan du champ de bataille de Waterloo dit de la Belle Alliance : victoire mémorable remportée le 18 Juin 1815 …"

Karte von William Benjamin Craan (Chef-Ingenieur von Wilhelm von Oranien) in der Sammlung des externer Link »Internet Archive«.


"Die Schlacht bei La Belle-Alliance am 18ten Juny 1815"

Karte von Carl Brügner und Heinrich Brose in der digitalen Sammlung der externer Link »Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt«.


"Plan of the Battle of Waterloo or Mount St John …"

Karte nach William Benjamin Craan in der Sammlung des externer Link »National Army Museum« (London, UK).


 

Wellingtons Sieg bei Waterloo – in der preussisch-deutschen Militär-Geschichte als "Sieg von Belle-Alliance" -, in der französischen Geschichts-Schreibung anfänglich als "Schlacht von Mont-Saint-Jean" bezeichnet – war unter außerordentlich hohen Verlusten teuer erkämpft. Der preussische Beitrag an der Schlacht von Waterloo bestand in dem einfachen Fakt, dass Blücher Wellingtons Niederlage abgewendet hat. Die oftmals aufgeworfene Frage, ob die nach und nach eintreffenden preussischen Korps hingegen in der Lage gewesen wären, Napoleons abgekämpftes Heer im Fall eines Rückzugs der britisch-niederländisch-deutschen Armee allein zu besiegen, stellt sich nicht. Gegen 18:00 verfügte Wellington noch über rund 68.000 Mann - Napoleon hatte zu diesem Zeit-Punkt noch etwa 45.000 Mann, von denen bereits ein Drittel im Kampf gegen die Preussen bei Plancenoit gebunden waren.


"Er bewegt seine Kanonen wie andere ihre Pistolen", bewertete Wellington voller Anerkennung und Respekt treffend Napoleons militärisches Talent. Und tatsächlich begründen sich die militärischen Erfolge Napoleons vor allem in der schnellen Bewegung und dem massierten Einsatz ihm gegebener Feld-Geschütze und einem konzentriert geführten Artillerie-Feuer. Zweifellos ist Napoleon Bonaparte dem Kreis der begabtesten Strategen und Politiker der Welt- und Militär-Geschichte zuzuordnen. Seine Bündnis-Politik ist Teil des Lehr-Stoffes diverser staats-politischer Studien-Gänge; seine Feld-Züge werden noch heute an militärischen Führungs-Akademien analysiert. Die von ihm und seinem Umfeld geschaffene und propagierte Figur eines Retters und Verteidigers der französischen Revolution waren spätestens mit seiner Selbst-Erhebung zum Kaiser der Franzosen einzig Mittel zum Zweck des Erhalts seiner Diktatur und des Aufbaus einer neuen monarchistischen Familien-Dynastie.


Waterloo steht für mehr als nur eine entscheidende Schlacht der Welt-Geschichte: In Europa folgten bis zum Ausbruch des Krim-Krieges von 1853 bis 1856 fast vier Jahr-Zehnte Frieden. Und waren die vergangenen 23 Jahre Krieg durch Tod und Leid, Vernichtung und Zerstörung geprägt, so führten die nächsten Dekaden nicht nur zur Herausbildung der sog. Romantik, die auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik sentimentale Gefühls-Welten zu erschaffen und die Sehnsucht nach höchsten Idealen zu beantworten suchte, sondern auch zu einer Ära der wissenschaftlichen Entdeckungen, des technologischen Fortschritts und des materiellen Wohlstands. Und so sehr die von den sieben großen Koalitionen geführten Kriege primär darauf gerichtet waren, die traditionelle – gott-gewollte – Ordnung zu erhalten, waren die Säulen der monarchistischen Systeme europa-weit ins Wanken geraten. Denn obwohl Napoleon und seine Träume von der Welt-Herrschaft unter Hinnahme außerordentlich hoher Opfer-Zahlen abgewehrt werden konnten, verzeichneten sämtliche europäischen Staaten eine zunehmend revolutionäre Renitenz ihrer Untertanen, wobei Meinungs-, Rede- und Presse-Freiheit noch die kleinsten Übel waren. Forderungen nach freien Wahlen und demokratischen Parlamenten wurden laut; die Monarchie wurde in Frage gestellt.


"Feld-Marschall Arthur Wellesley, 1st Duke of Wellington, 1814/15"

Gemälde von Thomas Lawrence in der externer Link »Royal Collection« (Waterloo Chamber, Windsor Castle, UK).


Blick vom "Wellington-Tree" an der Brüsseler Chaussee in Richtung La Haye Sainte und Waterloo.

Colorierter Stich von Charles Turner (nach einer Skizze von Captain Georg Jones) aus der Serie "Views of Waterloo, Hougomont and La Belle Alliance - Mai 1816", lt. externer Link »Invaluable« im priaten Besitz.


"The Chelsea Pensioners Reading the Waterloo Dispatch" - Veteranen des Royal Hospital Chelsea lesen den Bericht über die Schlacht von Waterloo.

Gemälde von David Wilkie im externer Link »Bomann-Museum« (Celle bei Hannover, GER).

Bildquelle: ► »Wikipedia«.


Lawrence - Wellington

Turner - Wellington-Tree

Wilkie - The Chelsea Pensioners

 

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21. Juni 1815: "Napoleons Rückkehr nach Fontainebleau"

Gegen 8:00 Uhr morgens - und damit nur zwei Stunden, nachdem die Nachricht von der Niederlage bei Waterloo Paris erreicht hat - trifft Napoleon in der Residenz ein. Doch entgegen seinen Forderungen verweigert ihm das französische Parlament die nötigen Gelder zur Aufstellung einer neuen Armee; vielmehr beschließen die Abgeordneten, ihm eine neuerliche Abdankungs-Urkunde zur Unterzeichnung vorzulegen (Napoleon erklärt zwar am Vormittag des nächsten Tages, zu Gunsten seines Sohnes auf den Kaiser-Thron verzichten zu wollen, doch inzwischen laufen bereits erste Vorbereitungen zur Rückkehr des Königs).


Gemälde von Robert Alexander Hillingford, lt. externer Link »artnet« im privaten Besitz.

Hillingford - Rückkehr nach Fontainebleau
 

21. Juni 1815: "Napoleon nach der Schlacht von Waterloo" (Nach der Ankunft in Fontainebleau)


Gemälde von François Léopold Flameng; Aufenthalt unbekannt.

Illustration in Band IV »From Life of Napoleon Bonaparte« von William Milligan Sloane, The Century Co., New York, 1896.

Online komplett verfügbar in der ► "HathiTrust Digital Library".)


Flameng - Rückkehr nach Fontainebleau
 

24. Juli 1815 - Waterloo: "Conveying the French Cannon from the Field of Battle"


Abtransport der französischen Geschütze vom Schlacht-Feld.

Colorierter Druck im »Atlas van Stolk«; Amsterdam um 1816.

Bildquelle: ► »Rijksmuseum« (Amsterdam, NL).

Atlas - Waterloo
 


¹ Auszug aus »Die Elenden« von Victor Hugo.

Zweiter Teil: Cosette; Dritter Band; Verlag von Julius Bagel; Mühlheim a.d. Ruhr, 1863.

Siehe dazu externer Link »archive.org«.



² "Toise": alt-französisches Längen-Maß aus dem 12. Jhd.; entspricht etwa dem deutschen Klafter.

Die "Toise de Paris" unterteilte sich in "6 pieds de Roi à 12 pouces à 12 lignes"(6 Königliche oder Pariser Fuß zu je 12 Zoll; das Zoll etwa eine Daumen-Breite zu je 12 Königliche oder Pariser Linien; somit 1 Toise = 864 Linien; etwa 195 cm; siehe dazu interner Link franz. Längen-Maße).


³ Zitiert aus »Waterloo Battlefield Guide« von David Buttery.

Pen & Sword Books; Barnsley UK; 2018.

 

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 ... 18. bis 19. Juni 1815: Schlacht bei Wavre.



Grouchy und seine Generäle.

Marschall Grouchy, von Napoleon mit der Verfolgung der am Vortag bei Ligny geschlagenen preussischen Verbände beauftragt, im Streit mit seinen Generälen, die ihn unter dem Eindruck des von Waterloo her hörbaren Kanonen-Donners drängen, zur Haupt-Armee zurückzukehren.


Illustration von Mitchell Nolte.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Mitchell Nolte.

Nolte - Wavre
 

Die Schweizer an der steinernen Brücke von Wavre.

Das 2te Regiment Schweizer im Kampf um die Brücke über die Dijle.


Illustration von Patrice Courcelle.

Bildquelle: ► Online-Plattform »Art of it«.

Courcelle - Wavre
 

Gefecht bei Limal.

Nachdem mehrere Angriffe der französischen Divisionen auf die von der preussischen Nachhut unter General-Leutnant von Thielmann besetzte Provinz-Hauptstadt Wavre gescheitert waren, gelingt dem I. französische Kavallerie-Korps am späten Nachmittag bei Limal der Übergang über die Dijle. Zu diesem Zeit-Punkt erreichten erste Verbände der preussischen Haupt-Armee Waterloo.


Illustration von Mitchell Nolte.

Bildquelle: ► Online-Präsenz von Mitchell Nolte.

Nolte - Wavre
 

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 ... 7. Juli 1815: Einnahme von Paris, Ende der 100-Tage Herrschaft und Verbannung.



15. Juli 1815: "Napoleon on Board the Bellerophon"


Von der preussischen Armee verfolgt und von ultra-royalistischen Partei-Gängern gejagt, muss Napoleon befürchten, entweder als "Ungeheuer" auf deutschen Jahr-Märkten zur Schau gestellt zu werden oder der Rache der Bourbonen ausgeliefert zu sein. Dem gefallenen Kaiser bleibt schließlich nur noch die Option, sich der Gnade der Briten zu ergeben. Am 15. Juli 1815 geht Napoleon an Bord der "HMS Bellerophon", die ihn nach Brixham bringt.


Gemälde von William Quiller Orchardson in der externer Link »Tate Gallery« (London, UK).

Orchardson - Napoleon
 
Rex - Fini

"C’est fini" - Napoleon I. auf St. Helena.

Gemälde von Oscar Rex im »Musée national des châteaux de Malmaison et Bois-Préau« (Paris, FRA).

Bildquelle: ► »Images d’Art« (Œuvres d'art des musées français).


16. Oktober 1815: "Napoleon auf St. Helena"


Am 13. Juli 1815 hatte sich Napoleon auf der dem Küsten-Städtchen Rochefort vorgelagerten Insel Île-d’Aix den Briten ergeben. Zwei Tage später betrat er das Deck der britischen Fregatte "HMS Bellerophon", die am Morgen des 24. Juli die britische Küste erreichte und vor Brixham vor Anker ging. Sein Ziel, in die USA ausreisen zu können, zerschlug sich jedoch gleich der Hoffnung, in Britannien politisches Asyl zu finden; am 26. Juli erhielt die "Bellerophon" den Befehl, den Hafen von Plymouth anzulaufen, wo Napoleon am 31. Juli das Urteil seiner Verbannung auf die abgelegene Insel St. Helena erfuhr.

Mit drei Offizieren, seinem Chirurgen und zwölf Dienern ging er am 7. August an Bord der "HMS Northumberland", die am 15. Oktober St. Helena erreichte.


Delaroche - Napoleon

Post-Karte nach einem Gemälde von Hippolyte Paul Delaroche in der externer Link »Royal Collection« (Waterloo Chamber, Windsor Castle, UK).

Bildquelle: ► »Museum of Fine Arts« (Boston, USA).


 

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